Kurzurlaub in Italien
(Als der Arlberg-Express wegen Lawinengefahr nicht weiterfahren kann und
die Leute in Busse umsteigen müssen, trifft Gregor die einbeinige Zsuzsa,
mit der er spontan beschliesst, anstatt nach Wien weiterzufahren, einen
kurzen Italienurlaub anzutreten… )
1. Tag
Es war ein trüber Tag im März. Gregor machte sich auf den Weg von
Vorarlberg, wo er beruflich mehrere Tage zu tun gehabt hatte, nach Wien, wo
die Zentrale seiner Firma lag und er auch seinen Wohnsitz hatte. Er bestieg
in Feldkirch den Zug, der wie an vielen anderen Freitagen überfüllt war. In
der ersten Klasse des „Transalpin“ fand er jedoch einen akzeptablen Platz,
auf dem er sich niederliess. Er packte einige Zeitschriften und seinen
Walkman aus, damit rechnend, dass er die nächsten acht Stunden mit Lesen
und Musikhören verbringen würde. Draussen begann es immer heftiger zu
schneien, und er war froh, im Trockenen zu sein und die Wärme im Waggon
geniessen zu können.
Er war mit sich und den Gesprächen mit den Vorarlberger Kunden in den
letzten Tagen recht zufrieden und freute sich nicht nur auf das kommende
Wochenende, sondern auch auf eine freie Woche danach. Er hatte schon im
September diese Urlaubswoche reservieren lassen, um mit seiner damaligen
Freundin in die Türkei zu reisen, dann aber war es mit der Beziehung bergab
gegangen und noch vor Weihnachten zur Trennung gekommen. Die Woche war dann
völlig in Vergessenheit geraten, und als er kürzlich von seinem Chef auf
den bevorstehenden Urlaub angesprochen wurde, fiel ihm die Vormerkung
wieder ein. Spontan hatte er sich dann entschieden, diese Urlaubswoche
anzutreten, obwohl die Pläne, wegzufahren, längst verworfen waren. Daher
freute er sich nun auf die freien Tage ohne Türkei.
Der Zug hielt in Bludenz, wo der Sturm die Schneewolken über das
Bahnhofsgelände trieb. Ihm fiel gleich eine gewisse Hektik des
Bahnhofspersonals draussen auf, die er zunächst nicht zu deuten vermochte.
Dann meldete der Zugchef über die Lautsprecher, dass wegen Lawinengefahr
die Strecke über den Arlberg gesperrt worden war und der Zug nicht
weiterfahren könne. Ein Schienenersatzverkehr mit Autobussen stünde auf dem
Bahnhofsvorplatz bereit und würde die Fahrgäste nach Landeck auf die andere
Seite des Passes bringen, wo eine Ersatzgarnitur sie aufnehmen und Richtung
Wien weiterbefördern werde.
Missmutig packte Gregor seine Sachen ein und verliess den Zug. Das Chaos
draussen war beträchtlich. Frustriert schleppte er seinen Koffer und die
Tasche mit den beruflichen Utensilien – wie schwer doch ein Notebook sein
kann!
Die Leute vor ihm überholten eine junge Frau, die sichtlich hinkend eine
grössere Tasche und einen Skisack trug. Ihre Figur, von hinten betrachtet,
gefiel ihm und er verlangsamte, sie weiter musternd, seinen Schritt. Sie
war ein wenig kleiner als er, vielleicht einen Meter siebzig gross, lange
sehr dunkle Haare, hinten zu einem Schweif zusammengebunden, schlank, aber
nicht dünn. Sie trug eine kurze Strickjacke mit Kapuze. Die Jacke betonte
ihre Taille, während das ansprechende Gesäss in einer etwas weiter
geschnittenen Jeanshose steckte, die auch auf lange Beine schliessen liess.
Dazu trug sie Stiefel mit niedrigen Absätzen. Ihr Hinken führte er auf
einen Skiunfall zurück, ganz zum Sack passend, mit dem sie sich abmühte.
Sie hielt kurz an, um zu rasten, was ihn zwang, sie zu überholen. Auf
gleicher Höhe trafen sich ihre Blicke. „Welch ein Gesicht!“, durchfuhr es
ihn und er sah nicht ungern, wie sie ihn verlegen anlächelte. „Ich würde
Ihnen gerne helfen, bin aber selbst bepackt wie ein Lastesel“, sagte er und
war froh, dass ihn eine so launige Reaktion eingefallen war. Ihre sanfte
Antwort: „Macht nichts, es geht schon“, war für ihn Anlass, seinen Schritt
beim Weitergehen ihrem Tempo anzupassen und neben ihr herzugehen. Im
folgenden Small Talk fand er heraus, dass sie nach Bratislava unterwegs
war. Aufgrund ihres Reisezieles und ihrer Aussprache war anzunehmen, dass
sie aus der Slowakei stammte. Sie machte sich Sorgen, aufgrund der
Fahrtunterbrechung den Anschlusszug in Wien zu versäumen.
Beim Bus angekommen, verstaute Gregor gleich sein Gepäck im grossen
Kofferraum des Fahrzeuges und brachte dann ihres daneben unter. Der Skisack
fühlte sich eigenartig an, als wäre nur ein Ski drin. Er dachte nichts
weiter dabei und enterte nach ihr den Bus. Die Stiegen nahm sie zuerst
immer mit dem linken Bein und zog dann das rechte Bein ziemlich steif nach.
Sie liess sich auf einer Bank im vorderen Drittel des Busses nieder und
rückte gleich zum Fenster, deutlich machend, dass sie erwartete, er würde
sich neben sie setzen. Nachdem sie ihre Jacke ausgezogen hatte, nahm Gregor
den Nachbarplatz ein, nicht ohne bemerkt zu haben, dass ihre Bluse, die
vorher in der Jacke verpackt war, nun auf zwei schöne Brüste schliessen
liess.
Dann ergriff sie mit beiden Händen die Lehne des Vordersitzes, zog sich ein
wenig hoch und sank vorsichtig mit leicht verzogenem Gesicht wieder in den
Sitz zurück. Er versuchte es weiter auf die launige Tour und fragte sie, in
welchem Krieg sie gekämpft hätte. Sie lächelte wieder verlegen und zögerte,
ehe sie sagte: „Ich habe mich mit einem Zug duelliert, natürlich war er
viel stärker und hat gewonnen.“ Auf seinen verdutzten Gesichtsausdruck hin
fuhr sie fort: „Er fuhr in den Bahnhof von Presov, wo ich studiere, hinein,
die letzten Meter. Ich hatte es eilig und sprang auf den Bahnsteig hinaus.
Es war Winter, und dort war Eis. Ich glitt aus, mein rechtes Bein kam
unters stehen bleibende Rad. Seither trage ich eine Prothese, und die tut
mir jetzt weh, weil ich beim Skifahren gestürzt bin und mir an der Hüfte
einen riesigen blauen Fleck geholt habe,“ begründete sie damit auch gleich
ihre Verrenkungen.
Gregor schluckte einige Male, die Antwort war ziemlich anders als er sie
erwartet hatte. Es verschlug ihm kurz die Rede, aber er fasste sich rasch
wieder, ehe er sagte: „Und ich dachte, sie würden mir jetzt erzählen, der
Feind wäre ein Liftbügel irgendwo in der Schweiz gewesen.“
Dann lehnte er sich kurz zurück. Es war nicht das erste Mal, dass er ohne
es zu wissen eine ungewöhnliche Frau anzubraten begonnen hatte. Seine
früheren Freundinnen hatten etliche Attribute gehabt, die nicht ins
Repertoire der so genannten Normalität gepasst hatten und er hatte gelernt,
die Makel einer Person zu schätzen, was den Umgang mit der gegebenen
Situation nun erheblich erleichterte.
Seine Sitznachbarin sah ihn mit ihren wunderschönen dunkelblauen Augen an,
ehe sie amüsiert schmunzelte: „So hat mich auch noch keiner gefragt“, und
fügte dann mit ernsterem Gesichtsausdruck hinzu: „Ich würde es schade
finden, wenn Sie das stört“, und deutete auf ihr rechtes ‚Bein‘.
Gregor hatte noch keine Vorstellung, was da auf ihn zukam, aber nichts auf
der Welt hätte ihn abhalten können, sie weiter zu umwerben. „Sollte es
das?“, gab er daher keck zurück. „Nun ja, die meisten Männer stört es
schon, auch wenn manche gut erzogen zunächst das Gegenteil behaupten“
meinte sie mit misstrauischem Unterton. Gregor sah sie verwundert an: „Ich
finde Sie sehr nett und ungemein hübsch und habe noch nie meine Sympathien
für eine Frau an deren rechter Ferse gebunden.“
Jetzt war sie an der Reihe, verblüfft zu sein, liess sich aber sehr rasch
auf diese Argumentationsebene ein, als sie lächelnd fortsetzte: „Und auch
nicht an das rechte Knie?“
„Das fällt mir zugegebenermassen schwerer, denn ich finde die Knie einer
Frau sehr erotisch. Aber das linke Knie ist, wenn ich richtig informiert
bin ja noch da und gar so anders wird das rechte sicher nicht ausgesehen
haben.“
Beide lachten, dann musterte sie ihn wohlwollend von der Seite. Er hatte
ihr gleich vom ersten Moment ihrer Begegnung an gefallen. Hellbraune,
vielleicht eher dunkelblonde Haare, ziemlich lang und gut geschnitten,
blaue Augen, ausdrucksstarkes Gesicht, nicht gerade dünn aber auch nicht
dick und ganz sicher nicht blöd“, dachte sie in sich hinein. Ausserdem
hatte sie das Gefühl, er sei kein Kind grosser Traurigkeit. Seine Nähe tat
gut, das spürte sie.
Es war nicht Gregors erster Kontakt zu einer Slowakin und er hatte die
Frauen in früheren Begegnungen stets als offene und herzliche Menschen
erlebt. Sie war offenbar auch von dieser Art und dies fand er über ihre
körperlichen Reize hinaus ungemein anziehend.
Die Zeit im Bus verging rasch, insbesondere als er seine Kenntnisse über
die Slowakei auspackte. Gregor hatte in den Jahren zuvor berufliche
Kontakte dorthin gehabt, insbesondere nach Banska Bystrica und auch nach
Presov, was sie sichtlich beeindruckte. Sie selbst stammte aus Zvolen,
einer alten Stadt und wichtigem Bahnknoten südlich von Banska Bystrica, war
also aus der Mittelslowakei, lebte aber wegen ihres Studiums in Presov, das
sie trotz ihrer Tragödie im Bahnhof sehr schätzte. Erzählen machte ihr
grossen Spass und er genoss ihren liebenswürdigen Akzent, der die
Schilderungen begleitete. Beiläufig hatte er auch ihr Alter erfahren, sie
war dreiundzwanzig Jahre alt, fünf Jahre jünger als er. Mit Zufriedenheit
registrierte er, dass immer wieder ihre Blicke aneinander hängen blieben.
Sie hatte tatsächlich dunkelblaue Augen, an denen er sich kaum satt sehen
konnte, aber dies war nicht der einzige Grund, von ihnen nicht loszukommen.
Er hatte ein starkes Gefühl, sie kriegen zu wollen und spürte ein wohliges
Knistern, wenn er sie betrachtete. Für ihn gab es ziemlich bald keinen
Zweifel, dass nicht nur sie ihm, sondern auch er ihr gefiel. Sie erwiderte
das Flirten, das ihr auch die Ehrlichkeit seiner Worte deutlich machte, und
genoss das untrügliche Gefühl, im Fokus seines Begehrens zu stehen. Eine
solche Situation war seit ihrem Unfall rar geworden und sie kokettierte mit
dem Verlangen in ihrem Inneren. Ihre Ängste, sich zu täuschen, hielt sie im
Zaum, zumal sie es geschafft hatte, gleich unmissverständlich deutlich zu
machen, was mit ihr los war.
In Landeck angekommen, war es für ihn keine Frage mehr, dass er eine
aussergewöhnliche Reisepartnerin gefunden hatte, die aus ihrem Sympathien
ihm gegenüber keinen Hehl machte. Sie gab ihm das Gefühl, dass sie das
Zusammensein mit ihm ernsthaft mochte, und nahm es auch selbst wahr. Es war
unausgesprochen klar, dass sie ihre Reise nun gemeinsam fortsetzen würden.
Als sie aus dem Bus stiegen, fragte sie: „Macht es ihnen was aus, wenn ich
Ihren Koffer mit Rollen nehme und Sie meinen Skisack? Der ist derart
sperrig, dass ich stets das Gefühl habe, er geht mit mir und nicht ich mit
ihm.“ Beide lachten und Gregor störte plötzlich das „Sie“. Er blieb stehen,
zögerte und sagte dann: „Sollten wir nicht zum Du wechseln?“ Und als sie
nickte, hielt er ihr die Hand hin: „Ich heisse Gregor.“
„Und ich bin Zsuzsa“, sagte sie, während sie seine Hand lange drückte.
Dann gingen sie mit ihrem Gepäck langsam zu Ersatzzug. Sie tat sich dabei
sichtlich schwer und ihr Gesicht wurde sehr ernst. „Verdammter Bluterguss“,
murmelte sie, als sie kurz stehen blieb. Schliesslich standen sie auf dem
Bahnsteig vor einem Wagen erster Klasse und Gregor schickte sich an, das
Gepäck durch die offene Einstiegstüre auf die Plattform zu schieben. Sie
zögerte. „Ich habe nur eine Fahrkarte zweiter Klasse“, sagte sie. „Und ich
möchte Dich einladen, mit mir in der ersten Klasse zu reisen, dort ist es
netter und viel bequemer. Ich zahle den Zuschlag wirklich gerne für Dich.“
Sie lächelte, nahm die Einladung an und hielt ihm dann ihre grosse Tasche
hin.
Sie fanden rasch ein leeres Abteil und Zsuzsa setzte sich seufzend nieder,
während Gregor das Gepäck über ihr verstaute. Als er den Skisack hinauf
hob, fiel ihm wieder der eine Ski darin ein. Natürlich, sie fuhr sicher mit
einem Ski, aber wie? Das wollte er sie später fragen.
Jetzt setzte er sich schweigend neben sie. Zsuzsa sah sich um. „Damals war
es auch ein Wagen erster Klasse“, sagte sie plötzlich. „Wann?“ fragte er
unaufmerksam. „Als ich unter den Zug geriet“, verdeutlichte sie. „Fuhrst Du
denn in der ersten Klasse?“, fragte er erstaunt. „Nein, aber da ich es
eilig hatte, ging ich in einen solchen Waggon, weil sich dort noch keine
Menschentrauben vor den Türen gebildet hatten. Ich konnte rascher raus.“
„Ich kenne den Bahnhof von Presov, erwiderte Gregor, „seine Bahnsteige habe
ich in schlechtester Erinnerung. Dort besteht stets akute Sturzgefahr, ob
beim Ein- und Aussteigen, beim Überschreiten der Gleise, aber auch schon
beim Gehen auf den Schotterhügeln, anders kann man die zu Gleis steil
abgeschrägten Steige kaum bezeichnen. Ganz zu schweigen von Situationen, in
denen man abspringt, ehe der Zug steht.“
„Ich dachte, er wäre schon stehen geblieben, aber er fuhr noch einen Meter,
das reichte. Das Rad stand genau auf meinem Knie.“
„Hast Du das alles mitgekriegt?“, fragte er mit belegter Stimme. „Anfangs
schon, allerdings ohne die Konsequenzen erfassend. Es hat geknirscht und
ich habe gleich fürchterliche Schmerzen gekriegt. Aber es war zufällig ein
Arzt zur Stelle, der mir eine Spritze gab, dann wurde ich bewusstlos.“
„Also hier passiert Dir sicher nichts“, lenkte Gregor das Gespräch in
andere Bahnen, „Aber Schmerzen hast Du jetzt auch“, konstatierte er, als
sie sich zur Seite lehnte, um mit ihrer rechten Gesässhälfte nicht voll auf
die Sitzpolsterung zu drücken.
Sie nickte. „Die Prellung an der Hüfte und die Prothese mögen sich nicht,
der Prothesenrand drückt auf den Bluterguss, das tut ziemlich weh“
erläuterte sie.
„Was kann man dagegen tun?“, fragte Gregor besorgt.
Zsuzsa schluckte. „Die Prothese ablegen und an Krücken gehen, aber das geht
jetzt nicht, ohne das Kunstbein kann ich nicht reisen, um das Gepäck zu
tragen brauche ich zwei Beine und freie Hände.“
„Wir fahren jetzt über sechs Stunden bis Wien, es gibt in dieser Zeit
nichts zu schleppen, mach es Dir doch bequem:“
Sie zögerte, sah ihn nachdenklich an und fragte dann: „Bist Du sicher, es
stört Dich nicht, wenn ich inkomplett neben Dir sitze?“
„Lass es uns doch einmal ausprobieren, auf Dauer kämen wir an diesem
Problem ohnehin nicht vorbei“, konterte er.
Zsuzsa lächelte ein wenig gequält und registrierte sehr wohl die auf
längeren Kontakt gerichtete Bedeutung seiner Worte, während in Gregor
ungeordnet Bilder aus seiner, wie er selbst sie nannte, eigenartigen
Biographie der Beziehungen zu Frauen auftauchten. Seine erste Freundin, er
war gerade 16 geworden, war schwere Diabetikerin. Er erinnerte sich, dass
ihr damals, mit 15, wegen Durchblutungsstörungen schon mehrere Zehen
fehlten. Seine letzte Flamme war hochgradig sehbehindert. Sie hatte so
starke Brillen gehabt, dass sie praktisch zwei Gesichter, eines mit Brille
und ein sehr schönes ohne Gläser hatte. Auch dazwischen gab es kaum eine,
die nicht deutliche Differenzen zum Normalen gehabt hätte.
Streng genommen hatte er schon damit gerechnet, dass er wieder auf
Ungewöhnliches stossen würde, war deswegen in der aktuellen Situation
keinesfalls unglücklich und fühlte sich in seiner Rolle, vom Anderssein
angezogen zu werden, bestätigt. Auch seine Diplomarbeit an der Universität
passte zum Thema, in ihr hatte er als angehender Soziologe die
Stigmatheorie des amerikanischen Sozialwissenschaftlers Erving Goffman
analysiert und kommentiert. Eine der dort beschriebenen Formen des Stigmas
war die Amputation gewesen, Goffman hatte an mehreren Stellen das Schicksal
einbeiniger Frauen angesprochen. Gregor hatte dies interessiert registriert
und auch zitiert, nun stand er plötzlich in der Praxis vor diesem Thema.
Zsuzsa fasste einen raschen Entschluss. Sie wollte es nun genau wissen.
„Gib mir bitte den Skisack wieder herunter und mache ihn auf, da sind die
Krücken drin.“ Gregor öffnete den Sack. Neben dem Ski fand er zwei Paar
Krücken, ein kurzes Paar mit kleinen Skiern dran und ein längeres mit
Gummistoppeln an den Enden. „Na klar“, dachte er bei sich, „mit Krücken
fährt sie, so habe ich einen Mann schon einmal fahren gesehen.“ Das andere
Paar war schwarz, an der Unterarmklammer mit dunklem Leder überzogen und
mit gepolsterten Griffen versehen. „Sind es diese?“, fragte er. Zsuzsa
nickte, nahm dankend die Krücken und legte sie neben sich.
Sie stand auf, ging zur Abteiltüre und zog die Vorhänge zu. „Soll ich
rausgehen?“ fragte Gregor. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, bleibe bitte da,
ich möchte, dass Du jetzt dabei bist, wenn ich mich umziehe. Ich fühle mich
sicher wohler, wenn ich Dir nachher noch immer gefalle.“
Dann öffnete sie den Gürtel ihrer Hose und zog die Jeans hinunter. Gregor
verschlug es den Atem. Auf der linken Seite kam ein wohlgeformter, schwarz
bestrumpfter Oberschenkel zum Vorschein. Der Strumpf hing an einem
Strumpfhalter, ungemein erotisch. Rechts die Prothese, auch mit schwarzem
Strumpf bedeckt, der an den Strapsen hing, dazu ein Gürtel um die linke
Hüfte, der offenbar dem Festhalten der Prothese diente.
Zsuzsa öffnete zuerst diesen Gürtel, löste dann den rechten Strumpf von den
Strapsen und rollte ihn bis aufs „Knie“ hinunter. Sie drehte an einem Knopf
über der Mitte des Prothesenoberschenkels. Mit einem Ruck zog sie die
rechte Hüfte hoch und dann kam ein kurzes Stück Oberschenkel zum Vorschein,
höchstens ein Drittel, eher nur ein Viertel der ganzen Länge ihres linken
Schenkels. Sie zog einen Trikotstrumpf vom Stumpf und stand nun da, so wie
sie wirklich war und offen sichtbar mit dem, was von ihrem rechten Bein
übrig war. Sie legte die Prothese auf den Abteilboden.
Dann richtete sie sich wieder auf. Sie hielt den Stumpf leicht nach vorne
gebeugt. Er war eine Spur schlanker als der linke Oberschenkel, und auf der
flach abgerundeten Kuppe war eine ausgeprägte rote Narbe zu sehen. An der
Hüfte über ihm war ein grosser schwarzblauer Fleck, grösser als eine Hand.
Zsuzsa beobachtete Gregor von der Seite. Er war noch nie in seinem Leben
mit einer solchen Situation konfrontiert worden, empfand nun aber keinerlei
Abscheu oder Ablehnung. Ganz im Gegenteil. Er fühlte Wärme und Zuneigung in
sich aufsteigen, und wenn er auf die Strapse blickte, die vor dem Schenkel
spannten und vor dem Stumpf baumelten, konnte er die Erregung kaum
verbergen. Diese Frau war schön, so wie sie vor ihm stand, samt ihrem
Beinstumpf, den er als durchaus anziehendes Stück Oberschenkel empfand. Er
war fasziniert von dieser ungewöhnlichen Erscheinung.
Zsuzsa bekam gleichzeitig Angst vor ihrer Courage. Sie spürt plötzlich,
dass eine ablehnende Haltung Gregors sie schwer treffen würde. Sie begann,
sich für ihren Körper und ihre Aktion zu schämen, während sie wegen der
Fahrtbewegungen des Zuges zunehmend Probleme hatte, die Balance zu halten.
Sie versuchte zunächst kurz mit Erfolg, sich mit ihren Armen und ihrem, wie
Gregor ihn nun nennen wollte, kurzen Schenkel durch ausgleichende
Bewegungen aufrecht zu halten. Als der Zug aber in einer Kurve stärker
rüttelte, verlor sie endgültig das Gleichgewicht und fiel Gregor in die
Arme. Der gab ihr einen Kuss auf die Wange, hielt sie fest und flüsterte:
„Ich kann Dir gar nicht sagen, wie aufregend ich Dich finde. Du bist eine
schöne Frau. Ich mag Dich, wie Du bist.“
Zsuzsa stand mit hochrotem Gesicht noch einmal auf, zog die Jeans hoch,
faltete das rechte Hosenbein, steckte das untere Ende seitlich in den Bund
der Hose und machte den Gürtel zu. Dann setzte sie sich wieder nieder,
diesmal eng neben Gregor und sah ihn mit feuchten Augen an. „Ich habe
grosse Angst gehabt, Dir könnte vor mir ekeln“, sagte sie leise. Er
schüttelte den Kopf: „Es ist, wie ich sagte. Ich mag Dich, wie Du bist“,
wiederholte er. Sie blickten sich eine Weile in die Augen. Sie spürte sich
wunderbar angenommen, und sie fühlte, wie ihre Gefühle sie überwältigten.
Plötzlich sah er, wie ihr Mund sich näherte. Er nahm sie wieder in die Arme
und fand diesen Mund für einen wohlschmeckenden Kuss.
Eine Weile sassen sie umschlugen da, dann lehnte sich Zsuzsa zurück. Ihr
Blick fiel auf die Prothese, die noch mitten im Abteil lag. Sie hob sie
hoch und reichte sie Gregor, damit er sie in den Skisack stecken konnte.
„Komisch, ein Fuss im Skisack“, dachte er, ehe er den Sack zumachte und
wieder auf dem Gepäckträger verstaute.
Zsuzsa sass wieder zurückgelehnt da und schloss nun die Augen. „Bist Du
müde?“, fragte Gregor. Sie schüttelte den Kopf. „Ich geniesse den Satz, den
Du gesagt hast, er kreist regelrecht in meinem Kopf:“
„Welcher?“
“ Ich mag Dich, wie Du bist. Ich kann es noch kaum glauben“, murmelte sie.
Und dann mit einem Anflug von Panik: „Du meinst es doch ernst, nicht
wahr?“ Er zog sie an sich und nickte. „Mit einer solchen Aussage spasst man
nicht“, beruhigte er sie, sie nicht loslassend. Dann lehnte er sich zurück
und streichelte ihren Rücken. Er war mit sich und der Situation zufrieden.
Er wollte sie und sie öffnete sich ihm in einer Weise, die ihn beflügelte.
Dass er so offen und eindeutig agierte, gefiel ihm. „Liegt sicher an ihr“,
resümierte er in sich und nahm wohlig seine Zuneigung ihr gegenüber wahr.
Draussen schneite es noch immer stark, Schneewolken wehten vorbei, während
der Zug durch das Oberinntal pflügte. „Ein richtiges Sauwetter“, beschwerte
sich Gregor.
Zsuzsa blickte nun auch in Richtung Fenster. „Das kann man wohl laut
sagen“, nickte sie zustimmend. „Wie in der Schweiz. Die ganze Woche gab es
dort Wolken, Nebel und Schnee. Dabei hatte ich mit Frühling gerechnet.“
„Wo warst Du?“, fragte er.
„In Belalp, im Wallis.“
„Kenne ich, ich mag das Goms, in dem Belalp liegt. Eine wunderschönes
Hochtal im Gebirge, mit etlichen Orten an den Berghängen, wie Belalp, ein
faszinierender alter Ort in etwa 2000 m Seehöhe. Aber extrem ungut, wenn
das Wetter schlecht ist, nur Schneesturm pur. Wie bist Du dort
hingekommen?“
„Meine Tante lebt in der Schweiz, in Bern. Sie hat mich schon regelmässig
in den Ferien eingeladen, als ich noch ein Kind war. In Belalp hat sie ein
kleines Haus, eher kann man sagen, eine Skihütte.“
„Ein Chalet“, korrigierte Gregor.
„Genau, Du kennst Dich aus. Und wie bist Du in diese Gegend gekommen?“
„Ich habe einen Studienkollegen, der jetzt in Visp im Oberwallis lebt und
habe ihn schon öfters besucht. Ich war auch schon zweimal zum Skilaufen
dort, einmal eben in Belalp, allerdings bei Traumwetter.“
„Visp, das ist der grosse Ort im Tal, den man auf der Fahrt zum
Lötschenpass vom Zug aus überblickt, nicht wahr?“
Er nickte und ergänzte: „Visp ist auch der Ort im Tal, von dem aus man
Zermatt und Saas-Fee, die berühmten Orte in den Walliser Bergen erreicht.“
„In Saas war ich vor einem Jahr, da habe ich nach der Amputation wieder
Skifahren gelernt, meine Tante hat mir einen Kurs bezahlt.“
„Fährst Du gerne?“
„Ja, leidenschaftlich gerne, viel lieber als vorher mit zwei Skiern.
Krückenskilaufen finde ich super, gibt ein tolles Gefühl freier Bewegung
und ist aus meiner Sicht viel sicherer als normales Skifahren – ausser auf
einer riesigen Eisplatte“, schloss sie dann grinsend.
„Kann ich mir schlecht vorstellen“, erwiderte er.
„Glaube ich Dir, die Bewegung ist im Vergleich zum normalen Skilauf recht
unterschiedlich, obwohl grundsätzlich auch für Zweibeiner möglich, vom
denen die meisten natürlich nie auf die Idee kommen, das Fahren mit Krücken
zu versuchen. Am besten, wir gehen miteinander einmal Ski fahren, dann
kannst Du mir dabei zusehen“. Und dann mit interessiertem Blick auf ihn: „
Fährst Du gut?“
„Ich glaube ja, ich war sogar einige Jahre Skilehrer. Am Anfang meiner
Studentenzeit habe ich die Prüfung gemacht und dann in den Ferien Geld
damit verdient. Heute mache ich das nicht mehr.“
„Alle Achtung“, meinte sie anerkennend. „Was hast Du eigentlich studiert?“
„Soziologie. Und was machst Du?“
„Germanistik.“
„Ah, deshalb sprichst Du so gut Deutsch.“
„Meinst Du?“, fragte sie geschmeichelt und skeptisch zugleich. „Meine Tante
sagt immer, ich sollte mal länger bei ihr bleiben, damit ich nicht immer so
klinge wie eine weibliche Ausgabe des tschechischen Soldaten Schwejk.“
Beide lachten.
„Also ich finde Deinen Akzent äusserst sympathisch“, meinte Gregor und
spielte dann den Entrüsteten. „Streng genommen sollten die Schweizer in
dieser Angelegenheit nicht gross reden, die versteht nämlich unsereins
schlechter als Dich.“
Zsuzsa grinste. „Jetzt weiss ich, was ich ihr das nächste Mal sagen werde,
wenn sie mir wieder mit solchen Vorwürfen kommt“, kicherte sie dann.
Sie streckte sich. Dabei zog sie ihren Beinstumpf hoch, ein für Gregor
ungewohnter Anblick. Sie bemerkte seinen überraschten Blick und liess den
Stumpf wieder auf den Sitzpolster fallen. „Mein Frosch“, meinte sie dann.
„Wie bitte?“
Sie lächelte. „Ich sage Frosch zu ihm. Stumpf ist so ein hässliches und
negativ besetztes Wort. Schau, seine Kuppe ist, wie Du vorhin gesehen hast,
rund wie ein Froschmaul, dazu die Narbe wie eine Mundöffnung darauf. Daher
der Name.“
„Mir geht es bei dem Wort Stumpf auch nicht gut. Habe sogar Hemmungen, es
in den Mund zu nehmen. Ich werde ihn daher auch als kurzen Schenkel
bezeichnen.“
Sie sah ihn erfreut an. „Eine gute Idee“, pflichtete sie dann bei.
„Du magst Frösche?“, fragte er dann, auf ihre Namengebung anspielend.
„Ja, ich finde sie ganz lieb“, antwortete sie vergnügt, und fragte dann:
„Welches Tier hast Du am liebsten?“
„Die Katze“, antwortete Gregor ohne nachzudenken.
„Ja, die mag ich auch. Ich bin eigentlich eine Katze, eine dreibeinige.“
Gekicher. Dann hob sie wieder ihren ‚Frosch‘, der dabei in der Hose bebte.
Gregor betrachtete ihn mit interessierten Blick und meinte dann: „Ein
kleiner Frosch. Du hast erzählt, das Rad des Waggons stand auf Deinem Knie.
Muss man dann soviel vom Bein wegschneiden?“
Zsuzsa griff mit der Hand nach ihrem Stumpf, und hielt ihn hoch, während
sie den Kopf schüttelte. „Zuerst war er viel länger, mehr als zwei Drittel
des Schenkels. Aber der Notfallchirurg war wohl eine Vorgabe. Es sah aus,
als wäre das Bein unter ein Hackbeil geraten. Die Wunde war gross, hässlich
und heilte schlecht. Dann kam eine Entzündung dazu, mit Schmerzen, die
schrecklich waren. Eine zweite Operation wurde notwendig.“
„Wie haben sich die Ärzte für diesen Pfusch verantwortet?“
„Sie haben gemeint, das wäre alles geschehen, um möglichst viel von meinem
Bein für die prothetische Versorgung zu retten.“
Gregor schüttelte den Kopf. „Und dann musste man erst recht viel
wegschneiden.“
Zsuzsa zögerte. „Nun ja, ich wollte es so.“
„Wie?“
„Ich hatte das Theater satt. Als der Chirurg kam, um die Operation
vorzubereiten und etwas von ‚Knochen retten‘ und ‚prothesengerecht‘
faselte, habe ich gesagt: nur ja keine Verlegenheitslösung mehr. Lieber
kürzer, aber nachher keine Beschwerden. Und um der Sache Nachdruck zu
verleihen, habe ich ihm erzählt, dass ich Miniröcke über alles liebe und
nachher wieder welche tragen möchte, ohne mit dem Stumpf im Freien zu
stehen. Das hat gewirkt, das war für ihn als Mann offenbar einsichtig. Er
hat gegrinst und mit einem Stift die Schnittführung auf der Haut
vorgezeichnet. ‚So recht, Gnädigste?‘, hat er dann gefragt.“
„Ganz schön mutig“, warf Gregor ein.
„Dabei war mir elend zumute. Wer gibt schon gerne was von seinem Bein her“,
erläuterte sie.
„Und hat es sich gelohnt?“
Sie nickte. „Auf jeden Fall. Ich habe kaum Beschwerden, der Frosch ist
schön geformt und gut beweglich. Natürlich hat ein kurzer Stumpf auch seine
Grenzen, nicht zuletzt in Bezug auf das Tragen einer Prothese. Der Hebel
des verbliebenen Teils des Schenkels ist kürzer, das Gehen ist
anstrengender und etwas instabiler. Ich gehe daher gerne als Alternative
auch mit Krücken. Auf jeden Fall ist es mir lieber so als mit Schmerzen und
entstellenden Narben wie in den ersten Monaten nach dem Unfall“, schauderte
sie sich. Zsuzsa streichelte kurz ihren Frosch.
„Und die Miniröcke?“ fragte Gregor, provokant lächelnd. Sie blickte ihn
überrascht an und schmunzelte dann.
„Die kann ich tatsächlich wieder tragen, ohne dass man schon von weitem den
Frosch sieht. Allerdings fällt es mir meist nicht leicht, viel Bein zu
zeigen, weil nur mehr ein Fuss da ist.“ Und nach einer kurzen Pause:
„Vielleicht geht es besser an der Seite eines Mannes“, sagte sie und
lächelte ihn vielsagend an.
„Seit wann bist Du eine dreibeinige Katze?“
„Der Unfall ereignete sich vor etwas mehr als zwei Jahren, es war Ende
Jänner. Die zweite Operation war im September danach.“
„Das ist ja noch gar nicht lange her“, resümierte Gregor.
„Ja man merkt es an der Narbe, die noch tief rot ist und ich spüre auch
noch des Öfteren das amputierte Bein. Am Anfang war dieses Gefühl ganz
stark und ich bin auch mehrmals gestürzt, weil ich das Gewicht auf etwas
verlagerte, was nicht mehr da war. Aber jetzt sind die Erinnerungen schon
blasser, ich komme mit der Einbeinigkeit bereits recht gut zurecht.“
„Ich finde Deinen Umgang mit der Amputation sehr beeindruckend, man könnte
meinen, Du magst es so.“
Zsuzsa lächelte ein wenig verlegen und blickte zum Fenster hinaus. Draussen
weiter Flocken und Nebelsuppe. „Es scheint, als würde der Schneesturm immer
stärker. Dabei ist es März, Frühling“, dachte sie laut.
Der Zug ratterte auf Innsbruck zu. Über den Zuglautsprecher wurde bekannt
gegeben, dass die Verspätung bereits drei Stunden betrage, auf Grund des
Schlechtwetters sei mit weiteren Verzögerungen zu rechnen. Ein Zug in
Richtung Italien würde in Innsbruck erreicht werden, zwar nicht der
geplante Anschlusszug, der längst weg sei, aber ein anderer Schnellzug in
Richtung Verona, Bologna und Rom. „Italien, ob dort wohl Sonne ist?“
murmelte Zsuzsa.
Gregor wurde wie vom Blitz von einer kühnen Idee getroffen, die ihn gleich
begeisterte. Zum einen war Italien sein Lieblingsland. Zum anderen neigte
er dazu, sich voll in Beziehungen hineinzulassen und sich nicht lang bei
Vorgeplänkeln aufzuhalten.
„Am besten, wir fahren hin und sehen nach“, meinte er und spürte ein
Kribbeln in sich hochkommen.
„Wie? Was?“
„Wir steigen in Innsbruck um und fahren in den Süden, solange, bis die
Sonne da ist. Magst Du?“
Zsuzsa war platt und schaute ihn ungläubig an. „Sicher wäre es schön. Aber
wie soll das gehen? Meine Verletzung, das Gepäck, leere Kassa.“
„Die Kassa lass meine Sorge sein. Ich verdiene recht gut und Du bist noch
Studentin. Ich lade Dich auch auf die erweiterte Zugfahrt ein, fürs
Übernachten finden wir sicher Lösungen und verhungern werden wir auch
nicht. Kannst Du Dir bis mindestens Dienstag Zeit nehmen?“
Zsuzsa überlegte. Hätte sie wirklich nicht gewollt mitzukommen, wäre jetzt
die ideale Gelegenheit für den Rückzug gewesen. Sie sagte aber: „Ja, das
müsste schon gehen, an den slowakischen Universitäten sind noch Ferien.“
„Prima, ich habe die ganze Woche Urlaub. Ich würde vorschlagen, wir lassen
meine Bürosachen und Deinen Skisack in der Gepäckaufbewahrung auf dem
Innsbrucker Bahnhof und machen einen Abstecher mindestens bis Verona. Die
Prothese lassen wir am besten im Sack, weil Du sie in den nächsten Tagen
ohnehin nicht tragen kannst. Bis wir nach Innsbruck zurückkommen, ist Deine
Hüfte vielleicht schon wieder in Ordnung. Vorausgesetzt, Du schaffst es an
Krücken.“
Gregor fühlte, dass er sich bildlich gesprochen weit aus dem Fenster
gebeugt hatte, ziemlich weit sogar. Sein Freund Peter würde sagen, er hänge
wieder einmal gerade noch mit den Zehen am Fensterbrett. Er bekam plötzlich
Angst vor einer Abfuhr. Er fühlte, dass ihn diese auf dem falschen Fuss
erwischen würde und sah sie gebannt an.
Zsuzsa kämpfte mit ihrer Unschlüssigkeit. Auf der einen Seite war die
Verlockung gross, auf der anderen Seite ging alles nun ein wenig schnell.
Aber dann dachte sie an ihre Panik beim Umziehen, fürchtete sich vor den
Folgen einer Absage ihrerseits, gab sich einen Ruck und entschied: „Okay,
fahren wir. Das Gehen an Krücken ist für mich sicher kein Problem.“ Und
nach einem freudigen Blick auf ihn: „Ich bin wirklich froh, dass der
Vorschlag, die Prothese nicht mitzunehmen, von Dir kam. So kann ich sicher
sein, dass es Dich nicht allzu sehr stören wird, Dich mit einer
offensichtlich einbeinigen Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen.“
Während er glücklich lächelte, wurde sie nachdenklich. „Ich muss aber
unbedingt meine Tante anrufen, die wartet nämlich auf einen Anruf von mir
heute abends nach meiner Ankunft in Presov.“
„Dort wärest Du heute sowieso nicht hingekommen, Eine solche Verspätung
wartet der Anschlusszug in Wien sicher nicht ab.“
„Ach ja, an das habe ich gar nicht mehr gedacht“, fiel ihr ein.
„Brauchst Du ein Handy? Dann kannst Du jetzt gleich anrufen“, fragte Gregor
und kramte in seiner Jackentasche.
„Ja, meines ist ein Wertkartenhandy für die Slowakei.“
„So etwas hatte ich als Student auch, sag mir bitte die Nummer“, grinste
Gregor. Er tippte die Schweizer Nummer ein, stellte die Verbindung her und
hielt ihr dann den Apparat hin.
„Hallo Tante, hier ist Zsuzsa“, meldete sie sich. „Ja, schlimm, schon drei
Stunden, aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe im Zug einen ganz lieben
Österreicher kennen gelernt und wir werden in Innsbruck die Fahrt nach Wien
unterbrechen und in Italien den Frühling suchen. Er hat mich dazu
eingeladen.“ Die aufgeregte Frauenstimme auf der anderen Seite schallte so
laut aus dem Handy, dass Gregor sie noch aus eineinhalb Meter Entfernung
hörte. Dann sagte Zsuzsa nach einigem Zuhören: „Er weiss es, Tante, ich
sitze ohne Prothese neben ihm, die habe ich in den Skisack gepackt, weil
sie mich schrecklich gedrückt hat“ Und nach weiterem Zuhören zu Gregor:
„Sie will Dich kurz sprechen.“
„Ja, hier Gregor Kratochwil“, sagte er. Eine resolute Frauenstimme stellte
sich als Elsa Spörli vor und sagte dann: „Eine tolle Idee, in Italien den
Frühling zu suchen, noch dazu mit meiner lieben Zsuzsa. Sie ist so tapfer“,
und dann zögerte sie, ehe sie fortfuhr: „aber auch sehr verletzlich. Ich
weiss, es ist dumm von mir, so zu reden, aber ich möchte sie nur bitten,
nicht mit ihr zu spielen.“
„Sie können beruhigt sein, gnädige Frau“, antwortete Gregor, „bei soviel
Schönheit und Stärke ist kein Platz für Spiele.“ Kurze Pause, dann bedankte
sie sich überschwänglich und wünschte ihm einen guten Urlaub. Er
verabschiedete sich und sie sagte: „Geben Sie mir bitte noch mal Zsuzsa.“
Nach weiteren Ausführungen von Elsa begann ihre Nichte zu strahlen. Kann
sie mich auf Deinem Handy auch anrufen? „Natürlich“, nickte Gregor und
sagte die Nummer an. Dann beendete Zsuzsa das Gespräch und war sichtlich
zufrieden.
„Die war völlig begeistert von dem, was Du ihr geantwortet hast, Bei der
Strenge Tante Elsas Männern gegenüber eine Seltenheit. Dein Name kommt
übrigens in der Slowakei recht häufig vor.“
„Ja, mein Ururgrossvater war Tscheche, der nach Niederösterreich
einwanderte.“
Dann gab sie ihm einen Kuss. „Auf in den Süden“, rief sie, sprang auf und
hüpfte auf ihrem einen Bein im Abteil herum. Gregor hatte Gelegenheit, nun
wegen ihrer Beweglichkeit verblüfft zu sein, eine Reaktion, die er in den
nächsten Tagen noch öfter haben sollte.
Rasch packten sie ihre Sachen zusammen und er begann, ihre Gepäckstücke zum
Ausgang zu tragen, während sie noch Skikleidung in den Sack mit der
Skiausrüstung schob, um ihre Reisetasche zu entlasten. „Ich bringe mein
Bürozeug und den Skisack in die Gepäckaufbewahrung, Du bleibst am besten
beim anderen Gepäck auf dem Bahnsteig“, schlug er vor.
Sie nickte und fragte ihn dann besorgt: „Hast Du alles, was Du brauchst,
umgepackt?“
„Gute Frage“, sinnierte er. Dann fiel ihm der Photoapparat ein, der in der
Bürotasche steckte und packte ihn hastig in den Koffer.
„Hast Du alles aus dem Sack?“, fragte er dann.
„Ja, ausser wir gehen in Verona Ski fahren“, erwiderte sie amüsiert.
„Na, lieber nicht, sonst holst Du Dir auf der anderen Seite auch einen
riesigen blauen Fleck“, konterte Gregor. Sie puffte ihn mit der Krücke in
die Seite und grinste.
Dann fiel ihr aber doch noch etwas ein. „Ich gehe ja die nächsten Tage die
ganze Zeit an Krücken und habe meine Wechselgriffe für diese noch im
Sack.“ Gregor öffnete den Skisack, der nun bereits auf der Plattform lag,
worauf als erstes die Prothese heraus fiel. Zsuzsa nestelte im Sack und
brachte eine kleine Plastiktüte zum Vorschein, die sie in ihre Tasche
schob, während Gregor vor dem verblüfften Schaffner das „Bein“ wieder
verstaute. Höchste Eisenbahn, denn der ‚Transalpin‘ rumpelte bereits in den
Innsbrucker Bahnhof.
Als der Zug angehalten hatte, kletterte zunächst Gregor hinaus und
schichtete die Gepäckstücke neben eine Sitzbank auf dem Bahnsteig. Dann
half er Zsuzsa aus dem Waggon. Sie setzte sich auf die Bank, während er mit
Bürotasche und Skisack in Richtung Kassenhalle startete. Wegen des
Umsteigens war er unter grossem Zeitdruck, aber glücklicherweise gab es
keine Wartenden vor dem Depot. Die Aufbewahrung war in Minuten erledigt und
Gregor rannte zum Fahrkartenschalter für das Ausland. Auch dort ging es
schnell und dann lief er zurück zum Bahnsteig.
Zsuzsa sass in der Zwischenzeit mit wachsendem Unbehagen auf der Bank. Vor
ihr stand noch immer der Zug nach Wien und aus diversen Abteilen gafften
die Passagiere ungeniert auf die junge einbeinige Frau draussen auf dem
Perron. In einem Abteil unterhielten sie sich offensichtlich kopfschüttelnd
über sie. Es war einer jener Augenblicke, in denen sie sich sehr behindert
fühlte und am liebsten davongelaufen wäre. Aber das ging jetzt nicht: die
Krücken, das Gepäck. Sie atmete auf, als Gregor zurückkam.
„Komm, wir müssen rüber auf den anderen Bahnsteig!“, rief er schon vom
Stiegenaufgang her leicht keuchend. Dann schnappte er das Gepäck und
meinte: „Ich laufe voraus, damit der Zug ja nicht wegfährt.“ Er rannte die
Stiegen hinunter, hinter sich das Geräusch der auf den Boden aufsetzenden
Krücken Zsuzsas. Dann lief er durch die Unterführung und die Stiegen zum
nächsten Bahnsteig wieder hinauf. Der Anschlusszug war schon abfahrbereit,
der Schaffner winkte, rasch einzusteigen. Als Gregor das Gepäck bei der
erstbesten Tür hinein geschoben hatte und sich umdrehte, stand Zsuzsa mit
den Krücken schon hinter ihm. „Das ging aber flott,“ meinte er anerkennend,
als er sie zuerst einsteigen liess und ihr dann folgte. „Warum nicht, ein
Bein habe ich ja noch“, entgegnete sie schnippisch.
Sie machten sich auf die Suche nach einem Wagen erster Klasse. Der fand
sich bald mit vielen leeren Abteilen und sie bezogen ihr neues Quartier.
Gregor war noch immer beeindruckt von Zsuzsas Tempo mit den Krücken. „Mit
der Prothese warst Du viel langsamer“, konstatierte er verwundert. „Sie hat
mir wehgetan, das war eine besondere Situation. Aber es stimmt, mit den
Krücken bin ich schneller. Ich gehe auch gerne ohne Prothese, insbesondere
wenn es nichts ausmacht, dass die Hände gebunden sind.“
„Du benötigst eben einen Träger“, meinte er, was sie wortlos mit einem
Lächeln quittierte.
Sie sassen sich nun im Abteil gegenüber. Zsuzsas Hosenbein hatte sich in
der Hektik selbständig gemacht und hing lose hinunter. Sie begann es erneut
hoch zu falten, als Gregor wieder die kurzen Röcke einfielen. „Ich glaube,
Du brauchst jetzt einen Rock,“ stellte er trocken fest. Zsuzsa hielt
verdutzt inne, liess das Hosenbein wieder fallen und meinte dann: „Du hast
recht, dafür brauche ich allerdings noch einmal meine Tasche vom
Gepäckträger.“
„Gerne, gleich geschehen“, feixte er und hob die Reisetasche herunter.
Während Zsuzsa einen Rock und eine Strumpfhose der Tasche entnahm, ging die
Tür auf und der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Staunend betrachtete er
die junge Frau mit dem leeren Hosenbein, als er die Fahrkarten markierte.
Dann ging er wieder, eine gute Reise wünschend.
„Gäbe es Dich nicht, man könnte meinen, die Leute hier haben noch nie eine
einbeinige Frau gesehen“, ätzte Zsuzsa.
„Das ist gut möglich, für mich bist Du auch die erste.“
„Er war ja erträglich, aber die Leute im Transalpin waren mit ihrem
entsetzten gaffen, als ich vor ihnen auf dem Bahnsteig auf Dich wartete,
jenseits von gut und böse,“ schimpfte sie. Und nach einer kurzen Pause
hakte sie nach: „Wirklich die erste?“
„Ich kann mich zumindest nicht erinnern… Männer schon“, antwortete er
nachdenklich..Zsuzsa hüpfte zur Tür und zog die Vorhänge zu. Dann zog sie
sich um. Der Rock war aus weichem Jeansstoff, nicht eng, sondern eher
glockig geschnitten und tatsächlich recht kurz – er endete mehr als eine
Handbreit über dem Knie. Dann kam noch eine schwarze Strumpfhose dazu,
deren rechtes Hosenbein sie in den Bund hineinstopfte. Als sie dabei war,
ihren Stiefel wieder anzuziehen, öffnete sich nochmals die Tür und der
Schaffner stand da mit einem Pack Zeitungen im Arm, die er zum Lesen anbot.
Er betrachtete die verwandelte Zsuzsa genauso verblüfft wie sie ihn.
Sie begriff nun die Öffentlichkeit ihres Umziehens im Abteil. Als er wieder
weg war, meinte sie: „Das war Glück. Ein paar Minuten früher, und er hätte
den falschen Zeitpunkt erwischt… „
Gregor grinste: „Da war ich besser dran.“
„Bei Dir ist das anders, Du bist am Üben.“ Beide lachten. „Wieso beim
Üben?“, fragte er dann.
„Hast Du wirklich noch nie eine einbeinige Frau gesehen?“
Gregor wollte gerade zu einer Beteuerung ansetzen, dann stutzte er. „Doch.
Als ich etwa zehn Jahre alt war, bin ich mit meinen Eltern im Burgenland
auf Urlaub gewesen und dort war ein Mädchen, etwas grösser als ich, dem
fehlte ein Bein ab dem Knie, Es hatte einen Tumor gehabt und eine Glatze
nach den Therapien, aber beim Spielen am Strand des Neusiedlersees war es
immer voll dabei,“ erzählte Gregor. Ich hatte es völlig vergessen,
bekräftigte er dann.
„Das war bei mir auch so“, murmelte sie.
„Was?“ fragte Gregor verwundert. „Das mit dem Vergessen. Als ich klein war,
kam zu uns öfters eine Zigeunerin, eine Roma, wie sie sich selbst nennen,
und verkaufte Wollsachen an meine Mutter. Sie hatte nur ein Bein und ich
war von ihr ganz fasziniert. War sie angekündigt, wartete ich immer schon
bei der Tür, um sie nicht zu versäumen. Ich hatte das ganz verdrängt, bis
es meine Mutter nach dem Unfall wieder erzählte.“
Gregor wurde neugierig. „Hat das dann irgendeine Auswirkung auf Deine neue
Situation gehabt?“, fragte er.
„Ja, aber erst später. Es war zwar das erste Mal, dass ich nach dem Unfall
wieder lachte, nachdem meine Mutter ihre Schilderung beendet hatte, aber
unmittelbar hat die Erinnerung nicht weiter gewirkt, da war die
Verzweiflung ganz einfach zu gross. Ich war sehr froh gewesen, schöne Beine
zu haben, habe sie auch gerne gezeigt, und nun war nur mehr ein Bein übrig.
Dazu kam, dass mein damaliger Freund erklärte, „so“ könne er mich nicht
mehr lieben und mich verliess. Aber auch andere spielten mir übel mit, wie
später ein Professor an der Universität, der, als er mich nach dem Unfall
das erste Mal wieder sah, meinte, das sei typisch für mich, mir würde
nichts schnell genug gehen. Er könne sich nicht vorstellen, wer nun so eine
Germanistin brauchen werde. Dabei wollte ich einen Prüfungstermin bei ihm
nicht versäumen, als ich aus dem Zug sprang.“
„Arschloch“, entfuhr es Gregor.
Dann wurden sie von Thema abgelenkt, denn in seiner Jackentasche läutete
das Mobiltelefon. Er holte es heraus und sah auf das Display. „Ein Anruf
aus der Slowakei, der ist sicher für Dich“, stellte er fest, drückte auf
den Annahmeknopf und reichte es Zsuzsa hinüber. Deren Gesicht hellte sich
auf, „Hallo Mama, wir haben gerade von Dir gesprochen“, verstand Gregor
noch, dann folgte eine Debatte auf Slowakisch. Zsuzsa sah ihn dabei öfters
lächelnd an, woraus zu schliessen war, dass sich das Gespräch um ihn
drehte. Dann beendete sie das Telefonat, reichte ihm das Handy zurück und
berichtete: „Meine Mutter ist von ihrer Schwester gleich angerufen worden,
und war neugierig wie immer. Sie war sehr angetan, als ich ihr erzählte,
dass die offene Art funktioniert hat und Du nicht davongelaufen bist, als
Dir klar wurde, wie es um mich steht. Schöne Grüsse unbekannterweise.“
Gregor bedankte sich und meinte, dass Zsuzsa eine prima Familie habe, die
sehr zu ihr stehe. „Was ist eigentlich mit Deinem Vater? Den erwähnst Du
nie“, bemerkte er dann.
„Der ist tot“, erzählte sie. „Er hat sich von meiner Mutter getrennt, als
ich zehn war und ist nach Ende der kommunistischen Ära nach Australien
ausgewandert. Vor fünf Jahren kam dann die Nachricht, dass er bei einem
Arbeitsunfall ums Leben gekommen sei. Was genau geschah, weiss ich nicht“,
meinte sie betrübt, war aber gedanklich noch beim Gespräch mit ihrer
Mutter. Zsuzsa hielt viel von ihren Ratschlägen, um die es auch im
Telefonat unter anderem gegangen war.
Dann stand sie auf, griff nach ihren Krücken und setzte sich mit einem
Seufzer neben Gregor, die Gehhilfen wieder zur Seite legend. Der nahm sie
spontan in seine Arme, was sie gerne geschehen liess. Während er sie hielt,
streichelte er sanft ihren Rücken und bemerkte die Fotografie über dem
mittleren Sitz gegenüber. Sie zeigte die Basilika von Palladio in Vicenza,
und da wusste er plötzlich, wo diese Zugfahrt enden sollte.
Zsuzsa dreht ihm dann mit fast geschlossenen Augen ihr Gesicht zu. Zart
drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen und blieb förmlich an ihnen
haften. Es wurde ein langer und tiefer Kuss. Als sich nach einiger Zeit
ihre Lippen voneinander lösten, öffnete sie ein wenig die Augen und drückte
dann gleich wieder ihren Mund auf den seinen.
„Wie Samt“, durchfuhr es Gregor und instinktiv tastete er nach ihren Knien.
Er griff zunächst ins Leere, dann spürte er das linke Knie unter seinen
Fingern und begann, ihr Bein von dort aufwärts zu streicheln. Sie beendete
den Kuss, liess sich in die Ecke der Sitzbank gleiten und seine Hand willig
geschehen. Sie dachte an eine Bemerkung ihrer Mutter im Telefonat.
„Hoffentlich mag er Dich nicht nur trotz Deiner Einbeinigkeit“, hatte diese
besorgt festgestellt und als sie sein „Ich liebe Dich, wie Du bist“
zitierte, hinzugefügt: „der Augenblick der Wahrheit kommt erst, wenn ihr
Euch weiter nähert und er Deine amputierte Seite nicht ausgrenzt.“ Nun
steuerten sie auf eine Situation zu, die vielleicht gleich Klarheit
schaffen würde.
Zsuzsa spürte deutlich das Verlangen in ihr, das ihr lange gefehlt hatte,
und sie genoss seine Hand auf ihrem Schenkel. Sie schätzte auch die
Behutsamkeit, mit der er das Bein streichelte.
Für Gregor war hingegen die Behutsamkeit auch Vorsicht, weil er ihr nicht
zu schnell nahe treten wollte, obwohl er sie am liebsten an Ort und Stelle
vernascht hätte. Er koste weiter ihren langen Schenkel, und spürte ihren
Körper zittern, als er ihn weiterhin zärtlich und immer weiter oben mit
seinen Fingern bestrich. Irgendwann stiess er dabei gegen den Stumpf,
erschrak, und zog die Hand wieder zurück, was er sogleich dumm fand. Er
hatte instinktiv reagiert, als würde er ihr dabei Schmerz zufügen, was ja
absurd war. Ausserdem entnahm er ihrem „Mhh“, das sie dabei ausstiess, dass
die Berührung für sie alles andere als unangenehm gewesen war. Also
wanderte seine Hand wieder zum Frosch und begann, ihn vorsichtig zu
streicheln, zuerst auf der Kuppe und dann bis zur Beuge hinauf. „Ein zarter
Schenkel, zugleich ein wirklich kurzer“, dachte er, während sie hörbar zu
atmen begann. Er fasste nun mehr Mut und nahm den Stumpf in seine Hand. Er
registrierte überrascht, wie weich er war. Ein Zittern ging durch den
Frosch und Zsuzsas Atem wurde noch lauter. Für Gregor war es ein neues und
zugleich sehr anregendes Erlebnis. Sanft glitt seine Hand auf die
Innenseite des Frosches, sein Handrücken berührte dabei ihre Scheide. Ihren
Wangen waren gerötet und ihr Frosch begann in seiner Hand zu zucken. Dann
hielt sie plötzlich seine Hand fest: „Später, bitte nicht hier“, flüsterte
sie.
Gregor liess seine Hand auf dem weichen Rest ihres Schenkels liegen und gab
ihr einen langen Kuss. „War das ein Versprechen?“, fragte er dann. Sie sah
ihn lange an, kochte in innigen Gefühlen, lächelte und nickte mehrmals.
Zsuzsa war selig. Als er seine Hand wegziehen wollte, hielt sie diese mit
beiden Händen fest. Sie hatte die Augen geschlossen, kämpfte mit den Tränen
und genoss die warme Hand auf ihrem Frosch.
Dann sassen sie still nebeneinander. Der Zug war schon längst in Italien.
Langsam dämmerte es draussen, es schneite nicht mehr und die Landschaft
zeigte schon ein wenig Grün. Der Zug hielt.
„Wo sind wir?“, fragte Zsuzsa, die Augen öffnend und Gregors Hand
loslassend.
„In Bozen“, antwortete er und dachte wieder an das Ziel der Fahrt, das er
ihr vorschlagen wollte.
„Ich würde mit Dir gerne nach Vicenza fahren, eine wundervolle Stadt“,
meinte er.
„Ich glaube, ich fahr jetzt überall hin, wenn Du es vorschlägst“, flüsterte
sie und kuschelte sich an ihn. „Dauert es bis dahin noch lange?“, fragte
sie dann schläfrig.
„Schon noch eine Weile“, meinte er, sich über die Antwort von Herzen
freuend. Sie sank auf seinen Schoss.
„So ist es schön“, murmelte sie und es dauerte nicht lange, bis sie
einschlief.
Gregor blieb wach und musterte liebevoll seine neue Gefährtin. Er war auf
sie abgefahren, daran bestand kein Zweifel. Sie war sehr attraktiv,
sinnlich, einfühlsam und klug und hatte einen Makel, der ihre Besonderheit
unterstrich und der ihn nun mehr faszinierte, als er jemals gedacht hätte.
Er bewunderte die Art, wie sie selbst mit ihrem Anderssein umzugehen
versuchte und die Anziehungskraft, die dabei spürbar wurde. Er sah sie vor
sich, wie sie auf sein Streicheln vorhin erregt reagiert hatte und dachte
mit Wohlbefinden daran, dass er sie liebend gerne verschlugen hätte. Er
fühlte noch immer den Frosch in seiner Hand und stellte verwundert fest,
dass es ihm nie in den Sinn gekommen wäre, welch positive Gefühle dies in
ihm auslösen würde. „Ich glaube“, sagte er dann leise zu sich selbst, „ich
bin schon verliebt.“
Draussen wurde es immer dunkler und nach dem Halt in Rovereto war es Zeit,
an Verona und ans Umsteigen zu denken. Ihre Fahrkarten reichten bis
dorthin, er würde neue für die kurze Strecke nach Vicenza lösen müssen.
Diesmal werde es wohl keine Hektik geben, denn zwischen Verona und ihrem
Zielort gab es Züge in kurzen Intervallen, auf einen Zug früher oder später
käme es sicher nicht an.
„Hallo Zsuzsa, hallo Liebste, wach auf, wir kommen gleich an.“ Sie
schüttelte den Schlaf ab, sah ihn liebevoll an und freute sich über seine
Anrede.
„Guten Abend, Liebster“, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss. Dann stand
sie auf, nahm ihre Krücken und ging zur Toilette. Es dauerte einige Zeit,
bis sie wiederkam. Sie hatte sich frisch gemacht, neu geschminkt, die
langen und kräftigen dunklen Haare nun offen tragend und einige kleine
Zöpfe hinein geflochten.
„Mich haut es um“, rief Gregor, „Du siehst toll aus.“
Sie strahlte ihn mit ihren schönen Augen an, als sie die Krücken
niederlegte und auf ihrem einen Bein balancierend vor ihm stand. In Zügen
schien sie aber dabei überfordert zu sein, denn als sie auf ein anderes
Gleis wechselten, war es durch den Ruck um ihr Gleichgewicht wieder einmal
geschehen. „Uhh“, rief sie lachend mit den Händen rudernd, und liess sich
auf Gregor fallen. Der fing sie auf, zog sie an sich und sie schmusten, bis
der Zug in den Veroneser Hauptbahnhof, der Porta Nuova, rumpelte.
Der Zug hielt und sie stiegen aus. Gregor trug wieder beide Gepäckstücke.
Sie sah ihn mitfühlend an. „Ich habe einen Rucksack in der Tasche. Wenn wir
nächstens wieder unterwegs sind, werde ich ihn aktivieren, um auch etwas
tragen zu können.“
„Ich komme jetzt gut damit zurecht, allerdings werden wir in Vicenza sicher
in einigen Boutiquen hängen bleiben, da können wir dann wahrscheinlich
einen zusätzlichen Sack gut brauchen“, grinste er.
Als sie den Bahnsteig zum Ausgang entlang gingen, begegneten sie dem
italienischen Schaffner, der sie seit dem Brenner begleitet, aber kein
einziges Mal ihre Fahrkarten kontrolliert hatte. Er lächelte und sagte laut
im Vorbeigehen: „Una vera bellezza:“ Gregor bedankte sich freundlich.
„Was hat er gesagt?“, fragte Zsuzsa. Er sagte, dass Du eine wirkliche
Schönheit bist.“
Sie drehte sich um und rief ihm auch ein „grazie“ zu, was er mit Freude zur
Kenntnis nahm.
Vergnügt gingen sie nach diesem Erlebnis in die Bahnhofshalle, kauften
Karten für den Anschlusszug nach Vicenza und nahmen sich Zeit für einen
Kaffee an der Bar. Zsuzsa schob dabei die rechte Krücke unter ihren Frosch
und stützte sich auf ihr ab. Dadurch bekam sie ihre Hände frei und widmete
sich wie Gregor dem Einstandskaffee in Italien. „Ich liebe diesen starken
und cremigen Café, der nicht nur anders geschrieben wird als im Deutschen,
sondern auch viel besser schmeckt“, befand Gregor. Zsuzsa nickte: „Dabei
seid ihr Wiener in Sachen Kaffee doch Experten.“
„Trotzdem“, bekräftigte Gregor, „obwohl wir immerhin wie die Italiener zu
diesem Getränk Café und nicht Kaffe sagen, hier schmeckt er ganz einfach
besser,“
Er betrachtete Zsuzsa, wie sie sich auf die Krücke lehnte. „Ist das nicht
unbequem?“, fragte er dann. „Menschen gewöhnen sich an vieles“, meinte sie
sarkastisch, „wenn man die richtige Stelle findet, an der die Krücke den
Frosch nicht drückt, ist es sogar recht bequem, weil nicht nur die Hand
frei, sondern auch der andere Fuss entlastet wird.“ Dabei wackelte sie
kokett mit dem Frosch, bis er plötzlich den Kontakt zur Krücke verlor und
diese umfiel. Gregor fing sie auf, reichte sie ihr grinsend und sagte;
„Diese Bewegung solltest Du noch üben, Du siehst dabei aufreizend aus.“
„Gerne“, erwiderte sie lachend, „In den nächsten Tagen wird es dazu viele
Gelegenheiten geben, die Prothese macht gerade Ferien in Innsbruck.“
Nach einem Kuss machten sie sich auf den Weg zum Lokalzug, der sie nach
Vicenza bringen sollte. Er war ziemlich überfüllt und sie brauchten einige
Zeit, bis sie freie Plätze fanden. „Ich bin sehr neugierig auf diese
Stadt“, meinte Zsuzsa, als er losfuhr. „Du wirst platt sein“, war sich
Gregor der Sache sicher. Zsuzsa räkelte sich und gähnte. „Wie machen wir es
mit dem Hotel?“, fragte sie. „Ich kenne ein kleines, sehr schönes und auch
preiswertes Albergo in der Stadt, das ‚Due Mori‘.
Um diese Zeit im März sollten wir keine Probleme haben, ein Zimmer zu
kriegen, versicherte Gregor, ehe er verschmitzt fragte: „Bist Du eventuell
bereit, mit mir ein Zimmer zu teilen?“
„Witzbold“, konterte Zsuzsa, „Glaubst Du etwa, ich will allein und zitternd
vor Angst dort die Nächte verbringen?“
„Auch in einem Doppelbett?“ legte Gregor nach.
„Könntest Du verantworten, dass ich bei getrennten Betten zwischen den
beiden hinunterfalle?“
„Sicher nicht, ausserdem würde es sicher wenig Sinn machen, ein Zimmer mit
zwei kleinen Betten zu nehmen und sich dann die ganze Zeit in einem davon
zusammenzudrängen.“
Zsuzsa kuschelte sich an ihn. „Ich freue mich auf das Doppelbett“,
flüsterte sie, „ausserdem habe ich Dir doch etwas versprochen.“
Er küsste sie. „Ich weiss“, sagte er dann, „Und ich freue mich riesig
darauf.“
Sie drückten sich dann aneinander und sassen eine Weile in ihre Gedanken
versunken da.
„Hast Du Hunger?“, fragte Gregor dann.
„Ein bisschen schon“, nickte sie.
„Dann gehen wir abends auch essen.“
Es war gegen acht Uhr abends, als der Zug in Vicenza ankam. Sie nahmen ein
Taxi zum Hotel. Gregor behielt Recht. Das Hotel war fast leer, kaum Gäste.
„In einigen Wochen, zu Ostern, wird das wohl anders sein“, räsonnierte er,
während der Mann an der Rezeption ihre Daten aufnahm.
Das Zimmer war geräumig und mit schönen alten Möbeln eingerichtet. Das Bett
war auffallend gross, ebenso die Wanne im Bad, wie Gregor zufrieden
feststellte. Sie machten sich kurz frisch und dann wegen der
fortgeschrittenen Zeit gleich auf den Weg zum Restaurant, das in der Nähe
des Hotels in der Altstadt lag. In einer engen Gasse ging Gregor hinter
Zsuzsa und bewunderte ihre Figur. Sie spürte dies offenbar und begann beim
Gehen zwischen den Krücken mit dem Hinterteil zu wackeln. Dann blieb sie
stehen und drehte sich grinsend um. „Gut so?“ kicherte sie vergnügt. Sie
war blendender Laune. Seit Stunden schon fühlte sie sich wie auf einer
Wolke. Sie war ganz froh, gleich zugelangt zu haben, als er ihr begegnet
war und sie anzubaggern begonnen hatte. Sie war höchst zufrieden, sich
nicht geziert zu haben, was der Sache sichtlich sehr gut tat.
Dann standen sie auf dem Hauptplatz der Stadt, umrahmt von einem
wunderschönen und einzigartigen Gebäudeensemble, mit dem Rathaus, besser
bekannt als ‚Basilika‘ des berühmten Baumeisters Palladio, als
beherrschendem Mittelpunkt. Zsuzsa stand mit offenem Mund da, auch Gregor
genoss den Anblick schweigend. „Wunderschön“, entfuhr es ihr mit
Bewunderung.
Das Restaurant war gleich ums Eck, ein Lokal mit vielen alten Gerichten aus
der Region. Gregor bestellte Nudeln mit Pilzen und dann als Hauptspeise
Baccala, Stockfisch auf Vicentiner Art. Zsuzsa beobachtete ihn dabei und
tat es dann ihm gleich. Sie war neugierig, was die Küche hier zu bieten
hatte. Gregor nahm es mit grösstem Wohlgefallen zur Kenntnis und dachte
schaudernd an die Essgewohnheiten früherer Freundinnen.
Er machte eine diesbezügliche Bemerkung und sie entgegnete selbstsicher:
„Beim Essen kann man nur zwei Fehler machen. Der erste ist, nur zu essen,
was man schon kennt. Der zweite ist, falsche Schlüsse beim ersten Mal zu
ziehen.“
Gregor war begeistert, aber sie legte noch nach. „Ohne diese Einstellung
hätte ich beispielsweise nie entdeckt, wie gut etwa Kutteln schmecken
können.“
„Du magst Kutteln?“ fragte er ebenso angetan wie ungläubig. Sie nickte
heftig. „Ja, die ersten haben gestunken wie die Pest, schon das Hinriechen
hat gereicht. Die zweiten waren sorgfältig gekocht, ein Genuss.“
Dann wurde sie angesichts seines Hinweises auf frühere Gefährtinnen
nachdenklich und fragte mit besorgter Stimme: „Ich habe Dich noch gar nicht
mit aller Deutlichkeit gefragt: Hast Du wirklich keine fixe Freundin oder
Partnerin?“
„Oh doch, seit heute. Stell Dir vor, ich habe im Zug eine ganz liebe Frau
kennen gelernt.“
Zsuzsa grinste. „Du hast jetzt Glück gehabt, dass mir ein Bein fehlt“,
meinte sie dann, eben wollte ich Dir mit dem rechten auf Dein Schienbein
treten, das geht aber leider nicht. Im Ernst, wie ist es?“
„So wie ich sage, ich war gerade solo und Du?“
„Ich war es auch, schon seit dem Unfall mit einer raren Gelegenheit
dazwischen.“
„Magst Du die so genannten Gelegenheiten?“
„Nein, überhaupt nicht. Ich habe nur im erwähnten Fall erst zu spät
bemerkt, dass es die andere Seite nicht ernst meint.“ Und nach einem
Seufzer fragte sie zurück, „Wie ist es bei Dir, stehst Du darauf?“
„Nein, bei mir funktionieren sie nicht. Entweder ganz oder gar nicht.“
Sichtlich zufrieden über die gegenseitigen Aussagen verzehrten beide ihre
Vorspeise und sassen dann bald vor ihren Tellern mit Baccala. „Das schmeckt
ja alles irre“, meinte Zsuzsa. „Du hast einen tollen Geschmack.“
Gregor freute sich sehr über dieses Kompliment und schenkte Prosecco aus
der Region in die Gläser. „Auf Dich, Zsuzsa“, sagte er als er das Glas hob.
„Auf uns beide“, korrigierte sie und sie sahen sich lange in die Augen,
während sie die Gläser klingen liessen.
„Was machst Du eigentlich in Deinem Beruf?“, fragte Zsuzsa, als die Teller
leergefegt waren und ihre Mägen sich mit dem Stockfisch abzumühen begannen.
„Ich arbeite in einem Forschungsinstitut, das vor allem Aufträge aus der
Wirtschaft zur Analyse der Kompetenzen des Personals und der Ansprüche von
Kundengruppen ausführt. Mein Schwerpunkt ist die Kompetenzanalyse, die
immer wichtiger wird, weil wirtschaftlicher Erfolg in wachsendem Masse vom
Wissen und von Fertigkeiten der Beschäftigten abhängt, und
Neuerungspotentiale, aber auch neue Standorte vermehrt in diese Richtung
untersucht werden, um Erfolgschancen abzuklären. Deshalb war ich auch in
Banska Bystrica, als dort ein österreichisches Unternehmen ein neues Werk
errichten wollte. Neuerdings gehen die Analysen auch stark in Richtung e –
Kompetenzen, also Fähigkeiten, mit Computern und Internet umzugehen. Darum
ging es beispielsweise auch in einem Projekt mit Soziologen aus Presov.“
„Das scheint ja spannend zu sein. Macht Dir diese Arbeit auch Spass?“
„Ja, sicher. Sie bietet viele Gelegenheiten, kreativ zu sein, allerdings
gibt es oft auch Stress durch Termine für Expertisen und Berichte, die dann
nicht nur fertig, sondern auch gut sein müssen.“
Zsuzsa hatte aufmerksam zugehört und meinte dann: “ Ich habe mir nie
vorstellen können, was man mit einem Soziologiestudium nachher anfangen
kann. Jetzt wird mir die Sache klarer. Hast Du zu diesen Themen auch Deine
Diplomarbeit geschrieben?“
„In einem gewissen Sinne schon“, fuhr Gregor mit leichtem Zögern fort und
erzählte dann von seiner Arbeit über die Theorien Goffmans.
Zsuzsa war davon sichtlich beeindruckt. „Das hat ja auch mit mir zu tun.
Kann es sein, dass Du deshalb oft so umwerfend cool auf mich reagierst?“
„Irgendwie schon“, meinte er. „Das Anderssein ist mir in Theorie und Praxis
vertraut.“ Daraufhin machte er nochmals Andeutungen zu seinen früheren
Bekanntschaften und grinste dann ziemlich verlegen.
Zsuzsa war aber in ihren Gedanken noch immer beim Thema seiner
Diplomarbeit. „Fällt Dir spontan von den Theorien Goffmans etwas ein, was
zu mir passt?“
Gregor brauchte kaum nachzudenken. „Ja, das Kuvrieren. Wenn jemand sein
Anderssein so präsentiert, dass es zwar eindeutig identifizierbar aber für
andere auch leicht zu verarbeiten ist, dann bezeichnet Goffman dies als
Kuvrieren. Genau das beherrschst Du glänzend. Höhepunkt war bisher
zweifellos das Umziehen im Transalpin mit den zum Vorschein kommenden
Strapsen. Es war unmöglich, dass Dein Frosch unter diesen Umständen
jemanden wie mich hätte abschrecken können.“
Zsuzsa wurde rot bis hinter den Ohren. „Oh“, stammelte sie, „Das mache ich,
weil ich sonst wegen der Prothese alle Strumpfhosen ruinieren würde.“
„Glaube ich Dir, aber bei mir kommt dies ganz anders an. Wichtig ist ja
nicht, dass Du dabei bewusst oder gar berechnend vorgingest, denn wenn dem
so wäre, würdest Du oft zu dick auftragen und damit eher das Gegenteil
bewirken. Letztlich geht es darum, sich selbst etwas Gutes zu tun, das von
den anderen positiv aufgenommen wird.“
Zsuzsa war sehr angetan. „Deine Diplomarbeit würde ich gerne lesen“,
schloss sie das Thema, als die Bedienung vor ihnen stand, un
Wünschen für die Nachspeise fragte.
Das Essen endete schliesslich mit Profiterol, süss gefüllten
Brandteigkugeln, eine bekannte Nachspeise aus Italiens Nordwesten. Zwei
Gläschen vom Averna, dem namhaften Digestivo aus Sizilien, rundeten einen
Restaurantbesuch ab, zu dessen erfreulichen Aspekten auch die keineswegs
allzu hohe Rechnung zählte.
Dann verliessen sie das Lokal und gingen durch schmale Gassen in Richtung
Hotel. Am Rande des Hauptplatzes hielten sie wieder an und bestaunten
nochmals ausgiebig das mit Scheinwerfern angestrahlte Meisterwerk von
Palladio. „Wann wurde diese Basilika, die gar keine Kirche ist, erbaut?“,
fragte Zsuzsa, die sich daran kaum satt sehen konnte.
„Im siebzehnten Jahrhundert“ erwiderte Gregor. Vicenza ist die Stadt
Palladios, das kann man sicher sagen. Er hat etliche Häuser hier errichtet,
die heute noch existieren. Ganz besonders faszinieren mich die Villen
ausserhalb der Stadt, vor allem die Villa Rotonda, eine runde Villa mit
vier im Quadrat angebrachten Renaissanceportalen in alle
Haupthimmelsrichtungen. Sie wäre ein lohnendes Ziel für einen längeren
Spaziergang in den nächsten Tagen.“
Dann spazierten sie weiter zum Hotel. Dort im Zimmer angekommen, liess sich
Zsuzsa auf das Bett fallen. Sie spürte die Strapazen der langen Reise und
des lange Gehens an Krücken. Gregor half ihr, den Stiefel auszuziehen.
„Halbe Arbeit“, feixte er dabei.
Sie hob kurz den Frosch und meinte dann, die Entrüstete spielend: „Schon
wieder Glück gehabt.“
„Warum? Wolltest Du wieder mit rechts auf mein Schienbein treten?“
Sie nickte und grinste ihn keck an. „Du solltest dies nächstens mit links
versuchen, anders wird das nichts“, provozierte er. Zsuzsa hob ihr Bein und
trat damit zaghaft nach ihm. Er fing es mit einer Hand auf und hielt es am
Knöchel fest. Sie versuchte, das Bein zurückzuziehen, doch sein Griff
hielt. Sie wehrte sich heftiger und dabei kam unter dem Rock der Frosch zum
Vorschein, der sich mit mehrfachem Zucken an der Aktion beteiligte.
Schliesslich gab Gregor, als sie wieder mit kräftigem Ruck das Bein
zurückzuzerren versuchte, nach, löste den Griff und liess sich neben sie
auf das Bett fallen. Lachend umschlangen sich beide und begannen, sich
leidenschaftlich zu küssen. Ihm fiel dabei auf, dass irgend etwas ungewohnt
war, nur konnte er das Gefühl noch nicht zuordnen.
„Nehmen wir gemeinsam ein Bad?“, fragte er dann.
„Gute Idee“, rief sie, sprang auf und hüpfte ins Bad. Gregor folgte ihr.
Sie drehte gleich das Warmwasser auf und beugte sich nach vorne, um dessen
Temperatur zu prüfen. Er strich ihr frech mit der Hand unter dem Rock über
das Hinterteil. Sie quiekte leise, richtete sich auf, drehte sich auf ihren
Bein um die eigene Achse und schlang ihre Arme um seinen Hals. Nach einem
langen Kuss hob er sie hoch, trug sie zum Bett zurück und legte sie sachte
darauf. Dann begann er, sie betont langsam auszuziehen. Vorsichtig löste er
einen Knopf nach dem anderen an ihrer Bluse. Sie lag mit geschlossenen
Augen auf dem Rücken und hielt den Atem an, als er die Bluse öffnete und
auseinander breitete. Darunter trug sie einen dünnen schwarzen
Büstenhalter, Er streichelte die zarten Brüste, was ihr wohlige Laute
entlockte. Dann half er ihr, sich aufzurichten, damit er die beiden
Kleidungsstücke ganz entfernen konnte. Er kniete dann vor dem Bett nieder
und bewunderte ihren schönen Busen. Er war weder zu klein noch zu üppig und
zog den Betrachtenden in seinen Bann.
Sie nahm seine Begeisterung wahr, strahlte auf und begann, nun ihn
auszuziehen. Sie zog den Pullover, den er noch anhatte, über seinen Kopf,
und musste lächeln, als er mit zu Berge stehenden Haaren vor ihr kniete.
Dann kam sein Hemd dran und sie zelebrierte das Öffnen der Knöpfe genauso
lustvoll wie er vorhin bei ihrer Bluse, ehe sie es von seinem Körper zog.
Eine Weile betrachteten sie zufrieden gegenseitig ihr ‚Werk‘ und schmiegten
dann ihre Oberkörper während eines langen Kusses aneinander. Sie machte
sich schliesslich daran, ihm die Hosen hinunterzuziehen. Er stand dabei auf
und sie sass dann verdutzt vor seinem erigierten Penis, nachdem sie auch
seinen Slip hinuntergezogen hatte. Er zog sie vom Bett hoch, öffnete ihren
Rock, der lautlos zu Boden glitt und schob ihre Strumpfhose zuerst vom
Frosch und dann vom langen Schenkel. Ihr Slip fiel hinunter, nachdem er ihn
über den kurzen Schenkel und ihren Hügel gezogen hatte.
Sie umarmten sich. Er nahm sie an den Hüften und drückte ihre Körpermitte
an sich. Sie verzog dabei das Gesicht. „Oje, Dein Bluterguss, ich sollte
mehr aufpassen“ meinte er entschuldigend. Sie nickte nur, freute sich über
seine Aufmerksamkeit und gab ihm einen stürmischen Kuss, während sie ihren
Frosch an seinen Penis drückte.
Dann fiel ihnen plötzlich das Badewasser ein. Gregor lief ins Bad. Die
Wanne war schon ziemlich voll mit Wasser. Er drehte es ab und als er
aufblickte, stand die nackte Zsuzsa in der Tür, hielt sich am Rahmen fest
und sah ihm vergnügt zu. Als er ihr in die Wanne half, sagte er
anerkennend: „Du hast eine umwerfend gute Figur.“ Dann stieg auch er in die
Wanne. Es war eng darin, aber es gab doch genügend Platz für beide.
Zsuzsa sass mit geschlossenen Augen im Wasser. Ihr Hunger nach Akzeptanz
war an diesem Tag auf wundervolle Weise gestillt worden und die Wärme, die
sie in sich spürte, kam nicht nur vom Wasser. Sie sah Gregor liebevoll an.
Er hatte die Beine, so gut es ging, gespreizt, damit zwischen ihnen ihr
kurzer und ihr langer Schenkel Platz hatten. Nun begann sie mit den Zehen,
seinen Penis zu streicheln, was diesen zu sichtlich wachsender Erregung
veranlasste. Er tat es dann ihr gleich, strich zuerst mit dem linken Fuss
über ihren Frosch und begann dann, mit den Zehen ihren Hügel zu liebkosen.
Zsuzsa bekam einen lustvollen Gesichtsausdruck und spreizte ihren Frosch
zur Seite, um den Genuss des Streichelns zu erhöhen. Er strich sich des
Öfteren mit der Zunge über die Lippen, während sie das Spiel in der Wanne
mit geröteten Wangen und hörbarem Atem begleitete.
Das auskühlende Wasser veranlasste sie schliesslich, das Bad zu beenden.
Gregor stieg zuerst hinaus und trocknete sich ab. Dann half er Zsuzsa hoch
und begann, sie abzutrocknen, während sie noch in der Wanne stand, aus der
langsam das Wasser entwich. Sie balancierte vor ihm, legte dann die Arme
auf seine Schultern und beobachtete sein Tun. Als er vorsichtig ihren
Frosch abrieb, sagte er: „Wenn ich ihn berühre, habe ich Angst, ihm
Schmerzen zuzufügen, obwohl mein Verstand mir sagt, dass dies kaum sein
kann.“
Sie lächelte. „Und ich habe dabei das Gefühl, dass Du besonders zärtlich zu
ihm bist. Ich nehme die Situation offenbar ganz anders wahr.“
Gregor blickte amüsiert auf: „Wie man sieht, haben Widersprüche auch ihre
guten Seiten.“ Dann rieb er sachte ihre rechte Hüfte trocken, besah die
Verletzung und meinte mit besorgtem Gesicht: „Sieht nicht gut aus, ganz
blau und schwarz.“
„Ich muss noch die Salbe drauf tun.“
„Wo hast Du sie?“
„Gleich hinter Dir, auf dem Waschtisch.“ Gregor trug dann vorsichtig die
Creme auf dem Bluterguss auf, wobei sie mehrmals das Gesicht verzog.
Er neckte sie: „Im fortgeschrittenen Alter sollte man solche Eskapaden wie
Ski fahren sein lassen, würde mein Vater sagen.“
Sie grinste leicht gequält, ehe sie sich belustigt rechtfertigte: „Dabei
fahre ich ohnehin schon mit Krücken.“ Beide lachten.
Dann setzte sie sich auf den Rand der Wanne, damit er auch mit dem Badetuch
ihr Bein abreiben konnte. Als er damit fertig war, hob er den
abgetrockneten Fuss hoch, und begann, zuerst an ihren Zehen zu knabbern,
dann mit der Zunge über ihre Fusssohle zu lecken. „Jiihh“, rief sie laut,
lehnte sich zurück und begann, mit ihrem Frosch herumzufuchteln, ehe sie in
die Wanne zu fallen drohte. Er half ihr lachend hoch, worauf sie sich an
ihn klammerte und sich zum Bett tragen liess.
Er legte sie auf den Rücken und schmiegte sich an sie. Nach innigem
Schmusen und langem gegenseitigem Streicheln begann er, sie vom Hals
abwärts mit der Zunge zu lecken. Er verweilte lange bei den Brüsten, beim
Nabel und bei den Leisten. Den Schenkeln widmete er besondere
Aufmerksamkeit, während Zsuzsa immer mehr in Fahrt kam. Dann langte er
weiterhin leckend bei ihrem Hügel an, drang in ihn mit der Zunge ein und
ertastete mit ihr die Klitoris. Er war fasziniert von der Heftigkeit ihrer
wachsenden Erregung, die sie mit lauten Tönen zum Ausdruck brachte, und die
sein eigenes Verlangen massiv beschleunigte. „Komm“, keuchte sie dann und
zog ihn auf sich hoch. Sie nahm seinen Penis bebend in ihre Hände und
führte in sanft in ihre willige Scheide. Beiden entfuhren wohlige Laute.
Dann hoben sie ab. Sie flog seinen innigen Stössen entgegen, erlebte mit
ihm die fortschreitenden Stadien der Wonne, ehe sie beide lautstark und von
den Entladungen geschüttelt den ersten gemeinsamen Höhepunkt fanden.
Dann lagen sie lange still aufeinander. Er spürte wohlig ihre Vagina,
während sie den Penis genoss. Er blieb auf ihr, bis sich dieser ganz
zurückgezogen hatte, rollte sich dann auf ihrer linken Seite ab und
schmiegte sich an sie. Sie drehte sich ihm zu und legte seufzend ihre Hand
auf seinen Schwanz. Dann schob er seine Hand zwischen ihre Schenkel, wobei
sie auf dem langen zu liegen kam. Sie lächelte, wehrte sich nicht mehr
gegen die Müdigkeit, die sich über sie breitete und schlief ein. Er tastete
mit der freien Hand nach dem Lichtschalter, zog die Bettdecke über beide
und fand auch den Weg in die nächtlichen Träume.
2. Tag
Gregor wachte auf, als ein Sonnenstrahl durch eine Ritze in den
geschlossenen Fensterläden drang und sich auf seinem Gesicht niederliess.
Er blickte auf Zsuzsa neben ihm, die noch tief schlief. Sie hatte einen
zufriedenen Gesichtsausdruck und lag auf derselben Seite wie beim
Einschlafen am Abend zuvor, nur stärker auf den Bauch gedreht und sich mit
dem Frosch auf der Matratze abstützend.
Er stand kurz auf, ging auf die kleine Seite, wusch sich ein wenig und
kroch dann wieder zu ihr ins Bett. Als er sie dann ins Ohrläppchen biss und
streichelte, drehte sie sich in die Seitenlage zurück, im Schlaf Worte
murmelnd, die er nicht verstand. „Ich glaube, jetzt werde ich nicht darum
herumkommen, mich ein wenig mit der slowakischen Sprache zu beschäftigen“
sagte er zu sich, rückte näher an sie heran und schob, wie am Abend vorher
seine Hand zwischen ihren kurzen und ihren langen Schenkel. Sie murmelte
wieder vor sich hin und presste ihren Frosch auf seine Hand. Er lächelte
darüber, kuschelte sich ganz an sie und schlief wieder ein.
Zsuzsa wachte etwas später auf, bemerkte zufrieden seine Hand zwischen
ihren Schenkeln, erinnerte sich, dass sie abends so eingeschlafen war und
fragte sich, ob die Hand wohl die ganze Zeit dort gelegen hatte. Sie dachte
vergnügt an die Ereignisse des vorigen Tages und liess mit Wonne die Bilder
vom Vorabend in sich auftauchen. Seine Zunge hatte sie nahezu um den
Verstand gebracht und mit seinem Stempel in ihrer Blume war sie zu einem
Höhepunkt gelangt, wie sie ihn mit ihren früheren Partnern nie erlebt
hatte. Sie fühlte sich voller Zuneigung zu ihrem neuen Freund. „Dabei habe
ich ihn gestern um diese Zeit noch gar nicht gekannt“, sagte sie leise zu
sich.
Dann fiel ihr ein, wie viel Lust sie selbst verspürte, wenn sie daran
dachte, ihn mit ihrer Zunge zu liebkosen. Sie beschloss, es ihm gleich zu
tun, hüpfte vorher aber ins Bad, um ihre Blase zu besänftigen und Spuren
des Vorabends zu beseitigen. Als sie zurückkam, kroch sie auf der anderen
Seite ins Bett und verschwand unter der grossen gemeinsamen Decke. Gregor
lag auf dem Rücken und wurde im Schlaf unruhig, als sie mit ihrer Zunge
über seine Leisten strich. Dann wandte sie sich seinem Penis zu, der
zwischen seinen leicht gespreizten Beinen lag. Sie küsste ihn zuerst,
bestrich ihn mit der Zunge auf allen Seiten und nahm ihn dann in den Mund.
Gregor wurde immer unruhiger und wachte schliesslich auf, vermeintlich aus
einem Traum gerissen, in den seine neue Flamme an seinem Schwanz lutschte.
Er nahm zuerst Zsuzsas Unterschenkel mit Fuss wahr, neben ihm wie eine
Kerze in die Höhe ragend, während alles andere von ihr unter der Decke
verborgen war. Sie koste gerade zärtlich seinen Penis. Er begriff, dass
dies kein Traum war und fühlte Erregung in sich hochsteigen, die durch den
Anblick der zarten Häärchen an ihrem Schienbein weiter Nahrung fand. Er
streichelte ihre Wade, wodurch sie erkannte, dass er aufgewacht war. Sie
schlug die Decke zurück, setzte sich aufrecht vor ihm hin, strahlte ihn an
und rief vergnügt: „Guten Morgen“.
Er war überwältigt von ihrer Aktion. „Guten Morgen“, flüsterte er, „Mach
bitte weiter.“ Das liess sie sich gerne sagen. Zufrieden grinsend wandte
sie sich wieder seiner Körpermitte zu. Sie kniete nun auf ihrem Bein neben
ihm, der Frosch hing baumelnd daneben, und koste weiter sein bestes Stück.
Gregor schob aufgewühlt seinen Oberkörper langsam nach links, bis er vor
dem Knie sowie zwischen dem langen und dem kurzen Schenkel über ihm zu
liegen kam. Bei seinen früheren Freundinnen wäre dies nicht so einfach
gegangen, da wäre immer ein Bein im Weg gewesen, dachte er, ehe er ihr
Becken herunterzog und mit seiner Nase ihren Hügel kitzelte. „Mhh“, entfuhr
es ihr und kurzfristig vergass sie seufzend das Lutschen, als seine Zunge
über ihre Klitoris strich. Dann wandte sie sich wieder dem Blasen zu, auf
die wachsende eigene Erregung mit vorsichtigem und zärtlichem Einsatz ihrer
Zähne unter seiner Eichel reagierend.
Gregor geriet aus dem Häuschen und begann, auch seine Beisserchen
einzusetzen. Er biss sie zuerst ganz sachte mehrmals auf die Innenseite
ihres Beines und begann dann, zärtlich in ihren weichen Frosch zu beissen.
Lustvoll knabberte er an ihrem kurzen Schenkel, während ihr Schlecken ihn
schweben liess. Zsuzsa verlor durch sein Kosen des Stumpfes völlig die
Fassung, hörte plötzlich auf, seinen Penis zu lutschen, drehte sich auf
ihrem Knie seinem Gesicht zu und stammelte keuchend: „Bitte“. „Komm“, sagte
er, klar machend, dass sie ihn besteigen sollte. Er half ihr, auf ihn zu
klettern und stützte den Frosch ab, während sie in unnachahmlicher
Zärtlichkeit mit ihren Händen seinem Glied in ihre Scheide half.
Zsuzsa schwankte keuchend mit seinen Stössen, liess sich rhythmisch in sie
fallen, während er darum zu kämpfen begann, seinen Orgasmus hinauszuzögern.
Dann bäumte sie sich mit einem Schrei auf und sank geschüttelt von ihrem
Höhepunkt auf ihn nieder, während er sich in sie ergoss.
Schwer atmend lagen sie eine Weile aufeinander, dann rollte er auf die
linke Seite, sie behutsam auf die Matratze legend, dabei sie umklammernd
und weiter in ihr bleibend. Sie registrierte mit Wohlgefallen, dass ihre
lädierte Hüfte nicht dagegen rebellierte. „Dageblieben“, flüsterte sie, als
der Penis auf seinem Rückzug aus ihrer Scheide zu gleiten drohte, und
presste ihre Vagina zusammen. Gregor freute sich darüber und stellte
zufrieden fest, dass sein Schwanz in ihr blieb.
„Er hört auf Dich“, lächelte er.
„Er ist wunderbar“, hauchte sie, „zärtlich und fest zugleich.“
Gregor war selig, als er antwortete: „Wie Deine Muschel, sie ist so offen,
weich und unendlich tief.“
Zsuzsa gluckste vor Freude und drückte sich fest an ihn. „Es war
wunderschön, noch schöner als gestern abends“ sagte sie leise, „und ich
bin glücklich, dass der Frosch ganz dabei ist.“ Sie seufzte. „Ich habe
sogar das Gefühl, dass es mich besonders verrückt macht, wenn Du ihn lieb
hast.“
„Diesen Eindruck hatte ich vorhin auch“, nickte Gregor. „Der Kleine ist
einmalig, das spüre auch ich.“ Und dann fragt er nach einer Pause besorgt:
„Das Beissen hat doch nicht geschmerzt, oder?“
Sie lächelte. „Es war grossartig, Du musst es unbedingt wieder tun. Ich
liebe die Zärtlichkeit Deiner Zähne.“
„Ich liebe Deine auch“, pflichtete er bei. Und dann grinsend: „Das nächste
Mal werde ich Dich sicher nicht wie vorhin beim Blasen stören, ich freue
mich schon jetzt auf meine Eruption.“ Sie strahlte wieder einmal und suchte
seinen Mund für einen langen Kuss.
Nach einiger Zeit fragte sie nachdenklich: „Geht Dir wirklich nichts ab,
wenn Du mit mir im Bett bist?“ Gregor blickte sie verwundert an.
„Meinst Du das fehlende Bein?“, fragte er und sie nickte.
„Nein, Zsuzsa. Du merkst doch, wie ich das Anderssein schon geniesse. Wie
sagtest Du gestern? Ein Bein ist ja noch da. Ein Bein, das ich wunderschön
finde. Dazu Dein lieber Frosch.“ Und nach kurzem Zögern: „Ausserdem ist mir
schon aufgefallen, dass mir in etlichen Situationen nichts im Wege ist.“
Sie sah ihn ungläubig an, drückte sich eng an ihn und echote: „Nichts im
Wege?“
„Ja, jetzt zum Beispiel. Ich finde es wundervoll, mit Dir verschlungen auf
der Seite zu liegen. Das geht aber nur mit dem kurzen Schenkel, nicht mit
einem ganzen Bein.“ Zsuzsa blickte nach unten. Ihr Stumpf lag hochgezogen
zwischen ihren Bäuchen, während sie mit ihrem Bein sein Becken umklammerte.
„Ja wirklich“, murmelte sie erstaunt. Sie blickte ihn ernst und liebevoll
an. „Es tut unheimlich gut, wie Du auf meine Situation reagierst“,
flüsterte sie und bekam feuchte Augen. „Ich kämpfe immer noch mit den
Gefühlen, nicht mehr komplett und daran selbst schuld zu sein, das sitzt
ganz tief.“
„Was meinst Du damit?“
„Nun ja so blöd muss man erst einmal sein, aus dem Zug zu springen, ohne
sich zu vergewissern, dass er schon steht.“ Zsuzsa drehte sich auf den
Rücken und starrte auf die Zimmerdecke. „Es war eine schlimme Zeit“,
flüsterte sie, nicht nur wegen der körperlichen Schmerzen und
Veränderungen, sondern vor allem wegen der psychischen Qualen. Immer wieder
die Frage, warum ich es getan habe und ich wünschte mir sehnlich, ich
könnte die Szene am Bahnhof wie in einem Film wiederholen, diesmal mit
Happy End. Ich hatte plötzlich nur ein Bein, und das, weil ich einen
Augenblick unachtsam war, nicht die möglichen Folgen gesehen hatte, und
dies irreversibel für immer. Ich hasste mich deswegen, war unsäglich wütend
auf mich selbst und haderte besonders mit der Tatsache, dass das Geschehene
unverrückbar war. Ich hatte das Gefühl, mein Leben zerstört zu haben, und
das aus einem läppischen Grund. Ich fühlte mich auch gegenüber den Menschen
um mich schuldig. Ich habe bis heute das hemmungslose Schluchzen meiner
Mutter im Ohr, als sie im Spital das erste Mal neben meinem Bett sass. Aber
ich hatte und habe keine Chance. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen.“
„Im wahrsten Sinne des Wortes“, nickte Gregor betrübt… „Seit gestern
weiss ich, wie grausam die Realität gegenüber Individuen sein kann. Jedes
Mal, wenn ich an die Erzählung vom Rad auf deinem Knie denke, läuft es mir
kalt über den Buckel hinunter. So einen Schlag steckt niemand weg, das muss
lange in einem nagen und man braucht viel Zeit, damit halbwegs
zurechtzukommen.“ Und nach einer kurzen Pause: „Das mit den Schuldgefühlen
beziehe aber bitte nicht auf mich. Ich habe eine wunderbare und
faszinierende Frau kennen gelernt, die ein Bein hat. Die zweibeinige Zsuzsa
kenne ich nicht, habe ich nie kennen gelernt und werde ich auch nie direkt
kennen lernen. Für mich ist das eine andere. Meine Zsuzsa ist ungemein
anziehend und liebenswert, in ihrer Art völlig komplett und ich möchte sie
gegen niemanden tauschen.“
Sie richtete sich vor ihm auf. Tränen liefen über ihre Wangen. „Oh Gregor,
flüsterte sie, „Du bist ein Schatz.“ Mit einem langen und innigen Kuss
beendeten sie diese Debatte, die sie noch öfter beschäftigen sollte.
Dann entschlossen sie sich aufzustehen, immerhin war es schon gegen zehn
Uhr. Sie stieg als erste aus dem Bett und hüpfte ins Bad. Er beobachtete
sie dabei. Ihren Frosch hatte sie dabei wie jedes Mal nach vorne
angewinkelt. Nach einigen Minuten folgte er ihr. Sie war schon beim Putzen
der Zähne, stand vor dem Spiegel und hatte ihren kurzen Schenkel auf den
Waschtisch gelegt.
„Sieht bequem aus“, meinte er.
Sie nickte. „Ist es auch, im Abstützen ist der Kleine, wie Du ihn jetzt
nennst, sowieso ein Meister“, bestätigte sie lachend.
„Zu Hause brauchst Du offenbar nicht einmal Krücken“, stellte er bewundernd
fest.“
Sie nickte wieder. „Seit das Gefühl für den Stumpf da ist, geht es auf dem
einen Fuss wirklich flott, ein Grund mehr, zu Hause keine Prothese zu
tragen.“
„Geht Dir die Prothese jetzt ab?“
„Bisher überhaupt nicht“, schüttelte sie den Kopf, und fuhr dann
beziehungsvoll grinsend fort: „Aber warten wir ab, zu Hause trage ich sie
im Bett ja auch nicht.“
Sie beobachtete ihn beim Rasieren. Dabei fiel ihr ein, dass sie ihr Bein
und auch den Frosch schon lange nicht mehr enthaart hatte, eine Aktion, die
sie zwar hasste, aber angesichts gängiger Schönheitsvorstellungen für
unumgänglich hielt. Sie beschloss für sich, ihn später zu bitten, ihr das
Rasierzeug zu leihen.
Nach der Morgentoilette machten sie sich ausgehfertig. Zsuzsa entschied
sich für einen Pulli in grauer Farbe, dazu wieder den Jeansrock und eine
Strumpfhose, die farblich zum Pulli passte. Diesmal verstaute sie das leere
Hosenbein innen, indem sie auf der rechten Seite in die Strumpfhose griff,
das leere Bein hochzog, bis es über dem Frosch spannte und der Fussteil
oben heraushing. „So ist es gut“, sagte sie zufrieden, „ich bringe es nicht
übers Herz, sie abzuschneiden und zu vernähen“. Gregor zog zu seiner
schwarzen Hose und dunkelgrauem Hemd ein blaues Sakko an. Zsuzsa trug
wieder ihren Stiefel, während er bequeme Sportschuhe wählte.
Dann verliessen sie das Quartier, um in der Nähe des Hotels eine Bar
aufzusuchen, um mit Cappuccino und Cornetto ‚italienisch‘ zu frühstücken.
Als sie an der Rezeption vorbeikamen, guckte der Portier etwas komisch und
Zsuzsa fiel ein, dass er zuvor wenn schon nicht Augenzeuge, dann zumindest
Ohrenzeuge gewesen sein musste. Der Gedanke daran belustigte sie. Sie
fühlte sich blendend und nach langer Zeit wieder ganz als Frau.
Eine Bar für das Frühstück war rasch gefunden und während sie den Kaffee
schlürften, machten sie Pläne für den Tag. Es war Samstag, die lang
ersehnte Sonne schien und draussen drängten sich schon viele Leute in den
Einkaufsstrassen.
„Ich glaube, wir sollten den Samstag auch fürs Shopping nutzen, am Sonntag
und auch am Montag sind die meisten Geschäfte in Italien zu“, schlug Gregor
vor.
„Gute Idee“, bekräftigte Zsuzsa, „ich mag Einkaufsbummel sehr gerne.“ Sie
hatte die Krücken an den Tresen gelehnt und fand es auf die Dauer unbequem,
ihr linkes Bein die ganze Last tragen zu lassen. Sie nahm die rechte Krücke
und schob sie unter den angewinkelten Frosch. Dabei erinnerte sie sich an
die Situation in der Bar im Bahnhof von Verona, wackelte einige Male mit
dem kurzen Schenkel und hielt dann inne: „Lieber nicht, wir sind hier
ohnehin schon der Mittelpunkt.“
„Du hast recht“, bestätigte Gregor, als er sich umsah und die vielen
neugierigen Blicke bemerkte. „Allzu viele Einbeinige scheint es auch hier
nicht zu geben“, resümierte Zsuzsa.
„Vor allem wenige schöne junge Frauen an Krücken“, ergänzte er. „So kann
man es auch sehen“, strahlte sie ihn an.
Dann hörte er ein Gespräch zwischen mehreren älteren Männern. Sie
unterhielten sich über Zsuzsa, durchaus in anerkennender Art. Dann erzählte
einer von einer jungen Comtessa, der es auch so ginge. Mehr bekam Gregor
nicht mit. „Es scheint, als seiest Du hier sicher nicht die einzige
Einbeinige“, meinte Gregor beim Verlassen der Bar und erzählte ihr, was er
gehört hatte. „Vielleicht treffen wir sie beim Einkaufen“, scherzte sie.
Dann schlenderten sie durch die Gassen der Altstadt, seit dem Vortag für
Gregor in einer neuen Art, mit seiner Angebeteten unterwegs zu sein.
Interessiert beobachtete er Zsuzsa beim Gehen mit den Krücken. Sie schwang
locker und rasch zwischen den Gehhilfen, es sah leicht und unkompliziert
aus.
„Ist das Gehen mit Krücken wirklich so einfach, wie es aussieht?“, fragte
er dann.
„Du kannst es ja einmal probieren“, lächelte sie. „Ich selbst habe am
Anfang ausgesehen wie ein Sack zwischen Stöcken, und bin richtiggehend von
einem Schritt in den nächsten geplumpst. Es war enorm anstrengend und die
Hände schmerzten. Eine Krankenschwester hat mir dann gezeigt, wie es geht,
und ab diesem Zeitpunkt ging es aufwärts. Heute fällt mir das Gehen mit
Krücken leicht, es ist jetzt für mich wirklich so unkompliziert, wie es
aussieht.“
„Du bist dabei auch mindestens so schnell wie ich“, sagte Gregor und dachte
gerade, dass man von Behinderung nicht sprechen könne, als er über einen
Randstein stolperte und hinfiel. Er konnte den Sturz mit seinen Händen
abfedern, somit lädierte Knie und Schäden an der Kleidung verhindernd,
dafür schmerzte dann das rechte Handgelenk. Er musterte grimmig den
Randstein.
Zsuzsa stand erschrocken neben ihm und fragte besorgt: „Alles in Ordnung
oder hast Du Dich verletzt?“
„Ein bisschen schon“ meinte er, „das rechte Handgelenk tut weh.“
„Stark?“
„Nein, es geht“, schwächte er ab.
Nachdem sie den Schreck überwunden hatte, meinte sie mit gespielter Strenge
und ironischem Blick: „Man kann auf Dich nicht genug aufpassen. Du solltest
Dich von einer wichtigen Regel für Einbeinige inspirieren lassen: Schau
genau, wo Du hin steigst.“
Gregor war zunächst baff, dann konterte er: „Das kann doch nicht wahr sein.
Da bin ich mit einer ganz armen amputierten Frau unterwegs und achte
inständig darauf, dass ihrem einzigen Beinchen nichts geschieht. Dann
prackt es nicht sie, sondern mich hin, und am Schluss kriege ich noch
Unterricht im Gehen.“
Der Schalk sass in ihren Augen. „So ist das Leben“, legte sie noch eins
drauf, ehe beide zu lachen begannen…
Sie wanderten weiter durch die Gässchen der Altstadt und Gregor bemerkte
erst jetzt, wie konzentriert sie angesichts des schlechten Zustandes vieler
Gehsteige unterwegs war. Gerne wäre er jetzt mit seiner Flamme Hand in Hand
gegangen, aber das ging leider nicht, weil sie ihre Hände für die Krücken
brauchte. Sie machten vor vielen Auslagen halt und besuchten mehrere
Boutiquen. Gregor fiel auf, dass seine Freundin stets sehr zuvorkommend
behandelt wurde, ihr Interesse an kurzen Röcken schien die Verkäuferinnen
nicht zu wundern. Zsuzsa war auf der Suche nach einem neuen Rock, um Gregor
damit zu erfreuen. Sie hatte nur den Jeansrock mit, und der schien ihr für
die ganze gemeinsame Reise nicht ausreichend. In einem kleinen Geschäft
fand sie einen einfachen schwarzen Rock, der nicht allzu kurz war und
sowohl zu ihrem Bein als auch zu ihrer Geldbörse gut passte. Dann entdeckte
sie in derselben Boutique ein ungewöhnliches Kleid. Es war aus einem
schwarzen Seidenstoff mit einem Unterteil aus zwei unterschiedlichen Lagen
des gleichen Materials: die äussere war durchsichtig, die innere nur ein
wenig durchscheinend. Das Kleid war asymmetrisch geschnitten, rechts kürzer
als links und hatte ein weit geschnittenes Dekolleté. Zsuzsa war gleich von
diesem Kleidungsstück begeistert, verzog aber dann das Gesicht, als sie den
Preiszettel sah und schickte sich an, das Kleid wieder auf die Stange zu
hängen.
Gregor fiel ihr in die Hand: „Ich glaube, Du solltest es probieren“, meinte
er.
Zsuzsa verschwand in der Umkleidekabine und hüpfte dann in dem Kleid wieder
heraus. Die Grösse passte und sie sah darin umwerfend aus. Der Schnitt
harmonierte bestens mit ihrer körperlichen Asymmetrie, war ziemlich kurz,
gab aufreizende Einblicke auf ihr linkes Bein frei und liess auf der
anderen Seite nur einige kokette Anspielungen auf den verhüllten Frosch zu.
Der Ausschnitt war atemberaubend, aber keineswegs ordinär. Die Ärmel waren
aufregend geschnitten und endeten in Handschuhen aus dem durchsichtigen
Stoff ohne Finger.
„Che bella“, meinte die Verkäuferin und Gregor war nicht klar, ob sie damit
das Kleid oder das darin bestens zur Geltung kommende Bein Zsuzsas meinte.
„Das kriegst Du, das ist mein Geschenk für die wunderbare erste Nacht“,
entschied Gregor. Sie freute sich riesig darüber, hüpfte zu ihm und umarmte
ihn stürmisch.
„Ein Einzelstück eines jungen Designers, der mit einer Tänzerin
zusammenlebt, die keine Arme hat und die ihn auf die Idee gebracht hat,
solche Kleider zu entwerfen“ erläuterte die Verkäuferin zu Gregor gewandt,
„es gibt also einen echten Bezug zu ihrer Frau.“
„Sehr interessant, haben sie noch was von ihm?“
„Derzeit leider nicht, diese Sachen tragen auch die anderen Frauen gerne,
aber ich kann Ihnen die Adresse der Firma geben, die seine Sachen
produziert.“ Dann kramte sie in ihrer Lade und gab ihm eine Visitenkarte,
ehe sie stutzte: „Moment mal, die eine Bluse müsste noch da sein.“ Zsuzsa
war in der Zwischenzeit umziehen gegangen. Die Verkäuferin brachte eine
dunkelblaue ärmellose Bluse mit ebenfalls asymmetrischem Schnitt und
reichte sie Zsuzsa hinter den Vorhang der Umkleidekabine.
„Die solltest Du auch probieren“, rief Gregor. Als sie herauskam, hatte sie
schon den Jeansrock an, dazu diese Bluse, die ihr ausserordentlich gut
stand. „Toll“, sagte sie, vor dem Spiegel balancierend. Die Bluse betonte
ihre zarten, aber wohl durch das Gehen an Krücken muskelstarken Arme und
gab ihrer asymmetrischen Figur einen besonderen Reiz. Gregor merkte, wie
die Verkäuferin Zsuzsa fasziniert musterte. Dann bot sie einen Spezialpreis
für die Bluse an, damit diese und die schöne Signora zusammenfänden. Gregor
erleichterte schliesslich sein Kreditkartenkonto um etliche hundert Euro
und trug die grosse Tasche mit den neuen Sachen, als sie das Geschäft
verliessen.
„Ich glaube“, sagte er dann, „wir brauchen jetzt einen Campari“. Zsuzsa
bestätigte dies durch heftiges Kopfnicken.
Während sie in einer Bar an ihrem Getränk nippten, erzählte Gregor, was
Zsuzsa von dem Gespräch mit der Verkäuferin auf Italienisch nicht
mitbekommen hatte. Er zeigte ihr die Visitenkarte der Erzeugerfirma ihres
neuen Kleides und sie stimmten darin überein, dass man sich diese Adresse
merken sollte.
„Es gibt tatsächlich kaum Kleidung, die auf amputierte Frauen wie mich
Rücksicht nimmt. Entweder mir passen die Sachen der Zweibeinigen oder ich
habe Pech gehabt.“
„Was bei Deiner Figur wohl ziemlich selten sein wird“ schwächte Gregor
lächelnd ab, „aber das ändert nichts daran, dass Du recht hast.“
Zsuzsa freute sich über diesen Kommentar, schwieg eine Weile und meinte
dann nachdenklich. „Diese Erfahrung war wichtig für mich. Ich muss mehr auf
Sachen achten, die zu meiner Situation gut passen. Bisher dominiert meinen
Kleiderschrank die Zsuzsa von früher und ich habe Hemmungen, meine
Garderobe anzupassen.“
„Etwa die Strumpfhosen?“, fragte er.
„Zum Beispiel“, nickte sie, „aber Hosen überhaupt. Als mir Tante Elsa
vorige Woche eine neue Skihose schenkte, gingen wir mit dieser zu einer
Schneiderin, um das rechte Hosenbein abschneiden und vernähen zu lassen.
Ich hatte grossen Widerstand dagegen, am liebsten wäre ich umgekehrt.“
Dann setzten sie ihren Einkaufsbummel fort. Gregor fiel auf, dass
Schuhgeschäfte einen besonderen Reiz für Zsuzsa darstellten. Sie bestaunte
ausgiebig die Vitrinen und liess auch keine aus.
Sie betraten den Coin, die Filiale des grossen italienischen Modehauses in
Vicenza, durchstreiften Herren- und Damenabteilungen und wurden des Öfteren
fündig. Beide erstanden je einen Pullover, Gregor kaufte zwei schicke
Hemden und eine dunkelgraue Hose, Zsuzsa erstand noch ein schwarzes Top, zu
ihrem neuen gleichfarbigen Rock passend. Auch bei Socken, Strümpfen und
Unterwäsche schlugen sie zu, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie zuwenig
für den ungeplanten Urlaub mithatten. Dann standen sie vor den Dessous und
beschlossen, sich gegenseitig verschiedene Stücke auszusuchen und sich mit
diesen zu beschenken. Gregor wählte für sie mehrere reizende Höschen und
Büstenhalter aus, auch einen Body mit sehr hübschen Körbchen und
schliesslich Strapse in mehreren Farben… Er bekam etliche originelle
Slips und eine schöne Boxer Short.
Zwei andere Kundinnen hatten die Szene angeregt verfolgt und äusserten sich
begeistert über das ungewöhnliche Paar. Eine sagte zu Zsuzsa, wie toll sie
es fände, dass sie sich nicht unterkriegen lasse, solche Sachen trage und
auch für ihren Mann welche aussuche.
„Daran kann man sich ein Beispiel nehmen“, pflichtete die andere bei.
Gregor übersetzte alles und Zsuzsa bedankte sich ganz gerührt für dieses
Lob.
„Die Leute sind, auch wenn sie neugierig gucken, unheimlich lieb hier, kein
Vergleich zu den blöden Gesichtern im Transalpin“, meinte sie dann, als sie
sich bei der Kassa anstellten, um ihre neuen Schätze zu bezahlen.
„Wir sind in Italien“, resümierte Gregor, „da ist manches anders.“
Wieder auf der Strasse, kamen sie erneut an einem Schuhgeschäft vorbei.
Zsuzsa deutete mit der Krücke auf ein Paar schöne schwarze Halbschuhe. „Die
gefallen mir und würden sowohl zu den Krücken als auch zur Prothese
passen“, betonte sie.
Sie betraten das Geschäft und Zsuzsa probierte den linken Schuh. Die
Verkäuferin fragte Gregor besorgt, was sie mit dem anderen Schuh machen
würden. Er versuchte, sie mit dem Hinweis auf die Prothese zu beruhigen.
Aber sie meinte es anders.
„Wir haben nämlich eine Kundin, die hat auch nur ein Bein und trägt nie
eine Prothese. Da versuchen wir immer den übrigen Schuh über befreundete
Geschäfte zu verkaufen, zuletzt einige Exemplare sogar in Napoli. Die
Schuhgrösse ist übrigens dieselbe wie bei ihrer Frau und der übrig
bleibende Schuh ist der linke.“
Gregor wurde hellhörig. „Haben sie solche, wenn man so sagen darf,
Restexemplare da?“, fragte er. Sie nickte. Einen mindestens, ich sehe mal
nach.“ Während sie hinter einem Vorhang im hinteren Teil des Geschäftes
verschwand, übersetzte er Zsuzsa, worum es ging. Sie war zunächst
skeptisch.
„Und was ist, wenn ich die Prothese tragen will?“, fragte sie. „Dann fährst
Du in die Schweiz und suchst Du Dir eine Eisplatte“, grinste er.
Sie trat lachend mit ihrem Fuss nach ihm. „Wird schon besser, mit links
sieht es gut aus“, grinste er weiter. Dann kam die Verkäuferin mit zwei
einzelnen Schuhen zurück und Zsuzsa fielen bei deren Anblick fast die Augen
aus dem Kopf. Eine Stiefelette mit halbhohem Absatz in braunem, weichem und
sichtlich teurem Leder sowie ein rote Sandale mit höherem Absatz und tollem
Schnitt.
„Eine schwarze Sandale mit nicht so hohem Absatz ist auch noch da, aber die
Signora hat ihren Schuh noch nicht abgeholt. Den kann ich Ihnen erst
nächste Woche geben, nachdem sie hier gewesen sein wird.“ Beide Schuhe
passten gut und fanden um einen Spottpreis ihre neue Besitzerin.
„Ihre Signora hat einen sehr guten Geschmack“, befand Gregor und die
Verkäuferin nickte zustimmend lächelnd. Sie erstanden noch je ein Paar
Turnschuhe und verliessen reich bepackt das Geschäft, nachdem Zsuzsa noch
ihr ausdrückliches Interesse an der schwarzen Sandale deponiert hatte.
„Mir scheint, Du bist doch auf den Geschmack gekommen, das finde ich gut“
kommentierte Gregor.
„Jetzt reicht es, ich bin müde und habe Sehnsucht nach dem Hotel“, befand
dann Zsuzsa.
„Ich auch“, pflichtete Gregor bei, „zuerst aber organisieren wir für
mittags noch eine Jause im Hotelzimmer.“ In einem appetitlichen
Feinkostladen besorgte er Wurst, Käse, Brot, Oliven, eine Mostarda sowie
eine Flasche Wein und Mineralwasser, ehe sie ins Hotel zurückkehrten. Dort
packten sie ihre neuen Sachen aus und probierten sie vor dem Spiegel.
Zsuzsa war ganz aufgeregt, als sie hintereinander die Schuhe mit den
Absätzen anzog und an den Krücken damit umherging.
„Das klappt ja gut“, meinte sie zufrieden und verstellte die Höhe ihrer
Krücken, um sie den Stöckeln anzupassen. Ein tolles Gefühl“, strahlte sie.
„Ich wieder mit hohen Absätzen, zumindest mit einem.“
„Mit der Prothese geht das nicht?“
„Nein, auf alle Fälle mit meiner nicht. Es gibt welche, mit denen man hohe
Absätze tragen kann. Aber die sind entsprechend teuer.“
„Was kosten solche Dinger?“, fragte Gregor.
„Nach oben hin sind die Grenzen offen, manche sind teurer als ein Auto.“
„Kommt drauf an, ob sie ihr Geld wert sind.“
„Ja, schon. Mit einer solchen Prothese könnte auch ich recht gut gehen und
würde nicht so humpeln wie mit meiner.“ Gregor war beeindruckt. Es war ihm
schlagartig klar, dass seine Zsuzsa ein solches Kunstbein kriegen musste.
Wie und wann, würde sich schon noch zeigen.
„Au“, rief er dann, „verdammte Nadel“. Er hatte eines seiner neuen Hemden
probiert und vergessen, eine der Stecknadeln aus der Verpackung zu
entfernen, die ihn nun stach. „Eigentlich möchte ich Dich gerne mit dem
neuen Body sehen“, betonte er, „ich ziehe jetzt einen meiner neuen Slips
an.“ Sie nickte und begann gleich, sich umzuziehen. Als sie die Strumpfhose
auszog, meinte er: „Wir haben was vergessen: der Frosch hat nichts
gekriegt.“
Zsuzsa lächelte sanft. „Er ist zu klein, ausserdem ist er mit Deiner
streichelnden Hand und Deiner kosenden Zunge völlig zufrieden.“
Er legte sich mit seinem neuen Slip aufs Bett, während sie den neuen Body
anzog und vor dem Spiegel posierte. Sie drehte sich prüfend auf ihrem Bein
um die eigene Achse, besah das neue Kleidungsstück kritisch von allen
Seiten und wackelte mit dem Frosch. Gregor geriet in Wallung, als er
anerkennend rief: „Toll siehst Du aus.“
Zsuzsa errötete, als sie seinen gierigen Blick sah. „Oje, der Mittagsschlaf
entfällt“, meinte sie dann mit gespielter Entrüstung und stemmte grinsend
die Fäuste in die Hüften. Er fand sie in dieser Pose hinreissend und
breitete einladend die Arme aus. Sie sprang mit einem Jauchzen aufs Bett
und warf sich auf ihn. „Ich möchte Dich jetzt vernaschen“, flüsterte sie
ihm ins Ohr und begann, an seinem Hals zu lutschen.
„Na, dann los“, grinste Gregor. Sie betrachtete angetan seinen neuen Slip.
„Regt zum Ausziehen an“, befand sie dann und zog ihn hinunter. Er half
dabei durch Anheben seines Gesässes. Sie kniete nun kokett vor ihm. Er zog
den Body herunter. Rechts fiel er gleich auf die Bettdecke und sie brauchte
ihn nur mehr vom linken Bein zu ziehen. Dann bestieg sie ihn und brachte
mit sanft kreisenden Bewegungen ihres Beckens seinen Penis in Fahrt. Er
überliess ihr die Initiative und genoss ihr Fallen auf sein bestes Stück.
Sie machte es wundervoll und er fühlte sich ungewöhnlich entspannt. Dann
fasste er ihre beiden Schenkel an der Seite und beschleunigte ihren
Rhythmus. Bald konnte er sich nicht mehr halten und erlebte lautstark eine
gewaltige Eruption, deren Erlebnis sie zum eigenen Höhepunkt trieb. Dann
rollte sie sich nach links ab, darauf bedacht, dass er in ihr blieb. Sie
lagen nun im rechten Winkel auf der Seite, ihre Erregung hinauskeuchend.
Dann wurden sie still und genossen den Zustand nach der Entladung. Er sah
sie verliebt an. Zsuzsa war eingeschlafen. Er drehte sich zu ihr und
drückte sie an sich, zärtlich streichelnd. Dann deckte er sie zu, stieg aus
dem Bett und bereitete die Jause vor. Als alles bereit war, weckte er sie.
„Hallo Liebling, das Essen ist fertig!“, rief er. Sie sah ihn schlaftrunken
an.
„Ich liebe Dich“, flüsterte sie und richtete sich auf. Jetzt war er mit dem
Jauchzen an der Reihe. Er nahm sie in die Arme und küsste sie minutenlang.
„Ich liebe Dich auch. Das war vorhin der gewaltigste Ausbruch meines
Lebens.“
Sie strahlte und bekam wieder einmal feuchte Augen. Auf seinen fragenden
Blick hin sagte sie: „Hoffentlich hast Du es schon gemerkt: Ich heule
gerne, wenn ich glücklich bin.“ Und mit zärtlichem Blick: „Du hast eine
Heul – Zsuzsa.“
Gregor war gerührt und entgegnete: „Ich mag das an Dir und ich mag das
Heulen überhaupt. Als Bub habe ich gerne geheult, dann aber gelernt, dass
sich das für Männer nicht ziemt. Aber so richtig verlernt habe ich es bis
heute nicht“ meinte er dann zufrieden.
Dann delektierten sie sich an der kalten Platte, die Gregor auf einem
Tablett angerichtet hatte. Zsuzsa begeisterte sich an der Mostarda. „Was
ist das eigentlich?“, fragte sie.
„Quittenmarmelade mit scharfem Senf oder Kren, in den anderen
deutschsprachigen Ländern Mehrrettich genannt.“
Zsuzsa war verblüfft. „Wenn Du mir sagen würdest, diese Kombination würde
gut schmecken, könnte ich es sicher nicht glauben. Aber es schmeckt
wirklich prima.“ Sie tranken zum Picknick Rotwein aus den Hügeln um
Vicenza, ein leichter und bekömmlicher Tropfen.
Am Ende der Jause begaben sie sich wieder ins Bett und kuschelten sich
aneinander, voneinander und vom Rotwein gewärmt. Als Gregor mit seinen
Zähnen gerade an ihrem Hals knabberte, schreckte sie das Klingeln von
seinem Mobiltelefon hoch.
Diesmal war es ein Anruf aus Wien. Gregors Mutter war am anderen Ende und
wollte wissen, ob er am Wochenende nach Wien käme. „Sicher nicht, Mutter,
ich bin in Italien.“ Und nach einigem Zuhören meinte er grinsend: „Ja, ich
habe mich kurz entschlossen, aber allein bin ich nicht.“ Dann feixte er:
„Ich kann Dir nur sagen: das liebste Mädchen der Welt und wunderschön.“
„Ja, ich bin bis hinter beide Ohren verliebt.“ Nach einer neuerlichen
Pause: „Sicher. Natürlich wieder anders, diesmal errätst Du es nie.“ Dann
sass er mit verblüfftem Gesicht da. „Wie bist Du denn darauf gekommen?“,
stotterte er. „Ja, sie ist beinamputiert.“ Er hörte mit offenem Mund zu,
schliesslich strahlte er. „Ich bringe sie gerne mit. Ich rufe an, sobald
ich weiss, wann wir nach Wien kommen. Sie heisst Zsuzsa und stammt übrigens
aus der Slowakei.“ Nach der Verabschiedung hob er kopfschüttelnd die
Verbindung auf.
„Ein Arbeitskollege meines Vaters hat uns in Innsbruck am Bahnhof gesehen
und meinen Alten heute früh angerufen, meine Eltern waren also schon im
Bilde.“
„Hoffentlich war er nicht einer von den Arschlöchern im Transalpin“ warf
sie ein. Er überlegte.
„Kann schon sein, ich mag den Schleimer überhaupt nicht. Aber meine Mutter
frisst nun die Neugier und hat uns gleich eingeladen, sie und Papa zu
besuchen, wenn wir nach Wien kommen. Sie lässt Dich schön grüssen.“
Zsuzsa kicherte: „Mütter sind offenbar alle gleich, meine war ja auch
sofort ganz neugierig. Hat sie was zu meiner Behinderung gesagt?“
„Ja, sie hat Dich bedauert. Sie hat aber auch gesagt, hoffentlich seiest Du
endlich diejenige, die mich glücklich machen wird, es wäre schon an der
Zeit.“
Zsuzsa machte grosse Augen. „Das heisst, sie würde eine einbeinige feste
Freundin von Dir akzeptieren?“
„Ich bin da sicher. Übrigens: heute wurde ich dreimal auf Dich als meine
Frau angesprochen.“ Zsuzsa wurde rot und spielte die Belustigte.
„Offenbar wirkst Du so, als wärest Du bereits unterm Pantoffel.“
Gregor lächelte: „Nun ja, immerhin liege ich Dir wirklich zu Füssen.“
„Geht ja gar nicht“, entgegnete sie grinsend.
„Geht schon, vergiss nicht Deinen kurzen Schenkel.“
Zsuzsa blickte ihn zärtlich an. Sie war zuletzt auf dem Bett gesessen,
lehnte sich nun in den Polster zurück, stellte das Bein angewinkelt auf und
legte die Hand auf ihren Frosch. „Stimmt, ich bin ja wirklich komplett,
allerdings anders.“
Gregor kroch zu ihr aufs Bett, küsste ihre Brüste, und kuschelte sich an
sie. Er dachte an das Gespräch mit seiner Mutter. Es war ihm nicht ganz
egal, was seine Eltern von seinen Freundinnen hielten, und so war er froh,
dass sie vorhin auf seine neue Beziehung positiv reagiert hatte. Der
Rückhalt, an dem sicher auch sein Vater beteiligt war, tat ihm gut.
Zsuzsa deckte beide zu. „Dir wird sonst kalt“, sagte sie, ehe sie bat:
„Erzähle doch bitte von Deiner Familie.“
„Wir sind fünf. Vater und Mutter leben zusammen, ich glaube, sie lieben
sich nach wie vor. Ich habe zwei Schwestern, die eine drei Jahre jünger,
die andere zwei Jahre älter als ich. Beide sind schon verheiratet, eine in
München und die andere in der Nähe von Wien.“
„Das bedeutet, Deine Mama hat noch eine Rechnung offen, der Bub ist noch
nicht unter der Haube.“
„So ungefähr“, grinste Gregor. „das war vorhin deutlich zu hören. Ich habe
mich bisher aber nicht drängen lassen. Das Verhältnis zu meinen Alten finde
ich aber insgesamt prima, sie haben mir viel geholfen und ich zähle gerne
auf ihren Rat.“
„Was haben sie zu Deinen bisherigen Freundinnen gesagt?“
„Am Anfang schien es ihnen ein Zufall zu sein. Sie haben Bettina, die
Diabetikerin, sehr bedauert und ich habe nie einen abfälligen Kommentar
gehört. Mein Vater fand eigentlich alle Mädchen, die ich anschleppte, sehr
interessant, und hatte für ungewöhnliche Attribute meiner Freundinnen stets
Sympathien. Einmal tat es ihm sichtlich leid, als eine Beziehung wieder zu
Ende war. Sandra hatte ein sehr grosse Nase.“
Gregor grinste. „Wenn Du meine Mutter siehst, weisst Du gleich warum: sie
wäre schon im alten Ägypten ein Schönheitsideal gewesen.“
Zsuzsa schmunzelte: „Nun, klein ist meine ja auch nicht.“
„Deine ist ein Näschen im Vergleich zu der von Sandra, aber es ist
richtig“, meinte er feixend, „vor grossen Nasen bin ich noch nie davon
gelaufen.“
„Und vor kleinen Fröschen neuerdings auch nicht“, ergänzte sie zufrieden.
Während Gregor innehielt und nachdachte, streichelte Zsuzsa seinen linken
Schenkel. Er war stark behaart und sie fand dies sehr anregend. „Ich muss
aber auch sagen, meine Eltern haben sich beide nie in meine Angelegenheiten
ungefragt eingemischt und immer akzeptiert, was ich getan habe“, fuhr er
dann fort, dabei wohlig ihr Streicheln geniessend. „Später, während der
Diplomarbeit, haben wir des Öfteren über das Anderssein diskutiert. Sie
haben mein Interesse am Thema nicht ganz verstanden, aber meine
Dispositionen akzeptiert.“
„Bei mir war das mit der Distanz früher auch so, speziell zu meiner Mutter,
mein Vater war ja unerreichbar“, warf Zsuzsa ein. „In den letzten beiden
Jahren hat sich das aber sehr geändert, sie spielt im Umgang mit den Folgen
meines Unfalls eine ganz wichtige Rolle.“
„Ist sie Expertin auf dem Gebiet der Rehabilitation?“
Zsuzsa sah ihn belustigt an. „Das könnte man eigentlich sagen.“ Sie zögerte
kurz und begann dann ausführlich zu erzählen.
„Du erinnerst Dich an die Geschichte von der Roma-Frau aus Kindertagen? Sie
hiess Jana und es gibt nicht nur meine Story, sondern auch die meiner
Mutter, die ich erst seit vorigem Jahr genauer kenne. Jana hatte nicht nur
mich fasziniert, sondern auch meine Mutter. Während ich eine Ohrfeige
bekam, als sie mich beim Nachahmen ihrer Hüpfbewegungen ertappte, war
zwischen den beiden Frauen weit mehr als der Wollverkauf. Meine Mutter hat
eine Schwäche für Frauen im allgemeinen, was auch einer der Gründe war,
warum mein Vater sie verliess, und hatte längere Zeit eine Zuneigung zu
Jana im besonderen. Diese führte dazu, dass Mama schliesslich über das
Leben amputierter Frauen bestens Bescheid wusste und nie verlegen war,
ihrer verunglückten Tochter mit Rat und Tat beizustehen.“
Gregor hörte interessiert zu. Zsuzsa setzte das Streicheln seines Schenkels
fort, und er begann, dem Frosch in gleicher Weise Gutes zu tun.
„Wie hat sie Dir geholfen?“, fragte er dann.
„Sie hat vom Anfang an betont, dass die Bewältigung der Amputation zuerst
im Kopf stattfände. Der Verlust eines Beines ist ein so schwerwiegender
Eingriff in das Leben einer Person; dass er mit den üblichen Selbstbildern
nicht bewältigt werden kann. Man muss quasi den Kopf mit seinen
Wahrnehmungen umstellen, sonst kann man nicht angemessen auf die neue
Situation reagieren und die vielen Probleme lösen.
An ein Ereignis ganz am Anfang kann ich mich noch gut erinnern. Als ich
nach der Amputation im Spitalbett lag, konnte ich mir jederzeit einbilden,
der Fuss sei noch vorhanden. Es waren süsse Momente, Tagträume, in denen
ich immer noch zwei Beine hatte. Dazwischen aber bekam ich manchmal die
Panik, weil ich diesen Zustand nicht deuten konnte. Ich erzählte meiner
Mutter davon, die mich zuerst beruhigte, dies sei nach einem Beinverlust
normal, dann aber aufforderte, die Augen zuschliessen und mich auf meine
Beine zu konzentrieren, zuerst auf den linken Fuss. Sie zählte mir alle
Teile auf, beginnend mit Zehen, Fusssohle, Rist, Ferse, und so fort und ich
sollte sie bewusst zu spüren versuchen, was ich auch tat. Dann kam das
rechte Bein dran und ich spürte zunächst alles genauso wie links. Dann
fragte sie mich plötzlich, ob die Beine gleich lang wären. Da fiel mir auf,
dass mir das rechte Bein kürzer vorkam als das andere, In weiteren
Vergleichen fiel mir auf, dass die Empfindung am rechten Oberschenkel,
oberhalb des Knies, gestört war. Ich hatte nun die erste Wahrnehmung meiner
neuen Situation. Das Bein war ja wirklich kürzer und oberhalb des Knies
abgeschnitten. Meine Mutter betonte, dass dies der Beginn eines Prozesses
sei, an dessen Ende ich mich mit der Wahrnehmung meiner Einbeinigkeit
arrangiert haben würde. Dem war dann auch so, wobei die Entwicklung noch
nicht abgeschlossen, sehr wohl aber schon weit gediehen ist.
Einige Aspekte ihrer Interventionen waren für mich von besonderer
Wichtigkeit, wie etwa das Beleben der Erinnerungen an meine Sympathien für
Jana. Meine Mutter führte mir vor Augen, dass ich selbst, nun verzweifelt
daliegend, mit diesem Thema in meiner Kindheit ganz anders umgegangen war.
Ich soll damals auch gesagt haben, dass ich gerne mit ihr tauschen würde
und wünschte mir Krücken zum Geburtstag.“
„Hast Du die wirklich gekriegt?“
„Nein, bis zum nächsten Geburtstag war längst die Watschen passiert und
meine Mutter verbarg im weiteren die Kontakte zu Jana vor mir, weil sie
sich, wie sie sagte, für die Schamlosigkeiten ihrer Tochter nicht genieren
wollte. Solche Geschichten haben mich schliesslich einige Zeit nach der
Amputation sehr beschäftigt, alte Sympathien, die irgendwo in mir begraben
waren, wiederbelebt und keinen geringen Anteil daran, dass ich meinen
Körper wieder mag und heute beispielsweise auch gerne an Krücken gehe,
während andere junge amputierte Frauen am liebsten die Beinprothese rund um
die Uhr tragen würden, um möglichst wenig an ihre Tragödie erinnert zu
werden.
Ich habe schon früher erwähnt, dass ich nach dem Unfall sicher war, nie
wieder einem Mann gefallen zu können und dass Jan, mein damaliger Freund,
mich wegen des amputierten Beines verliess. Mama bezeichnete ihn aber als
Waschlappen, der mich nicht eine Sekunde lang wert gewesen sei. Ich sollte
froh sein, dass er sich gleich dünn gemacht hätte, andernfalls hätte ich
meine blauen Wunder mit ihm erlebt. Ich war erstaunt über ihre Reaktionen,
aber sie meinte, es gäbe viele Menschen, die vor Amputierten nicht
davonlaufen würden. Es gäbe sogar etliche Menschen, wie sie selbst, die
sich von jenen sehr angezogen fühlen würden und nicht wenige, die imstande
wären, die Besonderheit von solchen Individuen, zu denen jetzt auch ich
gehöre, zu entdecken. Lange Zeit fiel es mir schwer, das zu glauben, aber
sie betonte stets, dass ich Geduld haben müsse und mich nicht auf Tarnen
und Täuschen sowie Verstecke spielen einlassen dürfe, weil das nur das
Finden neuer Akzeptanz erschweren würde. Sie hat sich riesig gefreut, als
ich ihr gestern am Handy sagte, ihre Auffassungen hätten sich bestätigt.“
Der Gewöhnung an mein verändertes Aussehen widmete sie besondere
Aufmerksamkeit. Sie sagte, ich müsse mich so mögen wie ich bin, damit ich
andere fände, die auch an mir Gefallen fänden. Sie drängte mich, dem Frosch
besondere Beachtung zu schenken, ihn zu hegen und zu pflegen und mich an
ihn zu gewöhnen. Einmal rückte sie mit einem grossen Spiegel an, damit ich
mich besser und eingehender betrachten könne. Sie betrieb auch vehement die
Nachamputation. Jana war der Meinung gewesen, dass ein schöner Stumpf für
das neue Selbstbild einer amputierten Frau unerlässlich sei. Ich bin
inzwischen sicher, dass sie da völlig Recht hatte.
Was mich aber von Anfang an besonders faszinierte, waren Janas Ideen zur
Einbeinigkeit. Ich lebte nach der Amputation zunächst in der zweibeinigen
Welt weiter, obwohl sie nicht mehr die meine war. Ich erlebte die neue
Situation als grosse Einschränkung, und kam mit ihr überhaupt nicht zu
Rande. Nach zwanzig Jahren auf zwei Beinen war plötzlich alles anders und
das Leben voller Limits. Meine Mutter hat mir dann erzählt, Jana hätte die
Meinung vertreten, dass das Selbstbild der Zweibeinigkeit in vielen
Facetten eine Fiktion sei. Niemand hat zwei völlig gleiche Beine, meist ist
das eine stärker, das andere schwächer, manchmal sind sie ungleich lang,
fast immer ist eines begabter als das andere, und es lassen sich noch viele
andere Belege dieser Art finden.
Beim Stehen wird das besonders deutlich. Kaum jemand steht gleichmässig auf
beiden Beinen, nahezu alle Leute belasten ein Bein mehr als das andere, das
dann mehr auf das Halten des Gleichgewichts konzentriert ist oder der
Entlastung des unbewusst favorisierten Beines durch Abstützen hilft. Aber
auch beim Hüpfen und Springen ist in der Regel ein Bein der Hauptakteur,
während das andere mehr zum Schwung holen dient. Für Einbeinige ist
wichtig, dass es grundsätzlich keines zweiten Beines bedarf, um die
beschriebenen unterstützenden Funktionen zu sichern. Ein Frosch reicht
auch, wenn es um die Balance, das Abstützen und das Schwung holen geht.“
Gregor nickte. „Ist bei Dir deutlich zu sehen“, pflichtete er bei. „Aber
wie ist das dann beim Gehen?“
„Da reichen Frösche allerdings meist nicht aus, ausser beim schon
angesprochenen Hüpfen, das ich auf kurzen Strecken sehr mag, wie Du schon
bemerkt hast. Man braucht zusätzliche Gehwerkzeuge. Aber das ist ja nichts
Ungewöhnliches. Hilfsmittel prägen generell die Geschichte der menschlichen
Fortbewegung, sie sind unverzichtbar, das gilt für alle Individuen und für
Einbeinige nur in spezifischer Form. Ich finde es beispielsweise idiotisch,
dass Skistöcke bei Zweibeinigen als völlig normal gelten, während es bei
mir heisst, das arme Mädchen braucht Krücken. Da hilft es mir gar nichts,
wenn ich denen, die das sagen, um die Ohren fahre.“
„Kommt das vor?“, fragte Gregor erstaunt.
„Natürlich, und gar nicht selten. Schnell zu fahren bereitet mir grosses
Vergnügen.“ Sie dachte vergnügt ans Skilaufen.
„Erklärt vielleicht auch die Grösse Deines blauen Fleckes“, meinte er keck.
Sie lächelt leicht gequält. „Da war ich tatsächlich zu schnell.“ Nach einer
Pause ergänzte sie: „Es gibt übrigens auch einbeinige Skiläufer, die mit
normalen Skistöcken fahren. Eine Amerikanerin, wie ich
oberschenkelamputiert, ist vor Jahren sogar bei Rennen der Zweibeinigen
gestartet.“
„Klingt nach Akrobatik“, meinte er verblüfft.
„Ist es sicher, aber bei Hermann Maier auch.“
Gregor überlegte. „Das Skilaufen passt aus vielen Gründen gut zu diesem
Thema“, meinte er dann. „Man fährt viel auf einem Bein, das andere hält die
Balance, wechselt die Belastung des Ski, wenn man anderen imponieren will,
streckt man bei hohem Tempo den Aussenschi zur Seite, um nur einige Aspekte
zu erwähnen.“
„Fährst Du auch gerne schnell?“
„Na klar, am liebsten ganz lang gezogene Schwünge, die zu einem Höllentempo
führen. Kaum Fersenschub, nur Belastungswechsel.“
„Siehst Du, das mit diesem Wechsel geht bei mir eben nicht, Einbeinige
haben kein Spielbein. Entlasten und Belasten geht schon, dabei helfen die
Krücken.“
Eigentlich klar“, nickte Gregor, „aber solche Sichtweisen sind
üblicherweise in den Köpfen nicht drin. Ich habe mich gestern auch über
Deine Beweglichkeit gewundert, während Du Dich darüber gewundert hast,
warum es nicht so sein sollte. Auch heute war es für mich noch etwas
Auffälliges, dass Du sehr flott unterwegs warst.“
„Du warst so irritiert, dass Du gleich zu Boden gegangen bist“, stichelte
sie.
Er grinste beziehungsvoll: „Im Denken der Zweibeinigen hat das einbeinige
Mädchen nur als ganz armes Mädchen seinen Platz, so ist leider das Leben.“
Beide lachten.
„Ich glaube, wir sollten bald einmal miteinander Skifahren gehen, Du machst
mich richtig neugierig“, meinte er dann. „Aber davon abgesehen beeindruckt
mich Deine Schilderung sehr. Sie macht deutlich, was hinter verschiedenen
Facetten des Andersseins an wirklicher Differenz zum so genannten Normalen
steckt.“
Sie nickte: „Vielleicht wird damit klar, wie wichtig die Neuordnung des
Kopfes für mich gewesen ist. Dabei ging es nicht um schlüssige Theorien,
sondern um eine Disposition, die mir half, meine neue Situation halbwegs in
den Griff zu kriegen“, resümierte sie.
„Du hast sie schon super im Griff“, korrigierte er.
Sie gab ihm einen Kuss, kuschelte sich an ihn und schwächte dann ab: „Dabei
wirft es mich noch oft hin und her. Auf der einen Seite bin ich schon die
neue Zsuzsa, auf der anderen Seite bin ich noch ungemein unsicher.“ Und
nach einer Pause: „Der kurze Rock ist ein gutes Beispiel. Den Jeansrock
habe ich von früher, ich habe ihn sehr gemocht und nach langem Zögern für
die Reise eingepackt. Er wäre unbenutzt wieder nach Hause gefahren, hätte
ich Dich nicht kennen gelernt. Neben Dir habe ich mich dann heute
vormittags in ihm sehr wohl und sehr sicher gefühlt, ganz ohne Prothese und
mit Krücken.“
„Klar“, erwiderte Gregor, „in einer solchen Lage ist man bald mal
überfordert. Du brauchst Menschen um Dich, die bereit sind, die Situation
mit Dir zu teilen.“
Sie sah ihn skeptisch an. „Ist das von den anderen nicht zuviel verlangt?“
Er blickte sie verwundert an: „Ich bin sicher, Deine Mutter hat es gerne
getan und ich geniesse unsere Zweisamkeit ganz ausserordentlich.“
Sie rollte sich auf ihn und sah ihn bewegt an. Dann drückte sie ihren Kopf
auf seine Brust. Er wurde dort nass. Sie weinte. Als sie merkte, dass er
dies mitgekriegt hatte, liess sie das Schluchzen zu. Sie heulte lange,
während er stillhielt und sie sanft streichelte. Schliesslich hob sie ihren
Kopf und sah ihn glücklich lächelnd an. „Das hat jetzt sicher gut getan“,
flüsterte er. Sie nickte heftig und suchte seinen Kuss.
Dann lagen sie lange schmusend aufeinander, ehe sie beschlossen, zu einem
weiteren Spaziergang aufzubrechen. Diesmal sollte Sightseeing im
Mittelpunkt stehen, und weiteres Einkaufen nur dann eine Rolle spielen,
wenn sie zufällig auf etwas besonders Schönes stossen würden. Draussen
dämmerte es schon.
Zsuzsa verschwand im Badezimmer. „Gregor, kommst Du mal!“ rief sie
plötzlich. Sie stand vor dem Spiegel und hielt ihm grinsend die rechte
Halsseite hin. Sie hatte dort einen deutlich sichtbaren Knutschfleck. Er
sah in den Spiegel und entdeckte auf seinem Hals auch einen kleinen
Bluterguss. „Ausgleich“, feixte er, darauf hindeutend.
Sie verliessen das Hotel und strebten in Richtung Hauptplatz. Dabei kamen
sie am Schuhgeschäft von vorhin vorbei, aus dem die Verkäuferin
herausgelaufen kam: „Die Signora, eine Comtessa, war schon da, sie können
die Sandale gerne haben, ein Schlüpfer aus blau gefärbtem Leder ist jetzt
auch übrig“, rief sie. Das liess sich Zsuzsa nicht zweimal sagen. Sie
probierte im Laden die einzelnen Schuhe, sie passten und wurden gleich
eingepackt. Diesmal bekam sie beide umsonst und die Verkäuferin überreichte
Gregor eine Visitenkarte. „Die Comtessa hat gesagt, ich solle sie Ihnen
geben, sie würde sich über einen Anruf, am besten noch heute, sehr freuen.
Ihr Vater hat in der Zwischenzeit auch angerufen und gemeint, sie wären
herzlich morgen zum Mittagessen eingeladen und hoffe auf Ihre Rückmeldung.
Wenn sie wollen, können Sie gerne gleich von hier anrufen.“ Gregor
übersetzte Zsuzsa, worum es ging und als er ihren erfreuten
Gesichtsausdruck sah, reagiert er rasch. „Darf ich Sie um ihre Hilfe
bitten. Mein Italienisch ist bescheiden“, betonte er. Sie nickte erfreut
und griff zum Telefonhörer. Nach einigen Verbindungsschritten hielt sie
Gregor den Hörer hin. Am anderen Ende war eine Männerstimme, die sich als
Comte Bertalani vorstellte. Er freue sich über die Kontaktanbahnung seiner
Tochter und spreche gerne eine Einladung zum Sonntagsessen in der Villa
seiner Familie aus.
Gregor bedankte sich und versicherte, die Einladung ebenso wie Zsuzsa gerne
annehmen zu wollen. Er fragte, wie sie zur Villa finden würden. Der Comte
versicherte, dass dies ganz einfach sei, er müsse nur das Hotel wissen,
dann stünde morgen um halb eins ein Wagen davor, um die Gäste zur Villa zu
bringen. Gregor nannte den Namen des Albergos und der Comte meinte dann,
dies sei genau die Adresse, an der er in jungen Jahren Freunde, die ihn
besuchten, auch untergebracht habe. Er freue sich auf morgen. Gregor
versicherte, dass die Freude auch auf Zsuzsas und seiner Seite sei.
Als er der Verkäuferin den Telefonhörer zurück reichte, sah ihn diese
bewundernd an. Zu Zsuzsa sagte sie auf Englisch, dass sie einen charmanten
Gatten hätte, der den Comte sicher hatte beeindrucken können. Zsuzsa meinte
darauf, sie sei noch nicht mit ihm verheiratet, worauf die Verkäuferin ihr
riet, sie sollte sich tunlichst beeilen. Gregor war natürlich das ‚noch‘
aufgefallen und merkte, dass er es mit Wohlgefallen registriert hatte.
Danach brachten sie die Tüte mit den Schuhen ins Hotel. Der Portier guckte
plötzlich nicht mehr komisch, sondern fragte devot nach dem Wohlbefinden
der Herrschaften. Gregor schloss daraus, dass der Comte den Transport am
nächsten Tag schon im Hotel angekündigt hatte.
Danach begannen sie mit dem geplanten Bummel. Es war, der Jahreszeit
entsprechend, schon fast völlig dunkel, doch Vicenza war am Abend besonders
reizvoll. Sie gingen zu erst wieder zum Hauptplatz, den inzwischen auch
Zsuzsa ins Herz geschlossen hatte, genossen erneut die Basilika, aber auch
die fremdartige Loggia dei Capitani gegenüber und die Bürgerhäuser entlang
des Platzes. In einem davon war ein Geschäft mit wunderschönen Stoffen und
Zsuzsa verspürte Lust, es nach längerer Zeit wieder mit dem Schneidern zu
versuchen. Dann entschied sie, ohne Gregor von diesen Wünschen zu erzählen,
solche Ideen vorläufig hintan zu halten, weil ihr vor dem Aufwand
schauderte, den sie von früheren Versuchen in Erinnerung hatte. Sie zogen
weiter zum Corso Palladio, betrachteten dort einige Palazzi, und erreichten
durch enge Gässchen das kleine Wohnhaus Palladios. Dann gingen sie zum
Corso zurück, am Samstagabend eine stark frequentierte Fussgängerzone, und
schlenderten bis zu seinem östlichen Ende. Sie waren Mittelpunkt der Menge.
Die schöne junge Frau an Krücken mit ihrem einen Bein erregte
beträchtliches Aufsehen, wie Gregor registrierte.
Der Corso mündete in einen grossen Platz, an dessen linker Seite ein
grosses Gittertor den Eingang zu einem im Dunkeln dahinter liegenden
grossem Gebäude markierte. „Da drinnen ist das Teatro Olimpico aus dem
siebzehnten Jahrhundert, eines der schönsten alten Theater der beginnenden
Neuzeit überhaupt. Wir müssen unbedingt tagsüber wieder kommen, das musst
Du ganz einfach gesehen haben“, erklärte er. Dann fiel sein Blick auf einen
Glaskasten neben dem Eingangstor, in dem eine Konzertankündigung hing.
Gregor las den Text und geriet aus dem Häuschen. „Zsuzsa, magst Du Opern?“,
rief er ihr zu.
Sie war einige Schritte weiter gegangen. „Und wie!“, antwortete sie. „Ich
mag viele Musiken vom Gregorianischen Choral bis Madonna, aber Oper ist
stets etwas Besonderes.“
„Das finde ich toll“, strahlte er sie an. „Stell Dir vor, morgen ist im
Teatro Olimpico ein Arienabend mit Cecilia Bartoli, ob es da wohl noch
Karten gibt?“
„Von der Bartoli habe ich eine CD. Sie singt darauf Arien von Salieri.“
„Dem angeblichen Mörder Mozarts, wie Milos Forman in seinem Film Amadeus
behauptet?“ Sie nickte, worauf er fortfuhr: „Den Film finde ich super, so
trefflich kann tödliche Wiener Intrigen wohl nur ein Prager beschreiben,
trotzdem kann ich die Geschichte nicht glauben.“
Sie grinste. „Das ist wahr, Deine Vorfahren kommen in diesem Film ebenso
wenig gut weg wie die Italiener.“
Gregor begann dann in Erinnerungen an eine Rossini – Oper bei den
Festspielen in Pesaro zu schwelgen, in der er die Diva gehört hatte. „Ich
glaube, sie ist wirklich eine Diva mit allen positiven wie negativen
Seiten. Schon zweimal sass ich in einem Konzert von ihr, das sie dann
kurzfristig über den Haufen geworfen hat“, sagte er mit vorwurfsvoller
Stimme. „Wir sollten in der Slowakei in die Oper gehen. Es gibt bei uns
viele junge Talente ganz ohne Allüren.“ Und einige Stars wie die Gruberova
mit ihrer vortrefflichen Stimme“ ergänzte Gregor. Dann wurde er
nachdenklich. „Am besten, wir fragen im Hotel, vielleicht lassen sich noch
Karten auftreiben“ befa
Sie kehrten um und gingen den Corso zurück. Dabei kamen sie an einer
kleinen Boutique vorbei, die schon die Sommermode in der Auslage hängen
hatte. Schöne Röcke aus Baumwollstoffen, alle etwa knielang.
Zsuzsa starrte begeistert auf einen hellblauen Rock mit ganz zarten
sandfarbenen Mustern. „Der wäre was“, murmelte sie, und ergänzte betrübt:
„aber ich darf jetzt nichts mehr ausgeben, ich bin pleite.“
„So ein Rock wäre aber super. Du hast einen schönen Unterschenkel, das
Stück würde sicher gut passen. Ich mache Dir einen Vorschlag: Du probierst
ihn und wenn er Dir gut steht, kriegst Du ihn als Wiedergutmachung für den
Knutschfleck.“
„Wieso Wiedergutmachung? Ich mag ja meinen Fleck.“
Gregor verdrehte die Augen. „Liebste Zsuzsa, hier geht es nicht um die
Wahrheit, wir brauchen ganz einfach einen Grund“, grinste er.
„Na gut“, kicherte sie und verzog das Gesicht.
„Der Fleck tut fürchterlich weh“, sagte sie drohend.
„Ich habe es nicht absichtlich getan“, jammerte er kleinlaut, „ich hoffe,
Du verzeihst mir noch einmal, wenn ich Dir diesen Rock schenke.“
Zsuzsa stellte ihre strengen Bedingungen: „Na gut, den Rock und noch einen
Fleck.“
„Abgemacht.“ Dann lachten sie schallend und einige Passanten drehten sich
verwundert nach ihnen um.
Gut gelaunt betraten sie das Geschäft. Den Rock gab es in der richtigen
Grösse und er stand ihr tatsächlich sehr gut. Gregor zahlte wieder mit der
Kreditkarte. „Die ist sehr praktisch“, meinte sie, als sie den Laden
verliessen. Er nickte: „Noch praktischer wäre sie, würde dann nicht vom
Konto abgebucht werden.“ Erneut Gelächter.
Dann gingen sie zum Hauptplatz zurück, auf dem die Basilika und die Loggia
nun von den Scheinwerfern in dezentes Licht getaucht wurden. Es war ein
lauer Abend, den die beiden nach den kalten und unfreundlichen Tagen davor
sehr genossen. Gregor blickte zum Himmel. „Siehst Du diesen wunderbare
dunkle Blau? Diese faszinierende Farbe hat der Himmel über diesem Platz bei
Dunkelheit immer. Das begeistert mich stets aufs Neue.“ Sie hatte den
Frosch auf den Krückengriff gelegt und blickte nun auch nach oben.
„Wirklich schön, wie eine samtene Haube über den Dächern.“
Sie hob irritiert den Frosch vom Krückengriff herunter. „Hoffentlich kommt
kein Wetterumschwung“ murmelte sie besorgt.
„Wie kommst Du darauf?“, fragte er verwundert.
„Ich spüre jetzt mein rechtes Bein, das passiert meist, wenn sich das
Wetter stark verändert“, erläuterte sie.
„Nun, hoffentlich ist es ein falscher Alarm“ schwächte er ab und führte
sie dann in einen stimmungsvollen Winkel mit Laubengängen hinter der
Basilika, in dem das Denkmal Palladios stand. Eine Taube thronte frech auf
seinem Kopf.
„Schon blöd, wenn Dir dauernd eine Taube auf den Kopf scheisst und Du Dich,
zu Stein erstarrt, nicht dagegen wehren kannst“, meinte Zsuzsa grinsend.
„Dabei trägt er es mit sichtlichem Gleichmut“, bestätigte Gregor belustigt.
Dann spazierten sie weiter zum Dom, der etwas abseits lag. „Die Kirche ist
hier nicht der Mittelpunkt der Stadt“ bemerkte sie. Er nickte. „Das
Zentrum gehörte den reichen Bürgern, denn sie waren hier wie in etlichen
anderen Städten im italienischen Norden der Mittelpunkt der Macht.“
Die Glocke des Domes schlug zweimal. Gregor blickte auf seine Uhr. „Halb
acht. Ich schlage vor, wir gehen rüber zum Coin und holen meine neue Hose,
bei der die Korrekturen fertig sein müssten, das geht sich vor acht Uhr
gerade noch aus, und dann erfreuen wir unsere Mägen, hast Du auch schon
Hunger?“
„Hörst Du meinen Magen nicht knurren?“ fragte sie schmunzelnd zurück und
ergänzte: „Weisst Du ein anderes Restaurant, in dem man so gute Sachen
kriegt wie gestern?“
„Ja, es liegt gleich hinter dem grossen Kaufhaus.“
„Ideal, nichts wie hin.“
Sie eilten zum Coin, wo er seine Hose abholte, während sie draussen wartete
und das mittelalterliche Stadttor gegenüber bewunderte. Dann kam Gregor mit
einer neuen Tüte zurück und sie gingen ums Eck zum Restaurant. Er kannte
das Lokal von früheren Aufenthalten in der Stadt und der Wirt liess keinen
Zweifel daran, dass er den Gast wieder erkannte.
„Du musst hier bleibende Eindrücke hinterlassen haben“, meinte sie
belustigt, „was hast Du denn damals angestellt?“
„Ich habe meinen Teller leer gegessen und dann abgeschleckt, weil das Essen
so gut war.“ Gekicher. „Ausserdem liegt mein letzter Besuch noch nicht
lange zurück“, ergänzte er.
Es gab Reis mit Radicchio als Vorspeise und Perlhuhn mit Polenta als
zweiten Gang. Als sie nach dem zartbitteren Risotto auf das Geflügel
warteten, fragte Gregor. „Spürst Du noch das rechte Bein?“
Sie nickte. „Ja, insbesondere den Fuss und die Zehen.“
„Ist das unangenehm?“
„Ja, es kann aber viel schlimmer sein als jetzt. Einmal hatte ich einen
Krampf im Fuss, da habe ich geglaubt, ich fahre aus der Haut. Wenn man
einen Krampf in einem vorhandenen Bein bekommt, versucht man möglichst
rasch auf dem Fuss aufzutreten, damit das schreckliche Gefühl nachlässt.
Aber stell Dir vor, das Bein ist weg und Du kannst nichts gegen den Krampf
tun. Man nennt das Phantomgefühle und im negativen Fall Phantomschmerzen.“
„Hast Du sehr oft solche Beschwerden?“
„Anfangs hatte ich sie sehr oft, seit der zweiten Operation sind sie
erfreulicherweise seltener geworden und treten wie gesagt in erster Linie
bei Wetterumschwüngen auf.“
Gregor griff unter den Tisch und legte seine Hand auf ihren Frosch.
„Glaubst Du, dass es hilft, wenn man ihm Gutes tut?“
Sie lächelte sanft und meinte: „Wir können es ja nachher versuchen. Du
solltest ihm aber keine Vorwürfe machen, Wahrscheinlich ist der Kopf für
solche Gefühle verantwortlich.“
Die Bedienung brachte den zweiten Gang und das saftige Perlhuhn lenkte das
Gespräch in andere Bahnen. „Sieht aus wie ein Huhn, schmeckt aber deutlich
anders“ kommentierte Zsuzsa, „wirklich hervorragend.“
„Siehst Du die Zertifikate an den Wänden?“
„Ja, was bedeuten sie?“
„Der Wirt nimmt regelmässig an Meisterschaften im Kochen von Perlhühnern
teil und räumt dort eine Menge Preise ab.“
„Wirklich? Es gibt Meisterschaften?“ fragte sie ungläubig.
„Ja. Perlhühner haben eine ganz kurze Periode des gar Seins, dann werden
sie binnen kurzem trocken und zäh. Nur gute Köche bringen eine Faraona, so
heissen diese Tiere hier, auf den Tisch, die so gut schmeckt wie unsere.
Das ist auch das Ziel der Wettbewerbe, bei denen eine Jury die Leistungen
der Köche bewertet und die Sieger ermittelt.“
„In so einer Jury möchte ich auch einmal sein“, grinste Zsuzsa. Sie tranken
zu den Speisen eine Flasche Weisswein aus dem nahen Breganze. Nach der
Süssspeise, einer Zuppa Inglese, gab es noch Grappa und Gregor stellte
zufrieden fest, dass seine Freundin wieder wacker mithielt.
Gut gelaunt machten sie sich nach dem Essen auf den Weg ins Hotel. Sie
spürten den Alkohol und Zsuzsas Phantomgefühle waren schwächer geworden.
Sie tänzelte kokett mit den Krücken neben Gregor. Dabei übersah sie eine
unebene Stelle im Asphalt und plötzlich war sie im Fallen. Er reagierte
geistesgegenwärtig, erwischte sie am Oberarm und riss sie hoch. Sie liess
die Krücken fallen, warf sich herum und klammerte sich an seinem Arm. Mit
grosser Mühe fand sie hüpfend wieder das Gleichgewicht und stand dann
bleich wieder aufrecht.
„Das war knapp“, murmelte sie.
Gregor hob die Krücken auf. „Alles in Ordnung?“, fragte er.
Sie nickte, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich.
„Danke“, flüsterte sie.
Dann reichte er ihr die Krücken und sie setzten ihren Weg fort. „Einmal
nicht konzentriert, und schon klingelt es. Höchste Zeit, ins Hotel zu
kommen, ich spüre wieder stärker meinen rechten Fuss“, meinte sie beim
Weitergehen.
Dort angekommen, befragte Gregor den Portier über Möglichkeiten, Karten für
das Bartoli – Konzert zu kriegen. Der Mann entpuppte sich als wahrer Fan
der Diva und versprach, sein Bestes zu versuchen, obwohl der Arienabend
schon lange ausverkauft sei. Gregor fuhr seine Hoffnungen gegen Null, denn
er wusste, dass unter solchen Umständen nur sehr einflussreiche Leute noch
Chancen auf Plätze hatten.
Mit kaltem Mineralwasser versorgt, gingen sie aufs Zimmer. „Hilfst Du mir
bitte beim Duschen? Es gibt keine Haltegriffe bei der Wanne.“, fragte sie
etwas besorgt.
„Natürlich“ nickte er und freute sich darauf. Während sie sich auszog,
drehte er das Wasser auf und regelte die Temperatur. Sie stand schon nackt
in der Tür und massierte mit der Hand ihren Frosch.
„Ich muss dringend pinkeln.“
„Mach nur“, sagte er, „ich ziehe mich auch noch aus. Während sie sich
verlegen lächelnd auf die Klomuschel setzte, ging er hinaus. Als er dann
unbekleidet zurückkam, ragte sein Penis in die Höhe, so sehr hatten ihn die
Gedanken an das Bevorstehende stimuliert.
Sie reagierte amüsiert: „Es gibt also doch einen Haltegriff.“
Er feixte: „Darf ich bitten, Gnädigste?“, und half ihr in die Wanne. Sie
stand vor ihm und hielt sich mit einer Hand an seiner Schulter fest,
während sie das warme Wasser genoss.
„Hilft bei Phantomgefühlen Wärme?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Viele Leute sind anderer Meinung, mir scheint
es jetzt aber gut zu tun.“
„Versuchen wir es weiter, wenn es unangenehm wird, sag es bitte sofort,
damit ich gleich aufhören kann.“ Er verstärkte die Warmwasserzufuhr und
liess das Wasser weiter über ihren Körper rinnen. Lange hielt er die Brause
über ihren Frosch, den sie ihm dabei entgegenstreckte. Sie sah dabei
interessiert zu und spreizte ihren kurzen Schenkel öfters zur Seite. „Gut
so?“, fragte er.
Sie nickte zufrieden. Dann seifte er sie ein, zuerst vorne, und nachdem er
ihr beim Umdrehen geholfen hatte, auch hinten. Er hatte dabei Zeit, ihren
Rücken zu betrachten. Er gefiel ihm, nicht zuletzt aufgrund der kleinen
Leberflecke unter dem Hals und an der Taille. Geniesserisch seifte er ihren
Hintern und bemerkte, dass die linke Backe etwas grösser war als die
rechte. Er betrachtete kritisch den grossen Bluterguss an ihrer Hüfte und
stellte fest, dass er von hinten noch grösser aussah als von vorne.
Allerdings war er heller geworden, in das Blau war mehr Gelb als Schwarz
gemischt. Dann kamen das Bein und der kurze Schenkel dran, wobei er sich
wieder an ihren Häärchen delektierte. Abschliessend widmete sie sich selbst
ihrem Schambereich, wobei sie ihn anlächelte, Nach einer ausgiebigen
neuerlichen Wasserladung trocknete er sie ab, half ihr aus den Wanne und
stieg selbst hinein, während sie ihren Bluterguss behandelte und sich
anschliessend dem Zähneputzen zuwandte. Sie beobachtete ihn im Spiegel
aufmerksam beim Duschen und beim Abtrocknen. Dann hüpfte sie aus dem Bad,
während er noch einige Zeit für die Körperpflege brauchte.
Als er ins Zimmer kam, lag sie zugedeckt auf dem Rücken im Bett und machte
einen müden Eindruck. Er streichelte ihre Brüste. „Ich bin unglaublich
müde“, murmelte sie. Dann spreizte sie mit wohligen Lauten die Schenkel.
Zärtlich massierte er sie unter der Decke und legte dann die Hand auf ihren
Frosch. „Das tut gut“, flüsterte sie und schlief ein. Er blieb noch eine
Weile wach, freute sich riesig über seine neue Liebe, genoss die gemeinsame
Wärme und driftete schliesslich auch in den Schlaf.
3. Tag
Es war Sonntagmorgen, Zeit zum Ausschlafen. Gregor wachte wieder zuerst
auf. Draussen rüttelte ein starker Wind an den Fensterläden, was nichts
Gutes verhiess. Er dachte an Zsuzsas Phantomgefühle am Vorabend und an ihre
Vermutung, dass diese auf einen Wetterumschwung schliessen liessen. Er
wandte sich ihr zu und sah, dass sie noch schlief. Sie lag auf dem Rücken
und war halb abgedeckt, speziell ihr Frosch war ganz im Freien. Sie hatte
ihn hochgezogen, sodass er fast im rechten Winkel nach oben stand, ganz
wenig nach aussen gespreizt. Er betrachtete amüsiert diese Schlafstellung,
und besah dann genauer den kurzen Schenkel, der vor ihm lag oder besser
gesagt stand. Es war ein kräftiges Stück Oberschenkel, das in dieser
aufrechten Position noch kürzer wirkte als sonst. Mitten auf der Kuppe
verlief die Narbe in leicht geschwungener Linie, ebenso wie die noch
sichtbaren Einstiche der Naht zu beiden Seiten in hellroter Farbe. Die Haut
auf der Narbe mache einen frischen Eindruck und schien irgendwie
durchsichtig zu sein. Fasziniert betrachtete er ihre Häärchen, die auf der
Vorderseite etwas kürzer waren als hinten. „Genauso wie am Bein“, dachte er
und schüttelte dann gleich über sich selbst den Kopf. „Ohnehin klar, muss
ja so sein, war doch früher ihr anderes“, sagte er leise zu sich. Er strich
mit der Hand kurz über den Frosch und richtete sich wieder auf. Zwei
schläfrige offene Augen sahen ihn verwundert an, Zsuzsa war aufgewacht.
„Guten Morgen“, murmelte sie schlaftrunken. „Mir ist kalt“, klagte sie.
„Guten Morgen, Schatz. Kein Wunder dass Du frierst, Du liegst ja im Freien.
Komm her, ich wärme Dich.“ Sie strahlte und kuschelte sich an ihn, ihren
Frosch an seinen Schenkel pressend. „Uh“, rief er. „Der ist ja ganz kalt.“
Er schüttelte sich und nahm den kurzen Schenkel in seine Hand, „der muss
dringend gewärmt werden.“
Sie lächelte und drückte sich noch fester an ihn. Mit geschlossenen Augen
genoss sie die hochkommende Wärme und die Hand auf dem Frosch. „Ich möchte
noch nicht aufstehen“, brummte sie dann.
„Musst Du auch nicht. Es ist erst knapp nach acht“, beruhigte er. Sie
seufzte, nickte zufrieden und tastete mit der Hand nach seinem Schwanz. Er
schloss auch die Augen und spürte sein Verlangen wachsen. „Hast Du schon
mitgekriegt, dass es draussen Sturm gibt?“, fragte er und wie zur
Bestätigung rüttelte draussen ein Windstoss wieder an den Fensterläden.
Sie blickte erschrocken zum Fenster. „Habe ich befürchtet“, knurrte sie
dann, „meine Phantomgefühle trügen nicht. Hoffentlich wird es hier nicht
auch noch Winter.“
„Kaum, das wäre ein Jahrhundertereignis. Doch Sturm und Regen sind um diese
Jahreszeit leicht möglich und unangenehm genug. Warten wir ab“,
beschwichtigte er dann. „Sind die Phantomprobleme noch da?“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind weg.“ Dann hob sie die Decke und sah
nach ihrem Frosch. „Dem geht es jetzt wieder gut, der hat es schön warm“,
schnurrte sie.
„Hast Du mitgekriegt, dass er abgedeckt vorhin eine Kerze gemacht hat?“
„Wie?“
„Bevor Du aufgewacht bist, stand er gerade nach oben.“
Sie sah Gregor verwundert an, legte sich auf den Rücken und hob ihren
Stumpf. „So?“, fragte sie.
„Nein, noch höher, im rechten Winkel und ein wenig nach aussen.“ Dann hatte
sie diese Position, hielt sie und dachte nach. Ist mir noch nie
aufgefallen, dass ich ihn so halte, ist aber nicht unangenehm.“
„Macht er das von selbst?“
„Ich weiss nicht“, überlegte sie nachdenklich. „Möglich ist vieles, da
weiss man nicht genau Bescheid. Es könnte vielleicht Zusammenhänge zu
früher geben, zur Gewohnheit etwa, im Bett oder beim bequem Machen auf der
Couch das rechte Bein stark angewinkelt aufzustellen, aber der Grund kann
auch ganz ein anderer sein.“
„Im rechten Winkel?“, fragte er zweifelnd.
„Nun ja, der Rest der Muskulatur des Beines ist oft überreagierend, da die
Hebel weitaus kürzer sind als früher. Den Frosch hebe ich deshalb auch viel
rascher als das Bein daneben, und wenn es gleich schnell aussieht, ist oft
der Trick dahinter, ihn an den linken Schenkel zu pressen.“ Sie blickte
wieder unter die Decke. „Ausserdem gefällt es ihm generell in der Beuge. Am
Anfang musste ich im Spital immer auf dem Bauch liegen, damit er dabei
durchgestreckt wurde. Um ihn ganz gerade neben dem Bein zu halten, muss ich
noch immer an daran denken, um es zu tun.“
„Wenn Du stehst, hältst Du ihn leicht nach vorne gebeugt.“
„Ja, das tut er von selbst.“
„Und wenn er zuckt?“
„Das habe ich auch nicht unter Kontrolle. Meist sind es Befehles des
Kopfes, die ich nicht wahrnehme, an das Bein, das nicht mehr da ist. Warte
mal.“ Sie schob die Decke hinunter, lehnte sich dann konzentriert mit
geschlossenen Augen zurück und dann zuckte der kurze Schenkel.
„Was hast Du gemacht?“, fragte er.
„Ich habe versucht, das rechte Bein über das linke zu schlagen, was ich
früher sehr gerne und oft getan habe.“ Sie seufzte mit einem Anflug von
Betrübtheit: „Diese Gewohnheit habe ich am Anfang sehr vermisst und ich
vermisse sie noch immer.“
„Eine Beinhaltung, die Frauen viel häufiger haben als unsereins“, ergänzte
Gregor, den noch immer das auf dem Bauch Liegen beschäftigte. „Du liegst
oft auf dem Bauch, kommt das vom Liegen im Spital?“, fragte er.
„Nein, ich bin immer schon gerne seitlich auf dem Bauch gelegen, mich mit
Ellbogen und zur Seite weg gespreiztem Bein abstützend. Ich musste mich
sogar erst daran gewöhnen, dass dies nach der Amputation anders war als
vorher. Der Frosch ist ja viel kürzer.“
„Ziemlich komplex, die Vorgänge des Andersseins, eigentlich viel mehr ein
Anderswerden“, meinte Gregor und deckte sie wieder zu.
Sie drückte sich wieder an ihn und begann, ihren Frosch langsam an seinen
Penis zu reiben. Er delektierte sich an der weichen Massage, bis die
Erregung in ihm hoch zu kochen begann. Dann begegneten sich ihre lustvollen
Blicke. „Komm“, flüsterte sie, „rutsche bitte ein bisschen hinunter.“ Sie
legte sich auf ihn, wobei sein Schwanz vor ihrem Mund und ihre Mitte vor
seinem zu liegen kam. Mit Zungen und Zähnen querten sie die Wollust und
liessen erst locker, als zuerst er und dann sie die Stromstösse hinter sich
hatten. Zsuzsa hüpfte ins Bad und als sie wiederkam, kletterte sie auf ihn.
Versonnen streichelte sie seine mässig behaarte Brust und knabberte dann an
seinen Kirschenkernen, Er ergriff die ihren und tat es ihr gleich. Bald kam
das Verlangen wieder. Er rollte mit ihr zur Seite und sie führte sein Glied
dorthin, wo es sich neuerdings am wohlsten fühlte. Sie genossen das
Verbundensein in der ungestörten Seitenlage, kamen in kreisenden
Beckenbewegungen völlig aus dem Häuschen und erlebten einen wundervollen
Höhepunkt. Dann lagen sie lange erschöpft nebeneinander.
Es war gegen elf, als sie aus den Federn krochen. „Wunderbar“, meinte er,
„da geht sich nach der Morgentoilette auch noch ein später Cappuccino aus,
ehe wir zu den Bertalani fahren.“ Sie duschten gemeinsam und werkelten dann
nebeneinander vor dem grossen Spiegel des Waschtisches.
„Einige Sachen, die ich gestern gekauft habe, lassen sich bestens zu einem
kleinen Schwarzen kombinieren“, sagte sie während sie ihre Zöpfchen flocht,
„die ziehe ich jetzt an.“ Als sie in die Unterwäsche schlüpfte, sah er sie
geniesserisch an. Sie bemerkte es und freute sich still darüber. Zum neuen
schwarzen Rock zog sie das gleichfarbige Top aus dem Coin an, darüber die
asymmetrisch geschnittene ärmellose Bluse.
„Sehr schick“, meinte er anerkennend und sah mit Wohlgefallen, dass sie
dazu neben schwarzer Bestrumpfung die neue schwarze Sandale wählte. Sie
verschob ihre Krücken auf die zum Schuh passende Länge und wechselte die
blauen Überzüge ihrer Krückengriffe gegen schwarze. Gregor warf sich auch
dezent in Schale, mit fliederfarbenem Hemd, schwarzer Hose, schwarzen
Schuhen, seinem schönen blauen Sakko und dazu eine Krawatte in dezentem
Weinrot.
Zsuzsa stand mit fragendem Blick vor ihm. „Elegant, sehr chic, voll
akzeptiert“, sagte er. „Dreh Dich mal um“, meinte sie mit prüfendem Blick
auf seine Kleidung und sagte dann: „Sehr schön, genehmigt.“
Sie verliessen das Hotel, und suchten eine Bar für den Morgenkaffee. Der
Wind fegte um ihre Ohren und es war spürbar kälter als am Vortag. Nach
einigem Suchen fanden sie eine Bar am Rande des Hauptplatzes, ganz in der
Nähe des Denkmals von Palladio. Als sie schliesslich ihren Cappuccino
schlürften, fragte er: “ Wie geht es Deinem blauen Fleck? Ich habe heute
gar nicht nachgesehen.“
„Er ist kleiner, heller und noch weniger druckempfindlich als gestern“,
meinte sie zufrieden.
„Na, bis Du heiratest, ist es sicher wieder gut“, entfuhr es ihm gut
gelaunt.
Sie grinste ihn an: „Sieh Dich vor“, sagte sie dann. Zsuzsa starrte
gedanklich abwesend auf die Reihe von Schnapsflaschen vor ihr und meinte
dann zärtlich: „Ich bin so froh, dass ich mit Dir über alles reden kann,
was meine Lage betrifft. Ich habe das Gefühl, Dich interessiert auch
wirklich, wie es mir geht. Das macht mich stärker.“ Und nach einer Pause:
„Meinst Du das, als Du gestern davon gesprochen hast, die Situation zu
teilen?“
„Auch. Ich habe das Gefühl, eine andere Welt betreten zu haben und habe
Lust, mich darin zurechtzufinden und in ihr zu verweilen. Ich merke, dass
sogar meine Sprache nicht ausreicht, komme mir manchmal in meinem Denken
blöd vor, muss mich an neue Worte gewöhnen und mit neuen Umgangsformen
zurechtkommen.“
„Du bist auch gut im Finden neuer Worte, verstärkte sie, „der Kleine, wie
er jetzt heisst, ist Dir beispielsweise sehr dankbar.“ Sie hatte ihn auf
dem Krückengriff liegen und fuchtelte grinsend vor ihm mit ihm herum. Beide
lachten.
„Was meinst Du mit neuen Umgangsformen?“
Gregor zögerte. „Ganz einfache Aspekte des Alltags, wie die Hilfe im Bad,
dann Schönes, was nur jemand wie Du tun kann, wie vorhin die wunderbare
Massage. Ich muss auch lernen, dass manches nicht möglich ist, wenn Du an
Krücken gehst, wie beispielsweise auf der Strasse Hand in Hand zu gehen.“
„Das lässt sich aber regeln“, meinte sie. „Es funktioniert zwar mit einer
Achselkrücke besser, aber es geht auch so. Ich zeige es Dir später.“
„Wieder ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit, offen mit dem Anderssein
umzugehen“, meinte er verblüfft, „Ich hätte Dich auch fragen können, ohne
gleich in meinen Annahmen schmorend anzunehmen, dass Händchen Halten beim
Spaziergang nicht möglich sei. Bin gespannt darauf.“ Dann zahlten sie ihre
Kaffees und machten sich auf den Rückweg zum Hotel.
Vor dem Denkmal von Palladio stand nun starr eine lebende Figur mit weiss
bemaltem Gesicht, grosser Kappe und hautengem goldfarbenem Overall. „Schau,
ein Clown“, meinte Zsuzsa.
„Das ist ein Pantomime“ korrigierte Gregor, „schade, dass wir keine Zeit
mehr haben, ich würde gerne ein wenig zusehen.“
„Was ist der Unterschied?“
„Pantomime sehe ich mehr als eine Methode der Darstellung der Wirklichkeit,
die viel mit Täuschung der Sinne zu tun hat, die Clownerie lebt von der
Authentizität der Figur.
„Ich habe beides probiert, die Unterschiede sind doch recht gross.“
„Wirklich? Davon musst Du mir später mehr erzählen.“
„Gerne.“ Dann beschleunigten sie ihren Schritt…
Als Gregor kurz innehielt und interessiert eine Auslage mit Kaffeemaschinen
betrachtete, schob sich rechts eine Hand in die seine. Zsuzsa stand
lächelnd neben ihm. Sie stützte sich auf die rechte Krücke, hielt die
andere in derselben Hand und sagte: „Gehen wir.“ Sie gingen weiter in
Richtung ‚Due Mori‘. Sie tat sich nicht leicht dabei, brauchte seine Hand
auch, um sich anzuhalten, aber sie gingen Hand in Hand. Gregor fühlte seine
tiefe Zuneigung zu ihr, blieb stehen, umarmte und küsste sie, ehe er sagte:
„Du bist die liebste Frau der Welt.“ Sie gluckste vor Freude und presste
sich an ihn.
Als sie weitergingen, meinte er: „Bin schon gespannt auf unsere Gastgeber.
Die leben ja auch in der neuen Welt, in der ich mich jetzt bewege.“
„Ich bin auch neugierig“, pflichtete sie mit geringeren Erwartungen bei.
Die meisten Amputierten, die sie kannte, gingen ihr nämlich gehörig auf den
Wecker. Sich fallen zu lassen, was viele taten, war nicht ihre Art. Aber
vielleicht war es in Italien anders.
An der Rezeption des Hotels war der Portier in ein Gespräch mit einem
sorgfältig gekleideten älteren Herrn vertieft, der eine Kappe in der Hand
trug. Der Portier deutete mit dem Kopf auf die beiden, worauf sich der
Unbekannte ihnen zuwandte und sie auf Deutsch begrüsste. „Ich heisse
Cesare, und werde Sie zu den Herrschaften bringen.“
Zsuzsa war verblüfft. Ohne Kappe hätte sie ihn gut und gern auch für ihren
Gastgeber halten können. Dann marschierten sie zum Auto, einem BMW der
Nobelklasse. Cesare half ihr fürsorglich beim Einsteigen und dann versank
sie neben Gregor im weichen Ledersitz des Fonds. „Na bum“, flüsterte er,
„heute wird es ganz edel.“ Zsuzsa musste grinsen. Seine Wiener Färbung der
deutschen Sprache gefiel ihr, und sie dachte vergnügt daran, dass sie durch
das Zusammensein mit ihm davon was abkriegen würde.
„Sie sprechen gut deutsch“, sagte Gregor zu Cesare und griff durch Zufall
dasselbe Thema auf, um den Small Talk in Gang zu bringen.
„Ich war als junger Mann zehn Jahre lang in Deutschland, um zu arbeiten, in
Aachen. Und woher sind Sie?“, fragte er zurück.
„Ich bin Österreicher, aus Wien, meine Freundin ist Slowakin, erläuterte
Gregor.
„Das wird den Comte sehr freuen, er liebt Österreich, Wien ganz besonders.
Die Herrschaften machen jedes Jahr Urlaub in Österreich, weil es dort im
Sommer kühler ist als in Italien. Auch in die Slowakei hat er
Verbindungen.“
Sie fuhren raus aus der Stadt und hinein in die Hügel, die südlich von ihr
lagen, Nach etwa zwanzig Minuten bog das Fahrzeug nach rechts in eine
Zufahrt ein, die von hohen Zypressen gesäumt wurde. Am Ende war ein grosses
Gittertor, das sich lautlos öffnete, als das Auto darauf zufuhr. Vor ihnen
lag eine Villa mit von grossen Säulen getragenem Vorbau.
„Der Architekt hat offenbar von Palladio gelernt“, vermerkte Gregor.
Cesare schüttelte den Kopf. „Der Architekt war Palladio, zumindest stammen
die Pläne für dieses Bauwerk von ihm.“ Dann stieg er aus und half Zsuzsa
beim Aussteigen, lief um das Heck des Wagens herum, um auch Gregor zu
assistieren. Der fand dies etwas übertrieben und lächelte etwas gequält,
als er „grazie“ sagte.
Sie schritten eine breite Stiege hinauf und betraten ein grosses Foyer. Ein
Mann kam mit freundlichem Gesicht auf sie zu. „Ich bin Comte Bertalani,
herzlich willkommen“, sagte er auf Deutsch und gab beiden die Hand. Gregor
stellte zuerst Zsuzsa und dann sich selbst vor. Der Comte blickte erfreut.
„Nun, das wird sicher eine interessante Konversation. Bitte kommen sie
weiter, meine Tochter ist schon sehr gespannt auf ihren Besuch.“
„Wir sind es auch“, erwiderte Zsuzsa und Gregor ergänzte charmant:
„Eigentlich ein blind date.“
„Könnte man sagen“, schmunzelte der Comte und ging dann voraus in den
Salon.
„Laura, die Gäste“, rief er. Eine junge Frau sass in einem grossen
Korbsessel und lächelte den Eintretenden zu. Sie hatte ein schönes, sehr
ausdrucksstarkes Gesicht mit einem Anflug von Traurigkeit, eine ausgeprägte
Nase und grosse Lippen. Die Augen waren bernsteinfarben mit grossen
Wimpern, ihr Haar war lang und dunkelbraun, hinten zusammengeknotet, was
ihr einen etwas strengen Eindruck verlieh.
Sie hatte ein sandfarbenes Kleid an, ihr rechtes Bein war weiss bestrumpft,
vom linken war nichts zu sehen. Gregor fand sie aussergewöhnlich schön und
ein fehlender Fuss war seit kurzem für ihn keine Neuigkeit mehr. Sie stand
auf, balancierte auf ihrem Bein und gab beiden die Hand. Zu Zsuzsa sagte
sie: „Ich freue mich sehr, dass Du gekommen bist, wir sind ja
Schicksalsgefährtinnen.“ Sie blickte an ihr hinab, sah die schwarze Sandale
und lächelte. „Ich sollte meine auch anziehen“, meinte sie dann.
Zsuzsa freute sich über die Begrüssung in Englisch, damit war klar, dass
sie auch ohne Übersetzungen mit Laura werde sprechen können. Sie
antwortete, dass sie die Einladung mit grosser Freude angenommen hätte und
gerne gekommen sei. Gregor schloss sich dem an.
Laura lud sie ein, sich zu setzen. Zsuzsa landete im zweiten grossen
Korbsessel, Gregor auf einem breiten Ledersofa, während Lauras Vater auf
einem gepolsterten Sessel Platz nahm. „Wie bei einer Besichtigungspause in
einem Museum“, dachte Gregor, als er sich umblickte. Überall hingen grosse
Bilder an den Wänden, in einer Ecke stand eine Skulptur mit einem
weiblichen Torso, ähnlich der Venus von Milo und wahrscheinlich auch echt.
Er meinte dann, dass hier alles wunderschön sei, der Park, die Villa und
dieser Raum.
Der Comte lächelte und sagte dann: „Das Werk vieler Generationen, ein alter
Familienbesitz.“
„Ich habe gehört, Palladio hatte hier seine Hände im Spiel.“
„Ja, der Entwurf stammt tatsächlich von ihm, leider starb er zu früh. Einer
seiner Schüler hat den Bau dann ausgeführt.“
„Der Kasten ist manchmal etwas mühsam“ warf Laura ein, „Die Leute bauten
damals mehr an der Fassade als an Nützlichem im Inneren. Was aber nicht
heisst, dass ich die Villa nicht mag.“
„Laura ist der jüngste Spross unserer Familie, unsere Zukunft.“ Gregor
spürte, dass der Comte ein wenig provozieren wollte.
„Eine etwas ramponierte Zukunft“, liess sie prompt verlauten.
„Was ist Dir zugestossen?“, fragte Zsuzsa mit Blick auf Lauras leere linke
untere Seite.
„Ein Unfall“, sagte sie.
„Meine Frau war eines Tages mit Laura nach Padua unterwegs, um Besorgungen
zu machen. Ein entgegenkommendes Lastauto streifte ihren Sportwagen, sie
kam ins Schleudern und raste gegen das Ende einer Leitschiene. Sie war
sofort tot und Laura, damals vierzehn, kam viele Monate später mit einem
Bein wieder nach Hause“, erzählte der Comte.
„Mir fehlt seither das ganze Bein bis zur Hüfte“, ergänzte sie und fragte
zu Zsuzsa gewandt: „Wie war es bei Dir?“
Zsuzsa erzählte von ihrem Unfall und ihrer Amputation auf Raten. „Das war
vor zwei Jahren“, schloss sie ihre Schilderung. „Bei mir werden es in Bälde
sieben Jahre her sein. Gehst Du immer ohne Prothese?“
Zsuzsa verneinte und berichtete über ihren Skiunfall. „Ich habe es laufen
lassen und die grosse Eisplatte vor der Liftstation übersehen. Dann bin ich
etwas unsanft geflogen“, grinste sie.
„Du gehst wieder Skilaufen? Du musst mir später erzählen, wie das geht.“
Laura wandte sich nun Gregor zu. „Habt ihr Euch schon vor dem Unfall
gekannt?“
Gregor lächelte und es war ihm eigenartig zumute, als er sagte: „Nein, wir
kennen und erst seit zwei Tagen.“ Dann erzählte er ihre Geschichte: die
Begegnung, die Suche nach dem Frühling und die neue Liebe. Zsuzsa hörte
vergnügt zu, ihre Gastgeber waren zuerst verblüfft und lauschten dann
sichtlich angeregt seinen Ausführungen. „Ich habe mich bis über beide Ohren
in dieses wunderbare Wesen verliebt“ schloss er.
Zsuzsa strahlte und warf ihm ein Küsschen zu, ehe sie sagte: „Zukunft ja,
ramponiert ist mir seit kurzem zu negativ. Mit Gregors Worten: es geht um
eine andere Zukunft.“ Sie sah ihn verliebt an. Er freute sich und er sah
auch das zufriedene Lächeln des Comte.
Laura mochte es nicht glauben. „Du liebst sie, wie sie ist? So wie ich
inkomplett?“
„Ganz sicher. Sie ist in ihrer Art unglaublich komplett, das habe ich schon
begriffen. Und ich lerne dauernd neue Seiten dieses Komplettseins der
besonderen Art kennen. Ich bin dankbar, das erleben zu dürfen.“
Zsuzsa sass da und war wieder einmal nahe am Heulen. Tapfer schluckte sie
ein Weile und fragte dann Laura: „Du fühlst Dich inkomplett, nicht wahr?“
Sie nickte, und fragte dann zurück: „Du nicht?“
Zsuzsa schüttelte den Kopf. „Das stimmt nur aus einem bestimmten
Blickwinkel.“ Sie erzählte dann über ihren Weg zum neuen Selbstbewusstsein
und die Unterstützung durch ihre Mutter. „Als ich dann am Arlberg diesen
lieben Typen da kennen lernte und sich der nicht abschrecken liess, als er
merkte wie es um mich steht, war das die Nagelprobe. Ich fürchtete mich
mehrmals unheimlich vor dem, was ich da tat, es bedurfte also einiger
Überwindung, dem zu folgen, was mein Kopf schon wollte. Aber Du siehst ja,
was dabei herausgekommen ist.“ Sie sprang auf, hüpfte zu Gregor, gab ihm
einen Kuss auf die Wange und kehrte dann zu ihrem Sessel zurück.
Laura sass nachdenklich da, während ihr Vater strahlte, aber still hielt.
Sie räusperte sich. „Tarnen und Täuschen, wie Du erzählt hast, gehen bei
mir nicht, ich halte keine Prothese aus, ich hatte auch einen Trümmerbruch
der Hüfte. Aber der Rückzug und das Verstecken sind mir sehr geläufig. Ich
schäme mich jedes Mal zu Tode, wenn ich in der Stadt zu tun habe.“
„Dabei bist Du eine wunderschöne Frau“, entgegnete Zsuzsa. Jetzt war Laura
am Heulen und fragte mit belegter Stimme: „Hältst Du Dich vor dem Spiegel
stehend aus?“
Zsuzsa nickte. „Ich bin anfangs davor gestanden und habe bloss geweint.
Aber dann habe ich mich solange hingestellt, bis ich angefangen habe, mir
wieder zu gefallen. Und seit vorgestern weiss ich, dass ich mir nichts
vorgemacht habe. Wie schon gesagt: Du musst Dir selber so gefallen, wie Du
bist, dann gefällst Du auch anderen.“
Laura sass eine Weile nachdenklich da, dann hellte sich ihre Miene deutlich
auf. „Ich bin froh, dass ihr gekommen seid. Jetzt weiss ich, was mir die
ganze Zeit gefehlt hat: ein Gespräch wie dieses.“ Und zu Gregor meinte sie:
„Hoffentlich gibt es mehrere Männer von Deiner Sorte.“
Der Comte gab sich nun einen Ruck. Ich glaube, wir sollten in den
Speisesaal gehen, ich höre Mägen knurren“, beendete er sichtlich angetan
die Debatte, die ganz in seinem Sinne verlaufen war. Er hatte schon oft
darüber nachgedacht, wie er seine Tochter aus ihrer Ecke herausholen könnte
und hatte insgeheim gehofft, eine solche Einladung könnte dabei helfen. Das
es aber so kommen würde, hätte er sich nicht träumen lassen.
Er ging voraus. „Bitte nach ihnen, meine Damen“, sagte Gregor zu den beiden
Frauen, die dann vor ihm her krückten. Auf dem dünnen Stoff von Lauras
Kleid zeigten sich ihre Umrisse deutlich ab. Sie war ziemlich grobknochig,
aber mit einer Topfigur und langem Bein. Sie war mindestens so gross wie
er, auf jedem Fall deutlich grösser als Zsuzsa. Ihr Gesäss war rechts sehr
einladend, die linke Backe wirkte allerdings sehr schmal. Ausserdem war ihm
vorher nicht verborgen geblieben, dass das Kleid vor einer beträchtlichen
Oberweite spannte. Sie spürte vielleicht seine Blicke, drehte sich um und
lächelte ihn an.
„Keine Sorge“ lächelte er zurück, „da findet sich bald einer, der sich
eine solche Chance nicht entgehen lässt. Vorausgesetzt, er kriegt sie.“
Sie strahlte und meinte zu Zsuzsa: „Ist er immer so charmant?“
Die dreht sich nun auch um, warf ihm einen ihrer lustvollen Blicke zu und
kicherte dann: „Ich weiss nur, dass er in den letzten beiden Tagen
umwerfend charmant war.“
Alle lachten und betraten den Speisesaal. Uralte Möbel, ein grosser Tisch
mit vier Gedecken aus edlem Porzellan und vier Sesseln standen in der
Mitte, wobei vermutlich auch zwölf Gedecke Platz gehabt hätten. An den
Seiten des Raumes zwei Anrichten, gegenüber dem Fenster ein grosses Ölbild
und darunter ein grosser Diwan. Gregor schloss daraus, dass der Comte es
wohl liebte, nach dem Essen ohne weite Wege gleich zu ruhen. Der aber
nannte ungefragt einen anderen Grund. Er blickte sich um und sagte: „Das
Sofa haben wir hereingestellt, damit meine Laura sich hinstrecken kann,
wenn ihr das Sitzen Schmerzen verursacht.“
Die Laune bei Tisch war bestens und Laura lebte sichtlich auf. Das Essen
trug dann dazu bei, die Stimmung noch weiter zu heben. Es gab zuerst
Artischocken mit Sardellen, dann Bandnudeln mit Ragout vom Feldhasen, eine
kleine Portion vom Stockfisch und dann Kalbsnierenbraten mit Erbsenreis.
Gregor wunderte sich über den Nierenbraten, ausgelöstes Kalbskarree,
gerollt mit der Niere darin, eine Speise, die er bisher nur dem Wiener Raum
zuordnen konnte. „Das ist ja wie zu Hause“ sagte plötzlich Zsuzsa und
machte so deutlich, dass man weiter östlich diese Köstlichkeit auch kannte.
Der Comte lächelte nur und schenkte Wien aus der Umgebung, den Colli
Euganei nach. Ein hervorragender Wein, ausserhalb Italiens noch wenig
bekannt.
Laura hatte viele Fragen an Zsuzsa, besonders auch, was deren sportliche
Ambitionen betraf. Diese schilderte gerne ihre Erlebnisse, nicht nur, was
das Skilaufen anbelangte, sondern auch bezüglich Schwimmen und
Sitzvolleyball, eine Sportart, bei der ein fehlendes Bein durchaus von
Vorteil sei, wie sie ausführte. Die Bertalanis reagierten mehrmals
verblüfft. Aber dann war auch Gregor platt, als sie erzählte, dass sie
gerne wieder Fussball spielen würde, es in der Slowakei im Krückenfussball
aber keine Frauenmannschaft gäbe.
„Was, diese Sportart gibt es?“, fragte der Comte ungläubig.
„Sicher, sogar mit Weltmeisterschaften.“
„Hast Du früher Fussball gespielt?“
„Ja, ich war sogar in der slowakischen Unter 21 Auswahl der Frauen. Im
linken Mittelfeld, weil mein linkes Bein für den Fussball begabter war und
ist. Das letzte Tor habe ich allerdings mit dem rechten Fuss erzielt.“ Der
Comte räusperte sich. Gregor fühlte auch eine verengte Kehle. Zsuzsa hatte
manchmal eine Art, die Dinge direkt anzusprechen, die wie eine Keule
wirkte.
Laura fand an der Geschichte grossen Gefallen. „Wie wäre es, wenn wir eine
Mannschaft gründeten? Ich bräuchte allerdings vorher noch mehrere
Operationen wegen meiner verdammten Hüfte, die hält das sonst nicht aus.“
Ihr Vater sah sie verdattert an. „Sie hat die Reihe der Operationen, die
ihre Hüfte stabilisieren sollten, vor Jahren abgebrochen, alles Zureden
half nichts“, erläuterte er.
„Eine tolle Idee“, meinte Zsuzsa, allerdings den Fussball meinend, „Italien
hat im Fussball einen grossen Ruf.“
„Im Krückenfussball auch?“, meinte der Comte weiter skeptisch.
„Weiss ich leider nicht, müsste nachschauen.“
„Ich kümmere mich um die Informationen“, bot Laura an, „das interessiert
mich jetzt.“
„Andernfalls müssen wir uns mit Sitzvolleyball zufrieden geben, das ist für
Amputierte wirklich ein toller Sport.“ Lauras Miene verdüsterte sich
kurzfristig. „An meinen Hüftoperationen führt offenbar kein Weg vorbei“
war ihr Resümee.
„Vielleicht brauchst Du nur ein Mieder“, schwächte Zsuzsa ab. „Und ein
gewisses Misstrauen gegenüber den Künsten der Medizin kann nie schaden.“
Laura antwortete mit freudigem Kopfnicken.
Dann kamen die Nachspeisen, zuerst ein Käse aus Asiago und dann eine
Sachertorte mit Schlag. Der Comte freute sich über die Komplimente seiner
Gäste für die Küche. Er sah insbesondere Zsuzsa gerne zu, wie sie mit viel
Appetit ihre Portionen verdrückte. Als Gregor vorsichtig zur Torte meinte,
sie erinnere ihn an eine Spezialität aus Wien, beschloss er, ein Geheimnis
zu lüften.
Er habe im ersten Telefonat bemerkt, dass er bei Gregor die typischen
Fehler, die Deutsche in der italienischen Sprache machen, vermisse. Er habe
daher im Hotel angerufen und herausgefunden, woher sie seien. Die Köchin
war glücklich, wieder einmal altösterreichische Speisen kochen zu dürfen,
denn Etelka, unsere Perle in der Küche, ist zwar schon fast achtzig Jahre
alt, aber noch immer höchst aktiv. „Kochen ist quasi ihr Leben.“
„Etelka?“ echote Zsuzsa, das klingt sehr ungarisch.“
„Ist es auch, Sie ist gebürtige Ungarin, die seit sechzig Jahren hier lebt.
Sie kam mit meiner Mutter aus Ungarn, als diese meinen Vater heiratete.
Meine Mutter war Ungarin.“
„Ich bin eigentlich auch eine“, liess Zsuzsa nachdenklich verlauten. Gregor
sah sie verdutzt an. „Das habe ich Dir noch gar nicht erzählt“, sagte sie
zu ihm gewandt. „Ich stamme aus der grossen ungarischen Minderheit in der
Slowakei, und meine Mutter kann bis heute nicht ihren ungarischen Akzent
verheimlichen.“
Der Comte feixte. „Dachte ich mir. Meine Mutter hiess auch Zsuzsa. Ich hole
jetzt mal unsere Küchenfee.“
Kurze Zeit später kam er mit einer alten, gebückt gehenden Frau zurück, die
neben ihm her trippelte. Sie begrüsste Zsuzsa gleich mit erstaunlich lauter
Stimme auf Ungarisch. Die zwei schwatzten daraufhin längere Zeit in dieser
Sprache und Gregor bewunderte seine Freundin, wie gut sie diese Sprache
beherrschte. Dann meinte Etelka, dass sie schon seit sieben Jahren, seit
dem Tod der alten Comtessa, Lauras Grossmutter, auf die Gelegenheit
gewartet hätte, mit jemandem in ihrer Muttersprache zu parlieren. Der Comte
sei zwar ein wundervoller Mensch, aber von Sprachen hätte er keine Ahnung.
Der protestierte lachend und zählte seine Fremdsprachen auf, doch sie blieb
dabei: Ungarisch, die Sprache seiner geliebten Mutter, könne er bis heute
nicht. „Aber jetzt muss ich Kaffee machen, ihr wollt sicher einen guten im
Glas“, meinte sie dann und trippelte wieder in Richtung Küche.
Zsuzsa und Laura unterhielten sich sehr angeregt, und zogen sich dann für
eine Weile in Lauras Gemächer zurück. Der Comte führt Gregor durch den
Palazzo und erläuterte die Kunstschätze, an denen sie vorbeikamen. Er
selbst hatte sich auf chinesische Kunst spezialisiert und Gregor
begeisterten die zahlreichen Tonfiguren und Gefässe, die er zu sehen bekam.
Dann nahm der Comte ihn zur Seite. „Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie
dankbar ich Ihnen und ihrer lieben Freundin für den heutigen Tag bin. Ich
hoffe jetzt auf die Wende bei meiner Tochter, sie würde sie nach all dem
Schmerz verdienen.“ Und dann: „Ich würde es sehr gerne sehen, wenn Sie
wiederkommen würden. Im Sommer beispielsweise, wenn es warm ist oder im
Herbst, wenn es neuen Wein und Trüffel gibt.“
Gregor bedankte sich gerührt und freudig für die Einladung und sagte zu,
dass sie gerne wiederkommen werden. „Im Hotel liegt für euch beide noch ein
kleines Präsent für heute bereit“, lächelte der Comte dann, „mehr verrate
ich jetzt nicht.“ Gregor bedankte sich im Voraus, und versprach, dies vor
Zsuzsa nicht zu erwähnen.
Dann trafen sie im Salon wieder zusammen, wo es nach Kaffee duftete und
auch eine Flasche Grappa mit Gläsern auf einem Tischchen angerichtet war.
Zsuzsa betrachtete die Flasche mit Distanz. „Lieber nicht, das letzte Mal
wäre danach beinahe fürchterlich gestürzt.“ Gregor liess sich hingegen die
Chance auf einen guten Kaffee mit Schnaps nicht entgehen.
„Laura hat eine Clownsammlung mit sehr schönen und uralten Utensilien, auch
Clownpuppen und eine Photosammlung, erzählte ihm Zsuzsa.
Gregor wurde hellhörig. „Magst Du Clowns?“, fragte er sie.
Sie strahlte. „Ja, wirklich gerne. Ich ziehe mich oft zurück, um mich mit
der Sammlung, mit der mein Grossvater begonnen hat, zu beschäftigen.
Möchtest Du sie sehen?“ Gregor nickte dann bat sie ihn nach oben, um ihm
ihre Schätze zu zeigen.
Zsuzsa und der Comte, blieben im Salon, an ihren Tassen mit dem Kaffee
nippend. „Ich bewundere Sie“, meinte der Comte, „ich habe ein Faible für
starke Frauen. Sie erinnern mich an meine Mutter, in der Statur, im
Ausdruck, in der Sprache.“
Zsuzsa wurde rot bis hinter die Ohren. „Danke“, stotterte sie, „ich fühle
mich geschmeichelt.“
Der Comte seufzte. „Genau diesen Satz verwendete sie auch oft. Sie war
übrigens aus dem ungarischen Teil der Slowakei.“
„Woher?“
„Aus Miklos, einem kleinen Ort südlich des heutigen Kosice.“
„Haben Sie noch Kontakte?“
„Wenige, es gibt noch Verwandte, die jetzt in Kosice leben, aber wir sehen
uns fast nie, nur zu grossen Geburtstagen und Begräbnissen.“ Nach einer
Weile wechselte er das Thema. „Mit Ihrem Freund haben Sie offenbar ein
grosses Los gezogen.“
Sie sah zu Boden. „Ich weiss es, und möchte ihn auch nie mehr auslassen.“
Der Comte schmunzelte. „Ich bin sicher, Ihnen wird dies gelingen.“ Zsuzsa
wurde wieder rot und lächelte verlegen.
Er blickte auf, weil Laura und Gregor wieder zurückkamen. „Wirklich eine
tolle Sammlung“, betonte dieser. „die wäre eine Ausstellung wert.“
„Mich beschäftigt Deine Frage, die Du oben gestellt hast: ob ich ein Clown
bin“, meinte Laura nachdenklich zu Gregor gewandt. „Sagen wir so: ich wäre
gerne einer.“
„Na, dann solltest Du eine Antwort herbeiführen und ein einschlägiges
Seminar besuchen“, empfahl er.
„Gibt es so was?“
„Ja, ich habe schon an etlichen Seminaren teilgenommen.“
„Was geschieht dort?“
„Du lernst, authentisch zu sein, also Laura pur, ohne Maske, ohne Panzer,
ohne Zutaten.“
„Dann wäre ich also ein amputierter Clown?“
Gregor grinste. „Das wäre einmal etwas Neues. Ein weiblicher Clown mit
einem Bein.“
„He, cool“, meinte sie.
„Was geschieht in so einem Seminar?“, fragte Zsuzsa, ihre Neugier nicht
mehr im Zaum haltend.
„Es gibt verschiedene Aufgaben, die einem helfen, die einfachen Aspekte des
individuellen Handelns zu bemerken, zu fühlen und zu gestalten. Es sind
zunächst die Selbstverständlichkeiten der Präsentation der Person, wie
Tempo, Rhythmus, Raum und Aura, die auf der Bühne ins Licht gerückt und
bearbeitet werden. Ein Beispiel. Wir haben aus verschiedensten Gründen die
Tendenz, unser Handeln zu beschleunigen. Wir agieren in der Regel viel zu
schnell und zu hektisch. Dadurch geht die Wirkung unserer Anwesenheit
verloren und wir verkaufen uns weit unter unserem Wert. Eine ganz einfache
Übung macht dies auf verblüffende Weise deutlich.“ Gregor stand auf. „Jeder
Auftritt hat drei Punkte: den Auftrittspunkt, an dem wir im Raum
erscheinen, den Aktionspunkt, an dem wir unsere Aufgabe erfüllen und den
Abgangspunkt, an dem wir uns verabschieden. Die angesprochene Übung zwingt
uns zunächst dazu, dieses Dreieck zu bemerken und ernst zu nehmen, was
vielen schon sehr schwer fällt. Dann wird man mit der Aufgabe, sich am
Aktionspunkt vorzustellen, also etwa zu sagen: ‚Ich bin Zsuzsa‘, vor dem
Trainer und den anderen Seiner Teilnehmenden ins Dreieck geschickt. Während
die jeweils agierenden der Meinung sind, sie hätten dabei ein angemessenes
Tempo, ist das Urteil des Publikums vernichtend: viel zu schnell. Erst wenn
man aufgefordert wird, so langsam zu agieren, dass man selbst den Eindruck
gewinnt, ‚dies sollte ich dem armen Publikum nicht antun‘, kommt in der
Regel von den Zusehenden das Feedback, dass nun endlich das Tempo halbwegs
gestimmt hätte. Das ist der Beginn der Erfahrung des Verlangsamens, das für
Clowns zum Credo ihrer Arbeit wird, aber auch für alle anderen Leute die
Basis gelungener Auftritte darstellt.“
„Das ist steil“, meinte Laura, von heftigem Nicken Zsuzsas begleitet, „Kaum
zu glauben, dass man da so neben dem Gleis steht.“
Und Zsuzsa ergänzte: „Ich finde, das wäre auch was für uns.“
Gregor feixte. „Und ob. Wenn Du auf der Bühne stehst, musst Du erst einmal
aushalten, dass Du so bist, wie Du bist. Die Zuschauer sind wie der
Spiegel, von dem ihr vor dem Mittagessen gesprochen habt. Gut ist man nur,
wenn man nicht durch das Dreieck stolpert, nicht die Punkte entlang hastet,
keinen Punkt auslässt und auch nicht davonrennt.“
Zsuzsa machte grosse Augen. „Das erinnert mich an meine Aktion mit dem
Umziehen im Zug.“ Gregor blickte sie überrascht an.
„Das stimmt, allerdings würde in einem solchen Seminar am Anfang niemand
von Dir erwarten, dass Du Dich mit dem nackten Frosch auf den
Auftrittspunkt stellst, wie Du es im Transalpin selbst von Dir verlangt
hast. Das wird erst viel später Thema, wenn die Arbeit an den Makeln
voranschreitet und die Mutproben diffiziler werden“, erläutert Gregor.
„Deine Aktion im Zug war gewaltig.“
„Ich habe dann am Schluss geglaubt, ich komme um vor Angst“, schauderte
Zsuzsa. Und zu ihm gewandt: „Du meinst es war zu viel auf einmal?“
Zuviel nicht, aber sehr viel“, befand er.
Was bedeuten Makel?“, fragte Laura.
„Ich glaube Du hast einen, der nicht zu übersehen ist“, lächelte Gregor.
„Das unterscheidet Dich von vielen anderen, deren Makel weniger offenkundig
oder weniger leicht zu identifizieren ist, die ihre auch leichter verbergen
können oder glauben, dies zu können. Jeder Mensch hat seine wirklichen oder
vermeintlichen Schattenseiten und die gängigen Umgangsformen in der
Gesellschaft legen nahe, diese zu verstecken und nur die so genannten
Sonnenseiten zu präsentieren. Clowns hingegen sind nur gut, wenn sie
imstande sind, sich ganz zu präsentieren. Entweder sie sind, wie sie sind
oder sie sind nicht gut. Davon können wir alle eine Menge lernen.“
„Das stimmt“, pflichtete Laura bei. „Die schönste und ganz stark berührende
Clownszene, die ich je gesehen habe, ist von dem Russen Oleg Popow. Er
versucht tolpatschig, einen Sonnenstrahl einzufangen, präsentiert dabei
alle Schwächen und zieht damit das Publikum in seinen Bann. Zum Heulen
schön.“ Dann stutzte sie. „Wie wäre es Laura,“ sagte sie zu sich selbst,
„wenn Du das einmal auf Dich anwenden würdest?“
„Ich glaube, wir brauchen so ein Seminar, wie kommen wir zu einem
solchen?“, fragte Zsuzsa, zu Gregor gewandt.
„Ich darf seit kurzem Basisseminare machen, wenn ihr wollt, spendiere ich
Euch eines“, bot er an. „Es sollten aber nicht weniger als sechs bis acht
Leute teilnehmen, sonst wird das Feedback mager.“
„Die werden wir finden, da bin ich sicher“, warf Laura ein.
„Und ich biete Euch an, das Seminar in Vicenza zu machen“, sagte der Comte,
„ihr könnt hier wohnen und ich organisiere das Theater.“
„Papa, Du bist toll“, schwärmte Laura. Auch Gregor und Zsuzsa strahlten.
„Abgemacht“. Als Zeitpunkt fassten sie Pfingsten ins Auge, um einerseits
genug Spielraum für die Organisation zu haben und andererseits nicht zuviel
Zeit verstreichen zu lassen.
**********
Dann schwatzten sie über vielerlei und kamen auf das Studium der beiden
Frauen und den Beruf Gregors zu sprechen. Laura studierte Psychologie in
Padua, wohnte aber auch die Woche über zu Hause bei ihrem Vater. Sie hatte
ein Auto, mit dem sie jeden Tag hin und her fuhr. Nachdem sie auch
ausführlich über Zsuzsas Studium und Gregors Arbeit gesprochen hatten,
kamen sie auch nochmals auf Themen des Andersseins zurück. Sie erheiterten
sich an skurrilen Episoden, ärgerten sich über diverse Ereignisse, bis der
Comte zum Schlusswort kam: „Das Anderssein fällt uns wie allen anderen
schwer. Es ist das nicht Normale, mit dem wir uns mehr beschäftigen
sollten, aber dem wir uns erst dann widerwillig nähern, wenn es uns selbst
oder unsere Angehörigen trifft. Aber die Konfrontation damit ist wichtig,
ich habe schmerzvoll gelernt, sie zu schätzen. Man wird stärker,
selbstbewusster und reifer, was ja wie bei mir auch im fortschreitenden
Alter nicht schaden kann.“ Er grinste viel sagend dabei und meinte
abschliessend, dass heute ein Tag sei, an dem er besonders viel gelernt
hätte. Die anderen nickten zustimmend.
Draussen prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben. „Du lieber Himmel,
jetzt ist das Sauwetter endgültig da“, murmelte Zsuzsa, „Ich habe es
gestern schon gespürt.“
„Ich auch“, pflichtete Laura bei, „Immer diese lästigen Phantomschmerzen.“
„Kannst Du laut sagen“, bestätigte Zsuzsa.
„Wenn es so regnet, können wir uns morgen den Besuch der Rotonda in die
Haare schmieren“, knurrte Gregor.
„Am besten, Cesare fährt mit Euch auf dem Weg in die Stadt dort vorbei,
dann könnt ihr wenigstens einen Blick darauf werfen“, schlug der Comte vor,
als sie sich zur Verabschiedung bereit machten. Sie tauschten noch ihre
Daten aus und begaben sich nach herzlichen Umarmungen zum Auto.
„Bis gleich“, rief Laura nach.
„Was hat sie?“, fragte Zsuzsa ihren Georg. „Sie tut so, als würden wir uns
heute nochmals treffen.“
„Ich weiss auch nicht, keine Ahnung.“
Cesare fuhr die beiden in die Stadt zurück. Es regnete weiterhin und der
Wind trieb die Blätter des vergangenen Herbstes vor sich her. Dann bog
Cesare von der Hauptstrasse ab, durchfuhr ein kleines Tal und dann rumpelte
der Wagen weiter auf eine Anhöhe hinauf, auf der eine grosse Villa thronte.
„Die Rotonda“, rief Gregor erfreut. Sie stiegen trotz des schlechten
Wetters kurz aus, Cesare hatte zwei Schirme mit, einen gab er Gregor, den
anderen hielt er über Zsuzsa, und führte sie in den Garten der Villa. Sie
umrundeten das grandiose Bauwerk, dessen Säulenfronten an antike Tempel
erinnerten und bestaunten es ausgiebig, nachdem sie in einen
windgeschützten Winkel eines Nebengebäudes geflüchtet waren. Dann gingen
sie zum Auto zurück.
„Jetzt auch hier“, murmelte Zsuzsa, pikiert durch die Heckscheibe den
wolkenverhangenen Himmel betrachtend. „Wind, Regen und Kälte sind genauso
ungemütlich wie ein Schneesturm“, heizte Gregor den Unmut an. Bald waren
sie beim Hotel angelangt und verabschiedeten sich von ihrem freundlichen
Fahrer.
Als sie das Hotel betraten, winkte sie der Mann an der Rezeption zu sich.
Er überreichte Zsuzsa ein Kuvert und sagte zu Gregor, dass dieses für sie
abgegeben worden sei. Zsuzsa klemmte die Krücke unter den Frosch, bekam die
Hand frei und riss das Kuvert auf. Darin waren zwei Theaterkarten und ein
Brief. Der Brief war auf Ungarisch und besagte laut Zsuzsas Übersetzung,
dass dies eine Einladung zum Arienabend im Teatro Olimpico sei. Der Comte
und Laura würden sich auf das Wiedersehen am Abend sehr freuen. Die Karten
lägen bei. Zsuzsa liess die Krücken fallen und warf sich Gregor um den
Hals. Der Mann an der Rezeption stand verlegen daneben und grinste.
Offenbar hatte er ihr Interesse an Karten für das Bartoli – Konzert beim
Fahrer oder beim Comte direkt deponiert und damit auf elegante Weise sein
Versprechen, sich um die Sache zu kümmern, eingelöst. Zsuzsa hüpfte um das
Pult der Rezeption herum und gab auch ihm einen Kuss. Er strahlte und
strahlte weiter, als Gregor einen Zwanziger über das Pult schob. Dann hob
Gregor die Krücken auf und reichte sie seiner Freundin. Sie liefen vergnügt
die Treppe hinauf und betraten ihr Zimmer.
Zsuzsa liess sich aufs Bett fallen und streckte ihm die Arme entgegen. Er
glitt auf sie und sie schmusten lange. Dann frohlockte sie: „Wir gehen ins
Konzert, wir sehen die Bartoli, ich bin völlig aus dem Häuschen.“
„Das wird sicher ein toller Abend“, bekräftigte Gregor. Beide standen
auf… „Da sieht man, was rauskommt, wenn ein ganz armes Mädchen für sein
einziges Beinchen einzelne übrig gebliebene Schuhe findet“, grinste er
dann.
„Ich glaube, Du möchtest zu Hause bleiben“, drohte sie mit gespielter
Entrüstung, ihre Sandale in der Hand schwingend.
Dann begannen sie mit den Vorbereitungen für den Abend. Zuerst duschten sie
gemeinsam, dann beobachtete er sie interessiert beim Schminken. „Gefällt es
Dir, wie ich mich anmale?“, fragte sie.
„Sehr gut sogar, Du schminkst Dich sehr dezent, das passt gut zu Dir.“
„Kommt das in den Clownseminaren auch vor?“
„Klar, Du sitzt stundenlang vor dem Spiegel und arbeitest an Deiner
Maske.“ Sie grinste keck. „Möchte Dich gerne in Deiner sehen.“
„Die ist nicht aufregend, Männer tun sich beim Schminken meist schwer.“
Dann begann er seine Haare zu föhnen, während sie sich ihren Nägeln
zuwandte. Sie waren mit grosser Sorgfalt bei der Sache und es dauerte eine
Weile, bis sie aus dem Bad kamen.
„Ich werde mein neues Kleid ausführen“, bestimmte Zsuzsa.
„Auch die Strapse?“ fragte Gregor.
Sie schüttelte den Kopf: „Leider nein, es ist zu kalt draussen. Ich möchte
mich nicht verkühlen.“
„Schade“, meinte er betrübt, „aber es ist so sicher richtig.“
Sie überlegte. „Meine dunkelblaue Strumpfhose, der neue Schlüpfer in
dunkelblauem Leder,… „
„Den neuen Body darunter“, schlug Gregor vor.
„Ja, das geht“, nickte sie und warf sich in die Schale.
Gregor war froh, dass er seinen anthrazitfarbenen Anzug im Koffer hatte. Er
hatte ihn oft dabei, um vor Überraschungen wie dieser in Bezug auf seine
Garderobe halbwegs gefeit zu sein. Er kombinierte ihn mit einem weissen
Hemd, das einen Hauch von Rosa aufwies, einer hellen roten Krawatte mit
dezentem Tröpfchenmuster sowie schwarzen Socken und Schuhen. Zsuzsa hüpfte
in der Unterwäsche ins Bad, das Kleid in der Hand. Als sie heraus kam, fand
Gregor zunächst keine Worte. Alles an ihr passte. Sie hatte das Haar nach
hinten gekämmt und an den Seiten mit zwei blauen Spangen befestigt. Ihre
Fingernägel waren blau lackiert und bildeten einen reizvollen Kontrast zu
den fingerlosen Handschuhen des Kleides. Dessen schwarze Farbe harmonierte
bestens mit dem Blau ihres Beines und ihres Schuhes. Dazu kam ihre schwarze
Wolljacke, die sie als Schutz gegen die Kälte noch darüber anziehen wollte.
Sie genoss seine Blicke und adaptierte ihre Krücken, damit sie zum flachen
Schlüpfer passen würden.
„Habe ich ein Glück, dass ich nicht zu Hause bleiben muss“, meinte er
bewundernd. Sie lächelte nur.
„Was machen wir jetzt bis zum Beginn des Konzertes, wir haben noch fast
zwei Stunden Zeit, ein Spaziergang kommt wohl nicht in Frage“, fragte sie.
„Am besten wir essen einen Happen im Restaurant gegenüber der Basilika, das
passt stilvoll zum Abend, ist nicht weit von hier und liegt auf dem Weg zum
Theater:“
„Gute Idee, wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht anpatzen“, meinte
sie besorgt.
Während sie aus dem Zimmer gingen, läutete das Telefon. Cesare war am
Apparat und bot an, sie wegen des Sauwetters knapp nach acht abzuholen und
zum Theater zu bringen. Gregor bedankte sich hocherfreut, bat ihn aber,
nicht zum Hotel, sondern zum Restaurant zu kommen. Er sagte zu und gab den
Rat, dort Pasta e Fagioli zu essen, die italienische Variante der
Bohnensuppe, die bei den herrschenden Temperaturen besonders bekömmlich
sei.
Dann verliessen sie das Hotel und eilten zum Restaurant. Gregor hatte an
der Rezeption einen Schirm ausgeliehen, andernfalls wären sie sicher nach
wenigen Metern schön durchnässt gewesen. Im Restaurant bestellten sie die
Suppe und dann Vitello tonnato, kalten Kalbsbraten mit Fischsauce. „Heute
haben wir den Kalbfleischtag, resümierte Gregor, aber das Vitello jetzt ist
ganz anders als der Nierenbraten zu Mittag und eine leichte Grundlage für
das Theater danach.
Zsuzsa fröstelte. „Am wärmsten wäre es jetzt im Bett“, schüttelte sie sich.
„Oder weiter im Süden“, antwortete er. Sie sah ihn lauernd an.
„Gregor“, fragte sie dann, „was führst Du im Schilde?“
Er schmunzelte: „Wir fahren weiter, so schnell geben wir uns nicht
geschlagen.“
Ihr fehlte jede Lust, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Und wohin?“
„Rom müsste reichen, ich werde aber auch noch den Comte um Rat fragen.“
Sie seufzte und ergriff seine Hand. „Wenn es so weitergeht, kriegst Du mich
nie wieder los.“
„Glaubst Du etwa, ich lasse Dich noch aus?“
Sie sah ihn mit grossen Augen an und schien nicht einmal zu merken, dass
die Bedienung die Suppe gebracht hatte. Sie drückte fest seine Hand.
„Komm, essen wir, ich werde nach dem Konzert im Hotel die Zugverbindungen
heraussuchen“, sagte er dann.
Ehe sie sich der Suppe zuwandte, drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange
und sah ihn vergnügt an: „Auf nach Rom.“
Das Essen passte tatsächlich gut zum Abend, ebenso der Prosecco, den sie
dazu tranken. Auf eine Nachspeise verzichteten sie. Gregor beglich die
Rechnung und sie begeben sich zum Ausgang, um dort auf Cesare zu warten.
Der kann pünktlich, und brachte sie die wenigen hundert Meter zum Theater.
Vor dem Gittertor hatte sich eine grosse Menschenmenge angesammelt, doch
Cesare lotste sie daran vorbei und brachte sie durch den Seiteneingang ins
Innere des Gebäudes. Sie gaben ihre Jacken bei der Garderobe ab und
strebten dem Theatersaal zu. Gregor kannte das Teatro Olimpico von früheren
Besichtigungen her, war voller Vorfreude und gespannt auf Zsuzsas Reaktion,
für die ja alles neu war.
An einer Bar vor dem Eingang zum Saal stand grinsend der Comte in einem
Smoking und winkte sie zu sich. Sie begrüssten einander, er wehrte den
überschwenglichen Dank der beiden ab und sagte: „Laura kommt gleich.“
„Habe ich doch gleich gewusst“, tönte es dann hinter ihnen, „wir sehen uns
heute noch einmal.“ Sie drehten sich um und vor ihnen stand Laura. Sie
umarmten sich stürmisch. Sie war ganz in Schwarz, mit langem Kleid,
gestricktem schwarzen Umhang und zierlichen schwarzen Achselkrücken.
„Du siehst umwerfend aus“ meinte Zsuzsa zu ihr.
„Meine Bewunderung, Comtessa“, sagte Gregor mit einer artigen Verbeugung.
Alle lachten, dann blieben Lauras Augen an Zsuzsas Kleid haften. „Wo hast
Du den das her?“ fragte sie mit aufkommender Begeisterung.
„Aus Vicenza“, antwortete Zsuzsa, „Gregors Geschenk für die erste Nacht.“
„Das sieht ja super aus, Wo kriegt man so was?“ Gregor beschrieb die Lage
der Boutique, in der sie das schöne Stück erstanden hatten und erzählte von
den Hintergründen des ungewöhnlichen Designs.
„Dort muss ich hin, das klingt spannend.“ Und zu ihm gewandt meinte sie
dann: „Geschenk für die erste Nacht? Finde ich cool, ich glaube, ich muss
mir auch einen Wiener suchen.“ Gekicher. Der Comte verfolgte das Gespräch
in sichtlich guter Laune. Er bestellte Champagner für alle vier und
erzählte dann: „Stellt Euch vor, meine Tochter hat mich vor dem Weggehen
gefragt, ob sie gut aussehe. Das hat sie seit sieben Jahren nicht mehr
getan.“
„Und Etelka hat lobend gesagt, jetzt würde doch noch eine Comtessa aus mir
werden“, grinste Laura. Alle lachten. Dann stiessen sie auf den Abend an.
„Was macht ihr eigentlich, fahrt ihr wegen des Schlechtwetters nach
Hause?“, fragte Laura. Zsuzsa stand vergnügt am Tresen, den Frosch auf die
Krücke gestützt und war nahe daran, mit ihm herumzufuchteln, dann besann
sie sich und spielte braves Mädchen, als sie stolz sagte: „Wir fahren
weiter nach Rom. Gregor hat übrigens vorher gesagt, er würde mich nicht
mehr loslassen.“
Der Comte schmunzelte und sagte zu Gregor: „Hätten Sie eine andere Chance
gehabt?“
Der feixte: „Ich glaube nicht.“
„Dachte ich mir.“ Wieder Gelächter, während sie ihn vergnügt in die Seite
puffte.
Gregor bemerkte, dass sie irgendwie der Mittelpunkt der Theatergesellschaft
waren, viele Blicke, viele Gespräche, von denen man annehmen konnte, dass
sie dem ungewöhnlichen Quartett galten, nirgendwo Ablehnung, viel eher
Interesse und Achtung.
Dann betraten sie den Theatersaal. Zsuzsa blieb wie angewurzelt stehen und
musterte ungläubig den Raum, der zu den berühmtesten Theatern der Welt
zählt. Die Bühne wurde von einer stabilen Konstruktion aus Holz geprägt,
die eine alte Stadt zeigt und deren Häuser mit Schnitzereien und mit
kunstvollen Bemalungen versehen sind. Raffiniert wurde mit der Perspektive
gespielt, es schien, als sei eine ganze Stadt auf der Bühne, dabei waren es
nach hinten nur wenige Meter. Vor der Bühne der Orchesterraum, in dem
bereits ein Kammerorchester Aufstellung genommen hatte und das
Zuschauerrund, steil ansteigend wie in einem antiken Theater und keine
Lehnen an den Sitzen. Zsuzsa war tief beeindruckt. Sie hatten Plätze in der
dritten Reihe, dort war die Sicht am besten und die Akustik optimal, wie
der Comte betonte. Dann fragte er Gregor, ob das Theater für das geplante
Seminar geeignet sei.
Gregor glaubte zuerst, er mache einen Scherz und lächelte nur, aber Laura
hakte nach: „Papa hat schon mit seinem Generalsekretär der Stiftung
gesprochen, der meinte, er hätte nichts dagegen, insbesondere, wenn seine
Tochter, die ihm Rollstuhl sitzt, auch daran teilnehmen dürfe.“ Und nach
einem Grinsen: „Das ist in Italien so, obwohl er keine Chance hätte, wenn
sein Präsident ablehnen würde. Aber ich glaube, es kommt auf Dich an, wer
dabei sein darf.“
Gregor glaubte zu träumen. Er als Leiter eines Clownseminars im Teatro
Olimpico, das warf ihn fast um. Er fasste sich aber rasch und meinte: „Das
Seminar hier wäre natürlich ein Hammer. Eine Rollstuhlfahrerin passt gut
dazu, wenn sie selbst und nicht nur ihr Vater es will. Grundsätzlich glaube
ich, dass eine gemischte Gruppe am besten wäre, mit Männern und Frauen,
Behinderten und Nichtbehinderten. Vielfalt tut da gut.“
Der Comte nickte. „So werde ich es Alfredo sagen“, schloss er.
Das Konzert war eine Augenweide und ein Ohrenschmaus. Zuerst Arien von
Scarlatti und Salieri, Zsuzsa erinnerte sich an ihre CD, aber hier war die
Musik noch viel eindrucksvoller. Danach folgten Werke von Mozart und
Rossini, wobei Gregor voll auf seine Rechnung kam. Er liebte die Kraft der
Opern Rossinis und die Bartoli brachte jene auch meisterhaft zum Ausdruck.
Sie war in bester Form und er legte den Groll ab, den er seit den Absagen
gegen sie hegte. Sie bekam stürmischen Applaus des Publikums, so dass nicht
weniger als acht Zugaben folgten.
Am Ende des Konzertes blieb Zsuzsa noch eine Weile still sitzen. „Das war
ein Erlebnis“, sagte sie begeistert und beide bedanken sich nochmals
nachdrücklich beim Comte für die grossartige Einladung.
Sie verliessen das Theater. Der Regen hatte nachgelassen, aber es war
weiter windig und kalt. Sie nahmen in einer Bar in der Nachbarschaft des
Olimpico noch gemeinsam einen Drink.
„Cesare hat sich schlau gemacht, in den nächsten Tagen bleibt es hier so,
Rom hat hingegen Frühling, jenseits des Apennin ist das Wetter wesentlich
besser“, berichtete der Comte.
Gregor ergänzte: „Ich erinnere mich an eine Osterreise nach Sizilien, da
war bis Bologna ein richtiges Sauwetter, nach dem Tunnel durch die Berge
war es dann Frü
„Nichts wie hin“, grinste Zsuzsa.
„Ich beneide Euch“, sagte Laura, „aber ich muss morgen wieder an die Uni.“
„Wir telefonieren“, sagte Zsuzsa und sie nickte bekräftigend. Dann
verabschiedeten sie sich, betonend, dass dieser Tag ein optimaler Einstand
für die neue Bekanntschaft gewesen sei, Der Comte sagte Gregor, dass er ihn
wegen des Seminars bald wieder kontaktieren werde.
Dann gingen er und Laura zum Auto, während Gregor und Zsuzsa die Strecke
zum Hotel zu Fuss zurücklegten. Beim Vorbeigehen holten sie im Restaurant
den Regenschirm ab, den sie im Hotel ausgeborgt, dann im Lokal vergessen
hatten, und der noch immer einsam im Schirmständer stand.
An der Rezeption liess sich Gregor das italienische Kursbuch aushändigen,
während Szuzsa schon die Treppe zum Zimmer hinauf schwang. Er fand eine
optimale Zugverbindung nach Rom über Padua, ab Vicenza um zehn Uhr, in
Padua Anschluss an einen superschnellen Eurostar, wie in Italien die
superschnellen Züge in Anlehnung an den Verkehr unter dem Ärmelkanal
genannt werden, direkt bis Roma Termini. „Also Zeit zum Packen in der
Früh“, stellt er zufrieden fest.
Er kündigte dem Mann an der Rezeption ihre Abreise an und bestellte einen
Weckruf für halb acht. Der Portier schlug vor, von der Rezeption aus
elektronische Bahntickets zu buchen, weil sonst die Gefahr bestünde, dass
der Eurostar morgens ausverkauft sei, wenn sie erst am nächsten Tag am
Bahnhof von Vicenza die Fahrkarten nehmen würden. Gesagt, getan. Buchung
und Platzreservierung klappten reibungslos, wobei Gregor auch gleich die
Rückfahrkarten von Rom nach Verona hinzunahm, allerdings ohne Reservierung.
„Das Warten vor italienischen Kartenschaltern dauert oft enervierend
lange“ meinte er dann, als er die Belege ordnete und zusammen faltete, „
da ist die elektronische Buchung eine grosse Hilfe.“ Der Portier nickte
wissend. Dann ging Gregor aufs Zimmer.
Zsuzsa stand im Bad, nur mehr mit Body und Strumpfhose bekleidet und
hantierte an der Armatur der Badewanne. „Ich möchte noch baden, machst Du
mit?“, rief sie. „Ja, Schatz.“
„Was ist mit der Zugverbindung?“, fragte sie neugierig. Er berichtete über
den Erfolg seiner Recherche und die Buchung, was sie sichtlich zufrieden
stellte. Sie war nun ganz nackt, während er mit dem Ausziehen begann.
Als die Wanne mit Wasser voll war, kletterte sie hinein. „Komm, das Bad ist
bereit“, sagte sie. Er unterbrach die Lektüre des Konzertprogramms, das sie
im Theater erstanden hatten, ging ins Bad und stieg auch in die Wanne.
„Das tut gut“, flüsterte er und sie nickte. Sie hob ihren Frosch.
„Bin ich froh, dass ich ihn habe, Laura hat keinen solchen wie ich, ihr
fehlt das Bein bis zur Hüfte.“
„War das der Grund Eures Verschwindens?“
„Nicht der einzige“ feixte sie. „Aber es stimmt, uns hat die Neugier
geplagt.“ Und weiter grinsend: „Mein Frosch hat ihr gefallen.“
„Hör auf, ich werde sonst eifersüchtig“, meinte er im Scherz.
Sie erschrak. „Nein, bitte nicht.“ Er lächelte und streichelte ihren langen
Schenkel. Sie schloss die Augen. „Ich möchte treu sein“, murmelte sie dann.
Er wunderte sich ein wenig über diese Reaktion, während sie ihn liebevoll
anblickte und sein Streicheln erste Wirkungen zeigte. Er richtete sich auf
und legte sich auf sie. Sie empfing ihn mit der weitesten Spreize ihrer
Schenkel, die in der Wanne möglich war. Sie schmusten und dann half sie
seinem erigierten Penis in die Scheide, eine Handlung, die allein ihn jedes
Mal verrückt machte, weil er noch nie bei einer Frau ein so eindeutiges
Zeichen ihres Willens erlebt hatte.
„Ich liebe Dich“, flüsterte er.
„Oh Gregor“, keuchte sie, „ich will Dir gehören.“ Dann erlebten sie ihren
ersten Höhepunkt unter Wasser, und was für einen. Zsuzsa begleitet ihn
lautstark und auch er sparte wieder nicht mit Tönen.
Er lag lange auf ihr, ehe sie die Wanne verliessen und das Abtrocknen
zelebrierten. Nach der Körperpflege hüpfte sie voraus zum Bett. Als er
nachkam, zog sie ihn zu sich und begann, wieder heftig zu schmusen.
„Laura gefällt Dir auch, nicht wahr?“, fragte sie dann.
Er nickte. „Klar, sie ist eine sehr schöne und kluge Frau.“
Er blickte sie an. „Aber es gibt viele schöne und auch viele kluge Frauen,
doch nur eine Zsuzsa.“
Sie gluckste und drückte ihn heftig an sich. Sie schmusten weiter und er
beschloss, sie wegen der Reaktion von vorhin zu befragen. Sie streichelte
ihn nachdenklich.
„Es gibt neben dem Unfall einen zweiten gravierenden Einschnitt in meinem
Leben, und der war, als mein Vater davonlief. Ich war noch ziemlich klein
und mich hat das furchtbar getroffen. Auslöser war meine Mutter mit ihren
Verhältnissen zu Frauen, die er auf Dauer nicht ausgehalten hatte. Ich
hatte beide sehr lieb, fühlte mich von beiden, vor allem aber von ihr
betrogen und war ein unglückliches kleines Mädchen, das sich schwor, es
später anders zu machen. Ähnliche Horrorgefühle hatte ich in meinem Leben
nur mehr nach dem Unfall.“
„Beide Male ein grosser Verlust“, murmelte Gregor. „Deshalb war ich auch so
glücklich, als Du sagtest, Du magst keine Gelegenheiten“, ergänzte sie.
Er drückte sich an sich und sagte leise. „Gut, dass ich das jetzt weiss.
Ich komme nämlich von der anderen Seite. Mein Vater war stets so lieb zu
meiner Mutter, dass ich den Wunsch habe, zu meiner Frau auch so zu sein.“
Sie genoss mit geschlossenen Augen, was er gesagt hatte, nicht zuletzt die
Worte: ‚meine Frau‘ und würgte an den Tränen. Eine Weile kosten sie sich,
wobei er sich in ihre Brüste vertiefte und sie in seine Schenkel.
Schliesslich spürte er die sich ihm ausbreitende Müdigkeit und merkte kaum,
dass er einschlief. Sie lag noch einige Minuten ihn glücklich streichelnd
wach, drehte dann das Licht ab und schlitterte auch in den Schlaf.
4. Tag
Am nächsten Morgen war Zsuzsa früh wach, wie immer, wenn eine Reise
bevorstand. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es knapp nach sieben war.
Sie seufzte, und dachte ans Packen. Sie ging in Gedanken alle Prozeduren
durch und kam zum Schluss, dass der Rucksack, wie von Gregor prophezeit,
als drittes Gepäckstück unumgänglich war. Sie dachte zufrieden an die
Einkäufe, freute sich über ihre neuen Sachen und über Gregor, der ihr die
schönen Kleidungsstücke und die Schuhe geschenkt hatte. Sie blickte zu ihm.
Er lag von ihr abgewendet auf der Seite und schlief noch. Sie hob die Decke
und besah sein ihr zugewendetes Hinterteil. Der Anblick seiner Backen
stimulierte sie und sie begann, unter der Decke in die Backen hinein zu
beissen. Er brummelte und machte keine Anstalten aufzuwachen. Sie drückte
sich an seinen Rücken, streichelte zuerst seinen rechten Schenkel, schob
dann ihre Hand zwischen seine Beine hinein und begann, seine Bällchen zu
kraulen. Er wachte auf. „Hallo Schatz“, flüsterte sie über seine Schulter
gebeugt, „sollten wir nicht aufstehen?“
„Wie spät ist es?“, fragte er erschrocken.
„Viertel acht.“
Er schien erleichtert. „Der Weckruf ist für halb acht bestellt, Kein Grund
zur Besorgnis.“ Er küsste sie, was sie veranlasste, seinen Mund nicht mehr
loszulassen und ein wildes Geschmuse zu beginnen. Dann glitt sie auf ihn,
holte sachte seinen erigierten Penis, leckte dabei genüsslich mit der Zunge
über ihre Lippen und begann ihren Morgenritt.
Gregor war glücklich. Er hatte es immer schon gemocht, wenn seine Partnerin
Initiativen ergriff, aber gleichzeitig in einem solchen Fall oft innerlich
eine gewisse Abwehr verspürt. Doch Zsuzsa tat es mit soviel Zärtlichkeit
und Zuneigung, dass er viel mehr aufwachte, das Gefühl hatte, besser zu
können und schon dabei war, sich gerne an eine grössere Wucht seiner
Eruptionen zu gewöhnen. Sie war nach einiger Zeit so aus dem Häuschen, dass
sie nicht warten konnte. Lautstark nach Luft ringend kam sie und brach auf
ihm zusammen, während er dann seinen Erguss genoss.
Eine Weile lagen sie still aufeinander, dann richtete sie sich auf, blickte
ihn verliebt an, legte sich wieder auf ihn und murmelte: „Du bist mir einen
Fleck schuldig.“ Er nahm ihre Hüften, drückte sie auf sich, während er
geniesserisch an ihrem Hals saugte und sie bald wieder in Fahrt kam. Als er
losliess, begann sie ihrerseits an seinem Hals zu knabbern, dabei immer
heftiger werdend und den Frosch an seiner Hüfte reibend. Er drang wieder in
sie ein, sie badeten in der Wonne und kamen noch einmal. „Gregor“,
schluchzte sie und wiederholte mehrmals seinen Namen.
Es dauerte eine Weile, bis sie bereit waren aufzustehen. Das Telefon
klingelte und der Portier fragte, ob sie den Weckruf gehört hätten. Gehört
hatten sie ihn, aber es war ihnen auf ihrer Bettreise ins Glück nicht in
den Sinn gekommen, den Hörer abzuheben. Gregor bedankte sich über den Anruf
und log, als er sagte, sie seine schon im Bad gewesen.
Zsuzsa grinste. „Glaubst Du, der hat Dich nicht gehört?“
„Also wenn hier jemand zu hören ist, dann bist das Du.“
„Stimmt nicht, Du wirst immer lauter“, beharrte sie.
Er gab nach und flüsterte: „Kein Wunder, Du bist unglaublich. Das beginnt
schon damit, wie Du Dir meinen Schwanz holst, dann die Tiefe Deiner Muschel
sowie Deine Art zu kreisen und im Glück zu landen. Ich liebe Dich!“ Sie
sass still vor ihm und sah ihn mit feuchten Augen an, sprachlos vor
Zuneigung.
Sie standen auf, duschten kurz und machten sich ans Packen, nicht ohne im
Spiegel des Waschtisches ihre neuen Knutschflecke begutachtet zu haben.
„Der hält sicher bis Rom“, grinste sie zufrieden, hüpfte ins Zimmer und
holte zuerst ihren Rucksack aus der Reisetasche.
Gregor kam nun auch aus dem Bad, wobei sein Blick auf den grossen
Bluterguss an ihrer Hüfte fiel. „Der wir wirklich besser, deutlich heller“,
kommentierte er.
Sie richtete sich auf, besah ebenfalls den Fleck und blickte dann sichtlich
angetan: „Er geht wirklich zurück, hättest Du es nicht angesprochen, hätte
ich glatt vergessen, die Salbe aufzutragen.“ Sie hüpfte nochmals in Bad.
Dann läutete Gregors Handy. Eine italienische Nummer schien am Display auf
und er nahm den Anruf an. Es war Laura, die schon in Padua war und von der
Uni anrief. „Ich wünsche Euch eine schöne Reise, kommt gut nach Rom“, sagte
sie.
„Ich wünsche Dir auch was Schönes“, antwortete er, „Warte mal, da ist
Zsuzsa.“
Sie kam aus dem Bad gehüpft und übernahm das Gespräch. Nach der Begrüssung
hörte sie ein Weile zu und sagte schliesslich: „Mach das unbedingt, dann
siehst Du ja, ob es läuft. Zum Orthopäden kannst Du ja auch später gehen.“
Dann verabschiedete sie sich überschwänglich und gab Gregor das Handy
zurück.
„Sie war heute Nacht noch im Internet, und hat wegen des Krückenfussballs
nachgeschaut. Frauenmannschaften gibt es weder in der Slowakei noch in
Italien, höchstens dass vielleicht irgendwo eine Frau bei den Männern
mitspielt. Es gibt aber auch in Italien etliche Sitzvolleyballklubs, einen
davon in Padua, der gerade eine Frauenmannschaft aufbaut. Dort hat sie
vorhin angerufen und wurde gleich eingeladen, heute Nachmittag beim
Training vorbeizuschauen.“
„Das geht ja flott“, meinte Gregor anerkennend. Zsuzsa nickte. „Sie hat nur
einen Schubs gebraucht, um aktiv zu werden.“
Dann konzentrieren sie sich aufs Anziehen und aufs Fertigpacken. „Ich gebe
meinen Schmutzwäschesack in den Rucksack. Willst Du Deinen auch dazutun?“,
fragte sie.
Er nickte: „Wäre nicht schlecht, mein Koffer quillt bald über.“
Sie verstaute auch ihre neuen Schuhe im Sack. „Zwei Paare und vier
Einzelstücke, eine tolle Ausbeute“, meinte sie zufrieden. Die Stiefelette
liess sie draussen. „Die ziehe ich heute an“, beschloss sie.
Dann warfen sie sich in die Reisekluft. Bei Zsuzsa kam wieder der Jeansrock
zu Ehren, diesmal mit der grauen Strumpfhose und einer gelben Bluse aus dem
Fundus ihrer Reisetasche. Gregor hatte nicht ungern gesehen, dass sie
darunter ein Höschen und einen Büstenhalter von jenen Dessous trug, die er
ihr am Samstag im Coin gekauft hatte. Dann schlüpfte sie in die Stiefelette
und adaptierte die Länge der Krücken. Er zog seine blaue Jeanshose und ein
zart kariertes Hemd, Marke Hilfiger an, das er sehr mochte. Dazu bequeme
Halbschuhe und einen dunkelblauen Pullover. Selbstredend hatte er auch
einen Slip aus der neuen Serie vom Samstag an.
Zsuzsa befestigte, auf der Bettkante sitzend, ihre Haare mit einem Haarband
zu einem Schweif, während er nur mit den Fingern durch seine Haare fuhr, um
ihnen Façon zu geben. Sie kontrollierten, ob sie alles gepackt hatten, und
Gregor entdeckte, dass er beinahe das Programm zum Arienabend vom Vortag
auf dem Nachttischchen vergessen hätte. Zsuzsa schob es in eine
Seitentasche ihres Rucksacks und dann half er ihr, diesen umzuhängen.
„Ich schlage vor, ich kümmere mich zuerst um die Hotelrechnung, dann fahren
wir gleich mit dem Taxi zum Bahnhof und nehmen erst dort in der Bar unseren
morgens üblichen Cappuccino“, verlautete er. Sie war einverstanden.
Der Portier grinste, als er sie sah und meinte, er hätte gefürchtet, sie
würden den Zug versäumen. Gregor merkte die Botschaft, und musste über
diese Anzüglichkeit schmunzeln. Er beglich die Rechnung und bat, ein Taxi
zu bestellen.
Nach freundlicher Verabschiedung half der Portier, ihr Gepäck im Kofferraum
des Taxis zu verstauen, und war Zsuzsa beim Einsteigen behilflich. Es goss
in Strömen und war wie am Vorabend ungemütlich kalt. Auf dem Weg zum
Bahnhof kuschelte sie sich an ihn und blickte auf das verregnete Vicenza
hinaus. „Es war wunderschön hier, ich gehe ungern weg, aber ich weiss, dass
wir wiederkommen.“ Und nach einer Pause. „Jetzt freue ich mich auf Rom.“ Er
nickte. „Ich auch“, sagte er und küsste sie auf die Wange.
Auf dem Bahnhof war reges Leben und vor den Fahrkartenschaltern standen
lange Reihen wartender Reisender. „Ein Glück, dass wir schon unsere
Fahrkarten haben, lass uns gleich zur Bar gehen.“ Sie frühstückten und
entschlossen sich, einen früheren Zug als geplant nach Padua zu nehmen, um
mehr Zeit für das Umsteigen zu haben.
Sie gingen auf den Abfahrtsbahnsteig, auf dem der Zug schon bereit stand.
Beim Einsteigen glitt Zsuzsa ab, stiess einen leisen Schrei aus, und verzog
das Gesicht, als sie mit ihrem Knie gegen eine Stiegenkante stiess. Gregor
war gleich zur Stelle, hielt sie fest und half ihr dann den steilen
Einstieg hinauf.
Im Abteil untersuchte sie das Knie. Unter der Strumpfhose zeigt sich eine
kleine blutige Schramme, die Hose hatte ein kleines Loch, unter dem eine
Laufmasche ihren Weg suchte. Zsuzsa war sauer. „Schade um die Strumpfhose“,
tadelte sie. „Am besten, ich ziehe mich gleich um“, knurrte sie, als der
Zug sich in Bewegung setzte. Gregor half ihr, eine andere Strumpfhose in
der Reisetasche zu suchen und sie ging zur Toilette. Als sie wiederkam,
hatte sie nun eine hautfarbene Strumpfhose an, unter der man sah, dass sie
ein kleines Pflaster auf das Knie geklebt hatte. Das leere rechte Bein der
Hose baumelte herunter.
Gregor räusperte sich. „Die hast einen Toilettefehler“, sagte er leise.
Sie sah an sich hinab und musste grinsen. „Das passiert mir immer wieder“,
meinte sie, als sie das Hosenbein verstohlen in den Bund steckte. Sie besah
ihr verbliebenes Bein und wurde durch das dünnere und durchsichtigere
Material der neuen Strumpfhose auf die Häärchen aufmerksam. Sie meinte zu
Gregor: „Ich muss mein Bein und auch den Frosch dringend von den Haaren
befreien, borgst Du mir in Rom Dein Rasierzeug?“
„Untersteh Dich“, grollte er, „ich will, dass Dein Flaum bleibt, der macht
mich ungemein an.“
Sie sah ihn zunächst ziemlich ungläubig, dann sehr belustigt an. „Was habe
ich denn mir da geangelt!“, kicherte sie. „Einen Dracula, der auf ein armes
Mädchen mit einem einzigen Beinchen steht, das noch dazu behaart sein
muss.“
„Autsch“, rief sie dann, denn jetzt war er an der Reihe, sie mit dem
Ellbogen in die Seite zu puffen. „Und bereits am vierten Tag verprügelt er
mich“, stichelte sie lachend weiter. Sie gab ihm einen lieben Kuss. „Na
gut, wenn es sein muss: die Haare bleiben. Und nichts lieber als das. Denn
das Haarentfernen ist eine zeitraubende und keineswegs angenehme Prozedur,
auf die ich gerne verzichten kann.“
„Ausserdem ist für mich Dein anziehender Flaum auf der Haut keine
Behaarung“, ergänzte er zufrieden.
Draussen zogen schon die ersten Vororte von Padua vorbei, und sie
bereiteten sich auf das Umsteigen vor. Diesmal waren sie vorsichtiger. Als
der Zug hielt, stieg zuerst er aus und hob das Gepäck auf den Bahnsteig
hinunter. Dann half er ihr beim Aussteigen. „Dieser Einstieg ist ja
kriminell, wie eine Hühnerleiter“, ärgerte er sich.
Dann gingen sie durch die Unterführung zum anderen Bahnsteig, auf dem der
Eurostar nach Rom angekündigt war. Gregor suchte auf der Tafel mit den
Zusammenstellungen der Züge, wo der Wagen mit ihren reservierten Plätzen
halten sollte. Auch hier war ungemein viel Betrieb und an Bahnsteig
herrschte dichtes Gedränge. Sie begaben sich zur wahrscheinlichen Haltezone
ihres Waggons und beobachteten interessiert das hektische Treiben um sie
herum. Wie üblich erregte Zsuzsa beträchtliche Aufmerksamkeit, und sie nahm
viele neugierige Blicke wahr. Nicht, dass ihr diese nun egal gewesen wären,
aber neben Gregor fühlte sie sich trotzdem wohl, so als wäre die
Zweisamkeit mit ihm ein Schutzschild gegen das Gaffen.
„Tut das Knie noch weh?“, fragte er plötzlich besorgt.
Sie schüttelte den Kopf: „Nur ein kleiner Kratzer. Ich hatte zum Glück ein
Pflaster in meiner Tasche.“ Sie blickte an sich hinab. „Trotz des Ungemachs
von vorhin fühle ich mich mit den Krücken sehr wohl. Die Pause beim Tragen
der Prothese tut sicher gut.“
„Nun ja, die Kalamität beim Einsteigen in Vicenza könnte Menschen mit zwei
Beinen genauso passieren“, ergänzte Gregor.
„Ganz sicher, es liegt aber nahe, zu meinen, dass es geschehen sei, weil
mir das Bein fehlt“, pflichtete sie bei.
„Davon spricht Goffman auch“, nickte Gregor. „Bei Leuten, die einen
körperlichen Makel haben, wird gleich immer angenommen, dass dieser die
Ursache sei, wenn ein Missgeschick passiert.“
Er sah ihr zu, wie sie den Frosch auf den Krückengriff legte. „Und die
Prothese geht Dir wirklich nicht ab?“, fragte er.
„Wie gesagt: ich bin froh über die Pause“, bekräftigte sie. „Ich werde
wendiger, mutiger und sicherer. Natürlich macht eine Prothese Sinn, möchte
ich auch nie auf das Tragen eines Kunstbeines verzichten und bin froh, dass
ich nicht so dran bin wie Laura. Wenn ich es mir irgendwann leisten kann,
hätte ich gerne auch eine bessere Prothese. Aber dauernd nur mit einer
solchen herumzulaufen, wie ich es eine Zeitlang getan habe, will ich nicht
mehr.“
Der einfahrende Eurostar veranlasste sie, ihr Gespräch abzubrechen. Sie
fanden bald ihren Waggon. Diesmal fiel das Einsteigen deutlich leichter und
sie bezogen ihre Plätze in einem Grossraumwagen, in dem die Plätze wie in
einem Flugzeug angeordnet waren. Als der Zug sanft aus dem Bahnhof rollte,
blickten sie auf die Häuserzeilen der Stadt. Sie meinte: „Irgendwo da
drinnen ist jetzt Laura:“
„Du magst Sie, nicht wahr?“
Zsuzsa nickte: „Sie ist ein wenig scheu und lebt zurückgezogen, ist aber zu
mir sehr offen und herzlich. Ich verstehe mich gut mit ihr.“
„Hast Du zu Hause auch Schicksalsgefährtinnen, wie Laura Euch nannte?“
„Ja natürlich, aber wenig Kontakte und nur eine Freundschaft, die zu Agata,
die ich nach der zweiten Operation in der Klinik kennen lernte und die nach
einem Unfall nur einen Arm hat. Sie lebt in Bratislava, dadurch sehen wir
uns selten, telefonieren aber des Öfteren. Am Anfang war ich generell zu
anderen Amputierten kontaktfreudiger, habe auch etliche in der
Rehabilitationsklinik kennen gelernt, aber viel mehr als Depression war da
meist nicht; und um meine Taschentücher zu verschneutzen, brauche ich keine
Kontakte. Gestern war es anders.“
Sie dachte eine Weile nach. „Was sagst Du übrigens zu den Achselkrücken,
die Laura am Abend trug?“
„Sie waren sehr zierlich und aus einem edlen Holz, das merkte man ihnen
an.“
„Rosenholz“, nickte Zsuzsa, „schwer zu bekommen. Ich werde sie bei nächster
Gelegenheit fragen, woher sie die hat, solche hätte ich auch gerne.“
„Hast Du einen Krückennotstand?“ grinste er.
„Nun, viele habe ich wirklich nicht. Neben denen, die ich jetzt dabei habe,
ein zweites Paar Unterarmkrücken als Reserve, so richtig hässliche, Marke
Krankenkasse. Dann die Superkrücken fürs Skifahren, die sind aus der
Schweiz. Und schliesslich ein Paar Achselkrücken, auch alles andere als
schön. Die sehen aus wie ein aufgestelltes Paddel, gross und schwer.“
„Können Krücken überhaupt schön sein?“ zweifelte Gregor.
Sie grinste. „Aus meiner Warte schon. Die hier sind zierlich, die schwarze
Farbe passt zu vielen Kleidungsstücken und ich fühle mich auch mit ihnen
wohl. Bei den Krücken, die Laura gestern ausgeführt hat, stelle ich mir das
ähnlich vor. Zusätzlich hätte ich gerne Unterarmkrücken mit beweglicher
Spange, die den Unterarm fast ganz umschliesst. Die Krücken baumeln dann an
den Armen, während Du die Hände frei hast; solche sind insbesondere in
Amerika gebräuchlich. Aber schöne Achselkrücken brache ich ganz dringend,
zumindest eine solche Krücke, um mit meinem Liebsten locker Hand in Hand
spazieren gehen zu können“, meinte sie anzüglich lächelnd und drückte sich
an ihn.
Gregor lächelte auch. „Gibt es neben Krücken und Prothesen noch etwas, was
Du als Gehhilfe verwenden kannst?“
„Ja, das gute alte Holzbein, auch Stelzfuss genannt, wie es die Piraten
hatten.“ Ihr Gesicht wurde ganz heiter. „Ich habe so einen Fuss. Vor
einigen Monaten war ich in Presov auf dem jährlichen grossen Flohmarkt, da
verkaufte einer, er war sicher Roma, ein solches Stück. Alt, aber bestens
erhalten und blitzsauber. Es sah aus, als hätte es jemand gehört, der es
nie getragen hat. Ich bin sicher, es war eine Frau gewesen. Das Stelzbein
hat einen Korb für den Stumpf, aussen mit Lederriemchen zum Festzurren,
einen langen Riemen, den man um die Schulter trägt und einen schwarzen
Stelzfuss aus Holz dran. Ich habe gefragt, was das Holzbein kosten würde,
und da er offenbar bemerkt hatte, dass mir dafür das richtige Bein fehlt,
wollte er fünftausend Kronen von mir. Ich ärgerte mich und liess ihn
stehen, ohne zu verhandeln. Gegen Ende des Flohmarktes sah ich, dass er den
Stelzfuss noch nicht verkauft hatte. Ich bat meine Mutter, es an meiner
Stelle noch einmal zu versuchen. Sie hat den Fuss dann um vierhundert
Kronen gekriegt. Natürlich hat er blöd geschaut, als ich mit dem Holzbein
im Arm an ihm vorbeigegangen bin.“ Sie kicherte, ehe sie die eigentliche
Pointe präsentierte: „Und stell Dir vor, der Stelzfuss passt mir. Ich habe
ihn schon zweimal angehabt und ich fühle mich gut darin, auch wenn oder
vielleicht weil ein bewegliches Knie fehlt.“
„Du siehst dann aus wie eine Piratin?“
„Ja, mir fehlt nur die Augenklappe.“
Amüsiert kuschelten sie sich aneinander. „Ich möchte bei nächster
Gelegenheit mal so eine moderne Prothese sehen, damit ich mir darunter
etwas vorstellen kann“, meinte er dann.
„Am besten in Wien, dort gibt es mehrere gute einschlägige Geschäfte,“
entgegnete sie und ergänzte warnend: „… aber Schatz, die Preise sind
jenseits von gut und böse, ganz besonders aus slowakischer Sicht.“
„Macht nichts“, beharrte er, Du solltest sie trotzdem im Auge haben,
vielleicht ergibt sich einmal was.“
Sie grinste. „Ich könnte mich vielleicht als Model versuchen, die
Herstellerfirmen lassen ihre Superbeine durch attraktive Mädchen
vorführen.“
„Na siehst Du, vielleicht kriegst Du sie billiger, wenn Du als damit als
Werbefigur auftrittst.“
Sie feixte. „Und bei Dir lerne ich vorher im Seminar, wie man agiert.“
„Abgemacht.“ Beide lachen.
Ein Wägelchen mit Erfrischungsgetränken wurde vorbei geschoben und sie
kauften Kaffee und Mineralwasser. Draussen flog, nachdem sie die hügelige
Gegend mit den berühmten Thermalquellen passiert hatten, die Ebene vorbei,
zuerst Rovigo und dann die Brücke über den Po. Der Zug hielt in Ferrara und
es regnete auch hier unaufhörlich. Zsuzsa räkelte sich in ihrem bequemen
Sitz. Sie zog die Stiefelette aus, zog das Bein hoch und stellte den Fuss
auf die Kante des Sitzes. Ihr Rock rutschte hinauf und gab den Blick auf
ihren Frosch frei. Das aussen hängende Hosenbein störte sie. „Ich muss
nochmals zur Toilette“, stellte sie fest und hüpfte, sich an den Sitzreihen
abstützend, zur Tür auf die Plattform des Waggons. Einige andere Fahrgäste
blickten ihr verwundert nach.
Als sie wieder kam, meinte Gregor: „Wozu brauchst Du eigentlich noch
Krücken, Du machst ja sowieso alles ohne sie auf Deinem Fuss.“
„Na ganz soweit ist es noch nicht“, schwächte sie lächelnd ab. „Ich habe
übrigens gerade beschlossen, mich von meinen rechten Hosenbeinen zu
verabschieden, sofern ich sie nicht für die Prothese brauche. Zu Hause wird
es einen Festtag für die Schere geben, ich habe ohnehin wieder Lust aufs
Nähen.“
Dann zog sie ein wenig den Rock nach oben. Das Strumpfhosenbein war nun
innen hochgezogen, spannte um den kurzen Schenkel und ihr Haarflaum war
deutlich zu erkennen. Sie schmunzelte: „Das dürfte ziemlich selten sein,
ein Frosch im Pelz“.
Er lachte, ehe er retournierte: „In der Slowakei, speziell im Osten, sind
die Winter sehr kalt, da tragen offenbar auch die Frösche eine Haube.“
Sie blickte ihn amüsiert an, kuschelte sich fester an ihn und legte dann
ihr Bein über seine Schenkel. Er begann es zu streicheln und sie sah ihm
dabei zu. „Ich denke noch immer mit innerem Jubel an das, was Du heute früh
über mich im Bett gesagt hast“, flüsterte sie nach einiger Zeit.
„Erlebst Du das wirklich so?“, fragte sie mit leichtem Zweifel.
Er sah eine Weile ins Leere. „Ich war bisher nie eine grosse Nummer beim
Schnackseln. Damit waren stets zu viele Gefühle verbunden, sich nicht
blamieren zu dürfen. Mit Dir verspüre ich diese Ängste nicht. Gleich mit
Deiner ersten Geste machst Du klar, dass es wieder wunderschön werden wird
und ich bin dann auch voll auf der Höhe. Ich fühle mich ganz als Mann.“
Sie sah ihn verzaubert an. „Und ich fühle mich ganz als Frau“, sagte sie
leise. Sie begann, zärtlich sein Gesicht zu streicheln. „Es war für mich
noch nie so wie jetzt:“ Auf seinen fragenden Blick hin fuhr sie fort. „Auch
ich war im Bett nie wirklich glücklich. Angst spielte sicher eine Rolle,
ich fühlte mich oft verkrampft und nicht selten tat ein Schwanz in mir
ziemlich weh. Streng genommen war mir unklar, ob ich überhaupt mit einem
Mann schlafen wollte. Ich war hübsch, hatte nie einen Mangel an Verehrern
und tat es, weil man es tut. Aber am liebsten machte ich es mir selbst.
Vielleicht war dies auch ein Grund, dass meine Beziehungen sehr rasch
abflachten. Auch bei Jan war es so. Wenn ich ganz ehrlich bin, trudelte
unsere Beziehung schon dem Ende zu, als mein Unfall geschah. Eigentlich war
ich nicht böse, weil er ging, sondern wegen des Anlasses, den er dafür
benutzte, und die Art, wie er es tat.“
Sie sassen eine Weile still da und sie spürte angeregt, wie er ihre
Kniekehle massierte. „Was ist seither anders geworden?“, fragte er.
„Zuerst waren nach dem Unfall die Verehrer natürlich alle weg. Ich machte
wieder Männerbekanntschaften, aber in neuer Rolle. Ich war nun nicht mehr
Ziel erotischen Begehrens, sondern ein netter Kumpel, der erfreulicherweise
auch Knöpfe annähen konnte. Mein Körper war in der Regel nur dann Thema,
wenn einer noch nicht gemerkt hatte, dass mir ein Bein fehlte. Eine
Ausnahme schien ein junger Arzt im Rehabilitationszentrum zu sein. Er
behandelte meinen nicht heilenwollenden ersten Stumpf und lud mich am Ende
einer Visite zum Abendessen ein. Es war wirklich nett mit ihm und der Abend
endete gemeinsam im Bett. Mir gefiel es und eine Nacht lang durfte ich mir
Hoffnungen machen, dass mehr daraus würde, ehe er mir am nächsten Morgen
eröffnete, er wisse nun, wie es mit einer Einbeinigen im Bett sei.“
„War das die Gelegenheit, die Du schon erwähnt hast?“
Sie nickte. „Ich brach regelrecht nieder, fühlte mich völlig gedemütigt und
verkroch mich bei Mama in Zvolen. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie
mich wieder halbwegs aufgerichtet hatte. Der Vorfall machte mir einerseits
klar, wie sehr ich mich nach einer Beziehung sehnte, andererseits wurde
schmerzlich deutlich, wie kompliziert nun alles für mich und mein Verlangen
geworden und wie verletzlich ich in meiner neuen Lage war. Die Zeit danach
war mühsam, samt Nachamputation, auf Fortschritte gab es immer wieder
Rückschläge und manchmal war ich wirklich sehr verzagt. Aber sicher
brauchte ich diese Zeit, um die Zsuzsa zu werden, die Du am Arlberg kennen
lernen wolltest.“
„Und die mir entgegen geflogen kam und aufgegangen ist wie eine
wunderschöne Blume“, flüsterte er. Sie gluckste und warf sich ihm um den
Hals. Sie schmusten zärtlich und er dachte daran, wie erotisch er ihre
Offenheit fand.
Sie sah ihn verliebt an und schmunzelte dann. „Weisst Du, wann ich das
erste Mal auf einem Mann geritten bin?“
Er schüttelte den Kopf. „Vorgestern“, sagte sie leise.
Nun war er dran, zu schmunzeln. „Bei mir war es bisher auch ganz selten,
ich habe mich in der Regel auf die Missionarstellung verlassen, in der ich
mich sicherer fühlte.“
Sie grinste. „Und wie bist Du davon los gekommen?“
„Letztlich über die Seminare, über die ich schon viel erzählt habe, durch
die dortige Arbeit am authentisch Sein, sicher nicht direkt, eine Schulung
im Vögeln kennen auch die Clowns nicht, aber insgesamt doch: Gregor pur,
nichts vorspielen, das Leben nehmen wie es ist. Und dann passierte es. Ich
weiss nicht warum, aber ich habe vorgestern spontan das Bedürfnis gehabt:
‚bitte besteige mich‘. Und dann hast Du das in einer Weise getan, die ich
mir schöner nicht vorstellen kann. Du kamst zum rechten Augenblick.“
„Du auch, Liebster.“
Sie rieb ihren Frosch an seinem Schenkel. Gregor griff nach ihm und begann
ihn zu massieren. „Und der Kleine? Was ist sein Anteil am Geschehen?“,
fragte er.
Unversehens kann sie in Fahrt. „Das ist ein Lustfrosch“, platzte sie
heraus, während sich ihr Gesicht angesichts der Massage rötete, „mit
Pelzchen.“ Er streichelte sanfter weiter und sie wurde wieder ruhiger, ehe
sie betonte: „Aber ich kann Dir sagen, dass mich Deine Behaarung sicher
nicht weniger aufregt als Dich der Flaum auf meiner Haut.“
Eng umschlungen lagen sie eine ganze Weile in ihren Sitzen. „Ich bin müde,
möchte ein bisschen schlafen, aber nachher musst Du weiter von Deinen
Seminaren erzählen“, murmelte sie, ehe sie einschlief. Er blieb wach,
starrte aus dem Fenster: Ebene, Regen, wie gehabt. Dann kam der Halt in
Bologna, Zsuzsa kriegte davon nichts mit. Als der Zug die Hügel zum Gebirge
hinaufkurvte, kam der Buffetkarren wieder vorbei, der nun nach Pasta
duftete. Gregor erstand zwei Portionen Nudeln mit Bologneser Sauce, ein
Fläschchen Lambrusco und noch eine Flasche Mineralwasser. Er hielt Zsuzsa
die Pasta unter die Nase, bis sie aufwachte. „Hallo Draculinchen,
aufwachen, es gibt etwas Gutes.“
Sie sah ihn schlaftrunken an und murmelte desorientiert: „Wieso bin ich das
Draculinchen?“
„Schau Dir doch einmal meinen Knutschfleck an, der wird immer grösser.“
Sie wurde gleich wach. „Möchtest Du ihn grösser haben?
Gerne, jederzeit!“ Dann lachten beide und machten sich über die Pasta her.
Sie war zwar im Plastikcontainer, aber sie schmeckte. „Die kriegen hier
sogar das Plastikfutter so hin, dass es geniessbar ist“, meinte er, als er
am Stöpsel der Lambruscoflasche drehte. Während sie mit Papierbechern voll
schäumendem Rotwein auf die Reise anstiessen, fuhr der Zug in den langen
Tunnel ein, der die Emilia Romagna mit der Toskana verband. Gregor war
gespannt, was das Wetter auf der anderen Seite bringen würde.
Zsuzsa nippte an ihrem Becher und meinte dann: „Der schmeckt gut, an ihn
könnte man sich gewöhnen.“
„Ich mag den Lambrusco sehr gerne“, bestätigte er, „insbesondere wenn er
wie der hier ein trockener Wein ist. Warum sie bei uns nur die süsse
Variante vertreiben, ist mir schleierhaft.“
„Wie in der Slowakei“, fuhr sie fort, „unser Wein ist, mit Ausnahme des
Südostens, wo es auch Tokajer gibt, nicht berühmt, aber sehr bekömmlich,
sofern er nicht ins Zuckerfass fällt. Unbeirrt verkaufen sie aber überall
das süsse Zeug.“
„In den letzten Tagen habe ich gesehen, dass Du Wein magst.“
„Sie wiegte den Kopf. „Nicht immer, aber wenn er so schmeckt, wie in
Vicenza oder jetzt, dann schon. Ich muss immer ein bisschen aufpassen, mein
Gleichgewicht ist labiler als Deines.“ Sie lächelte etwas verlegen.
Der Zug rüttelte ein wenig, dann glitt er wieder leise durch das Schwarz
des Tunnels. „Ein tolles Gefährt“, meinte er anerkennend, „schnell, leise
und sehr bequem.“
Sie nickte. „Kein Vergleich zum Gerumpel der anderen Züge.“ Er grinste
frech. „Apropos Gleichgewicht: Schade, dass kein Platz zwischen den
Sitzreihen ist, Du könntest hier locker vor mir balancieren, ohne
umzufallen.“
Sie grinste zurück. „Und Du wärest unglücklich.“
„Warum das?“
„Weil Du Spass hast, wenn ich auf Dich falle, und dies sehr vermissen
würdest.“
„Da hast Du sicher recht“, feixte er.
Der Rotwein ging zur Neige und beide lehnten sich müde zurück. Plötzlich
wurde es draussen heller, dann raste der Zug in den gleissenden
Sonnenschein der Toskana. Beide lehnten sich ruckartig hoch und starrten
auf die grüne Landschaft, in der einige Bäume blühten und über die sich ein
blauer Himmel wölbte. „Der Frühling“, rief sie freudig, „hier ist er
wieder.“
„Die Hartnäckigkeit hat sich also gelohnt“, stellte er zufrieden fest,
„jetzt entkommt er uns nicht mehr.“ Sie stiessen mit den letzten Schlucken
in ihren Bechern nochmals vergnügt an und starrten dann weiter auf die
vorbei flitzende Gegend draussen.
„In der Toskana war ich auch einmal bei einem Seminar dabei, in der Gegend
um Siena“, fiel ihm dann ein.
„Und was geschah dort?“
„Spiegel und Masken, so hiess das Thema, das Gesicht stand im Mittelpunkt.“
„War da auch das Schminken vor dem Spiegel, von dem Du schon gesprochen
hast?“
Er nickte.
Sie bohrte interessiert weiter: „Was hat Dich eigentlich bewogen, solche
Seminare zu besuchen?“
Er dachte ein wenig nach, dann erzählte er: „Wer sich, aus welchen Gründen
auch immer, mit der Wahrnehmung der eigenen Person beschäftigt, wird bald
feststellen, dass reden alleine zu wenig ist. Es gibt viele Methoden, durch
das Gespräch hinter die Fassade zu gucken und bislang Unbemerktes zu
entdecken. Das ist sicher ungemein wichtig und es kann auch sehr anregend
sein, wie etwa bei uns gerade vorhin. Aber Du kannst es hundertmal
begriffen haben, das Handeln ist noch immer eine andere Sache. Es kann etwa
Dir jemand tausendmal sagen, Du würdest beim Telefonieren ins Rohr brüllen,
beim tausendsten Mal machst Du es wieder. Wir brauchen also Übungsfelder,
die sich auf das Tun beziehen, um erfolgreich lernen zu können, und nicht
nur Gelegenheiten zum Räsonnieren, um es einmal boshaft zu formulieren.
Einige solche Felder habe ich schon entdeckt, ganz besonders die Clownerie.
Aber auch andere Erfahrungen gehören hierher und ich habe immer mehr das
Gefühl, dass das Anliegen nicht auf ein einzelnes Feld wie die Clownarbeit
reduziert werden darf, diese ist letztlich nur ein gutes Beispiel für die
so genannte ‚Kultivierung des Authentischen‘ in uns.“
„Was heisst das?“, fragte sie. „Erstens sich selbst so nehmen, wie man ist,
und nicht dauernd in seinen Makeln zu schmoren. Zweitens die anderen zu
nehmen wie sie sind, und sie nicht dauernd ummodeln zu wollen. Drittens
schliesslich, zu lernen wie man ist, damit man sich auch ernst nehmen kann.
Letzteres sollte man möglichst oft gemeinsam mit anderen tun, damit was
Vernünftiges draus wird.“
„Lass mich das für mich noch einmal sagen“, meinte sie. „Sich selbst so zu
nehmen, wie man ist, bedeutet, nicht ständig mit dem Schicksal zu hadern,
nicht nur im Verlust des Beines zu dunsten, sondern die neue Figur zu
gestalten. Das kann ich nach den letzten beiden Jahren nur zu gut
nachvollziehen. Die anderen zu nehmen, wie sie sind, kann beispielsweise
heissen, einer einbeinigen Frau nicht dauernd offen oder insgeheim
vorzuwerfen, dass sie keinen zweiten Fuss hat. Oder, um das an einem ganz
alltäglichen Beispiel zu demonstrieren: aus einem Nachtmenschen keinen
Frühaufsteher machen zu wollen. Und ich weiss, man muss ziemlich viel
lernen, um das auf die Reihe zu kriegen, am besten mit Menschen, die so
sind wie Mama und Du, vielleicht in Zukunft doch auch mit Leuten, denen es
ähnlich geht wie mir, beispielsweise Laura.“ Sie hielt kurz inne: „He“,
meinte sie dann ebenso angetan wie verwundert, „das ist ja faktisch das
Programm der Zsuzsa neu.“
Gregor lehnte sich mit einem angenehmen Gefühl zurück. „Bei Dir gelingt mir
offenbar wirklich viel“, murmelte er, „sogar auch, meinen theoretischen
Kauderwelsch so zu präsentieren, dass Du ihn verstehst.“
„Das fiel mir aber nicht schwer“, schwächte sie ab, „passt alles zu mir.“
„Eigentlich passt das zu jedem oder jeder, egal mit wie vielen Beinen.
Einen auffälligen Unterschied zwischen Dir und den so genannten Normalen
gibt es schon: Du kannst Deine Veränderungen schwer ignorieren, schon gar
nicht verdrängen.“
Sie dachte kurz nach. „Das geht grundsätzlich schon, aber dann fliege ich
auf die Nase. Einmal wollten mir zwei Krankenschwestern in der ersten Zeit
nach dem Unfall helfen, aufs Klo zu gehen. Sie standen neben mir, die eine
mit der rechten Krücke, die andere mit der linken. Ich erhob mich von der
Bettkante und fiel, ehe sie reagieren konnten, der Länge nach zwischen
ihnen hindurch hin. Ich war als erstes auf meinen fehlenden rechten Fuss
getreten. Die zwischen verdutzt und entsetzt flackernden Gesichter vergesse
ich nie.“ Sie grinste: „Wie eine Szene aus dem Kino. Heute kann ich darüber
lachen.“
Gregor stellte sich die Szene bildlich vor und musste auch schmunzeln, ehe
er zum Kern des Themas zurückkehrte. „Also besser, die Situation nicht zu
ignorieren.“
„Geht leider nicht anders. Wie lösen das Deine Seminare?“
„Die Arbeit an den Makeln ist, wie ich gestern schon angedeutet habe, ein
zentrales Thema. Denn mit den Makeln kommen wir in der Regel viel
schlechter zu recht als mit dem, was uns an uns gefällt. Es aber ist nicht
möglich, sich auf die sonnigen Seiten seiner Person zurückzuziehen, wie uns
das verschiedene naive Theorien weismachen wollen. Wir kommen um uns als
ganze Person nicht herum, irgendwo sind wir auch Zombies oder Monster, wie
die ganz junge Generation alle, die älter als zwanzig sind, frech zu
bezeichnen pflegt. Also ist es nur konsequent, am Umgang mit den Makeln zu
arbeiten. Die beste Methode, die ich in diesem Zusammenhang kenne, ist das
Modellieren von Monstern. Wenn Du beispielsweise als Monster auf einer
Bühne stehen würdest, Deine Schattenseiten betonend, wie könnte es
aussehen?“
Zsuzsa überlegte nicht lange. „Nun, es hätte eine riesige Nase, mehrere
Zahnlücken, viel zu grosse Ohren, eine gerunzelte Stirn, einen runden
Rücken, etwas zu breite Schultern, den Hintern links ausgestopft und
dadurch viel grösser, einen grossen, nach vorne stehenden bandagierten
Frosch, ein aufgeschlagenes Knie links mit grosser Laufmasche am Strumpf,
stünde auf meine unförmigen Achselkrücken gestützt, wäre ausserdem ganz in
einen Pelz gehüllt und hätte eine Menge Knutschflecke.“ Gregor sah sie
verblüfft an. „Wie kommst Du auf das alles?“
„Sieh mich doch mal an, einiges ist Dir ja schon aufgefallen, einiges habe
ich Dir auch erzählt, für den Pelz trägst Du sogar die Verantwortung und
ich zähle auf Dich, wenn es um die Flecke geht.“ Sie prusteten dann vor
Lachen.
„Jetzt bist Du dran“, verlautete sie trocken und grinste. Gregor kam kaum
aus dem Lachen heraus. Dann begann er sein Monster zu beschreiben. “ Also
meines hat eine hohe Stirn, einen verkrampften Gesichtsausdruck fast wie
jemand, der nach etlichen Tagen erstmals wieder auf dem Klo sitzt, nach
innen gezogene Lippen, schiefen Vorderzahn, gesenkten Kopf, hochgezogene
Schultern, wobei die rechte weniger hoch wäre als die linke, runder Rücken,
gebeugt, baumelnde Hände mit wie Krallen eingezogenen Fingern, eine Wampe,
spastisch verkrampfte Beine, auf den Zehen trippelnd. Dazu hätte ich einen
Nadelstreifenanzug an mit offenem Hosentürchen, Hosenträgern und schlecht
gebundener Krawatte. Unten Turnschuhe. Schliesslich wäre ich nicht rasiert
und würde mit meinen Knutschflecken sehr gut zu Dir passen.“ Wieder grosses
Gelächter.
„Wie bist Du denn darauf gekommen?“, fragte sie. Ich fürchte, Du hast noch
nicht genug geschaut“, stichelte er zuerst, meinte dann aber: „Das war ein
Querschnitt der Monster, die ich schon war, weil man nicht nur selbst das
Monster baut, sondern auch die anderen Teilnehmenden mitbauen. Du kannst
dabei natürlich immer sagen, das, was die da aus mir machen, bin nicht ich.
Ich finde das generell sehr gut, denn aufschwatzen sollte man sich nie
etwas lassen. Wenn aber zum wiederholten Male jeweils andere Menschen
dasselbe Monster aus Dir machen, wäre es zweckmässig, darüber nachzudenken,
ob sie nicht doch vielleicht auch ein bisschen Recht haben.“
„Haben wir eine Chance, so gemeinsam auf einer Bühne zu stehen?“, kicherte
sie. „Klar, zu Pfingsten, noch dazu im Teatro Olimpico.“
„Spitze“, rief sie. Er fuhr fort: „Und weisst Du, was das Steilste ist? Der
ganze Makelkrampf beginnt zu bröckeln, schon beim ersten Mal. Du fängst an,
Dich und andere mit anderen Augen zu sehen. Du merkst, dass bei Dir Makel
dabei waren, die nur Du selbst gesehen hast, während sie den anderen gar
nicht aufgefallen waren. Du beginnst, Attribute von Dir zu mögen, die Dir
vorher verhasst waren, die Du am liebsten weggemacht hättest, wie
beispielsweise eine grosse Nase. Oder Du entwickelst Sympathien für etwas,
was Dir zu klein schien, wie bei Frauen oft die Brüste, usw. Du entdeckst,
dass es für jede Neigung auch andere gibt, die sie teilen und Du kommst mit
der Zeit drauf, dass es die Makel sind, die uns an den anderen faszinieren
und die deren ebenso wie unsere Besonderheiten ausmachen, trotz aller
Schönheitsideale, die da herumspuken. Apropos Schönheitsideale: es gibt
geschichtlich gesehen kaum einen Makel, der nicht irgendwo und irgendwann
auch bessere Zeiten erlebt hat.“
„Auch meiner?“
„Kann schon sein, mir fallen da als erstes die Amazonen ein.“
Zsuzsa kaute daran. „Wenn ich daran denke, welch läppische Kleinigkeiten
einem enorme Probleme bereiten können. Ich erinnere mich daran, dass ich
mir einbildete, ich hätte viel zu grosse Ohren. Mit zwölf entschied ich,
ich könne keine Ohrringe mehr tragen, weil meine Löffel dann weniger
auffallen würden. Ich liess meine Haare wachsen, damit die Ohren nicht so
deutlich sichtbar wären. Die langen Haare habe ich heute noch.“
„Lass mal sehen“, meinte er und besah ihre Ohren. Sie waren nicht klein,
aber keineswegs auffällig gross mit schön gezeichneter Muschel und
ausgeprägten Ohrläppchen. „Dachte ich mir doch. Sie sind sogar schön,
stehen nicht ab und haben ein Läppchen, das frech zum Knabbern einlädt.“
Sie schmunzelte. „So war es natürlich auch mit der Nase oder mit dem
Haarflaum und manch anderen mehr, und ging weit über die Pubertät hinaus.
Ich habe vor mehreren Jahren ernsthaft überlegt, die Nase kleiner machen zu
lassen.“ Er schüttelte den Kopf. Dann wurde sie ernst: „Vor etwas mehr als
zwei Jahren hörte das allerdings schlagartig auf. Ich war froh, dass bis
auf eines noch alles dran war.“
„Dafür hat Dich dann das Eine ziemlich stark beschäftigt“, merkte er an.
Sie nickte. „Das kann man wohl sagen. Da werden dann die kleinen und
kleinlichen Makel wirklich ganz unscheinbar und Du hast eigentlich nur mehr
eine wirkliche Chance: so zu sein, wie Du bist. Und du tust gut daran, Dich
dabei zu mögen, das macht alles erheblich leichter. Und wenn Dir dann als
Frau ein Mann sagt: ‚ich mag Dich wie Du bist‘, dann schwebst Du.“
„Und es kann sein, dass Du ihm entgegen fliegst und aufgehst wie eine
wunderschöne Blume.“
Sie umklammerte mit ihren Händen seinen linken Arm, drückte sich daran und
ergänzte: „Und dann hältst Du ihn ganz fest.“ Beide strahlten.
Sie schmusten eine Weile und blickten dann nachdenklich zum Fenster hinaus.
Der Zug näherte sich Florenz. Die Menschen draussen trugen leichte
Kleidung, es war sichtlich wärmer und die Sonne verstrahlte grosse
Helligkeit. Eine ganze Reihe blühender Forsythien begrenzte die Einfahrt in
den grossen Bahnhof und eine riesige Magnolie stand in voller Pracht. Der
Zug hielt, der Waggon füllte sich nun, und ohne Verspätung ging es dann
hinaus auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Rom.
Sie begannen erst nun, Pläne für die Ankunft in Rom zu schmieden. „Ich
kenne ein gutes Hotel in San Lorenzo, dem Stadtviertel hinter der Ausfahrt
aus dem Bahnhof. Leider habe ich die Telefonnummer nicht dabei.“ Er dachte
nach. „Ich probiere mal, meinen Freund Peter anzurufen, der müsste sie auch
haben.“ Er wählte eine Wiener Nummer und hatte Glück, Peter war zu Hause.
Gregor strahlte, als er die Nummer des Hotels Laurentia notierte und sah
sich dann mit der Neugierde seines Freundes konfrontiert. „Ja eine neue
Flamme“, bestätigte er dessen Frage. „Anders“, grinste er dann, „aber
diesmal ist es harmlos, ihr fehlt nur ein Bein.“ Und weiter grinsend,
„Darfst Du auch sein, Alter, ich melde mich bei Dir wenn wir in Wien
sind.“ Nach der Verabschiedung trennte er die Verbindung und wiegte den
Kopf. „Na, der hat ja gut reagiert, typisch Peter, er blieb ganz locker,
ist schon gespannt, Dich kennen zu lernen, und ich glaube, der meint es
ehrlich.“
Dann wählte er gleich die Nummer des Laurentia. Nach mehreren Versuchen
klappte die Verbindung. Zu seiner Freude gab es freie Zimmer. Er hörte kurz
zu und sagte dann: „Nein, diesmal ein Doppelbett, unbedingt.“ Er gab noch
die Ankunftszeit in Rom durch und meinte, sie würden wahrscheinlich zu Fuss
zum Hotel gehen, daher maximal eine halbe Stunde später im Hotel
eintreffen. Er war sichtlich zufrieden, als er das Gespräch beendet hatte.
„Ohne Quartiervorbestellung in Rom anzukommen, kann unangenehm sein, so ist
es sicher besser, ausserdem ist dieses Hotel sehr nett.“
„Ich freue mich auf Rom, war noch nie dort und bin ganz neugierig.
Überhaupt war mir Italien so gut wie fremd, hat mich aber bisher voll und
ganz begeistert“, betonte sie.
Nach der Ankunft in Rom verliessen sie den Bahnhof gleich durch den
Hinterausgang und machten sich auf seinen Vorschlag hin zu Fuss auf den Weg
zum Hotel: „Eine halbe Stunde oder länger auf ein Taxi zu warten, hätte bei
dieser kurzen Strecke keinen Sinn und die Busroute führt seit einiger Zeit
so blöd am Bahnhof vorbei, dass wir in derselben Zeit, in der wir den Bus
suchen würden, auch zu Fuss schon beim Hotel sind.“ Tatsächlich waren sie
kaum länger als eine Viertelstunde unterwegs. Zsuzsa trug wieder den
Rucksack. Sie war ganz konzentriert unterwegs, denn die Gehsteige waren
mindestens so desolat wie in Vicenza. Gregor trug ihre Reisetasche und zog
seinen Koffer hinterher. Im Hotel wurden sie von einem freundlichen Mann in
der Rezeption empfangen, der mit Blick auf Zsuzsa vorschlug, das einzige
Zimmer im Erdgeschoss zu nehmen. „Dort war ich schon einmal, das ist schön,
das nehmen wir“, antwortete Gregor, während sie ziemlich indigniert
dreinblickte. Auf dem Weg zum Zimmer knurrte sie. „Der glaubt wohl, ich
könne nicht Stiegensteigen.“
Dann war sie aber mit dem Zimmer sehr zufrieden. Sie probierte gleich das
grosse Bett aus, während Gregor die Gepäckstücke verstaute. „Au“, rief sie
plötzlich. Das Bett hatte ein Fussende, das unter der Decke verborgen war,
und gegen das sie mit dem Frosch gestossen war. Sie massierte den Stumpf
mit verzogenem Gesicht.
„Schmerzen?“ fragte Gregor.
„Ja, das war der Knochen“, brummte sie. Sie massierte weiter, und Gregor
sah ihr zu.
Er mimte ein betrübtes Gesicht und fragte: „Gleich operieren?“
Sie unterbrach die Massage. „Niemals, dem Kleinen darf nichts geschehen“
betonte sie mit Entrüstung.
Er nickte mit gespielt ernster Miene und feixte. „Du ziehst mich ja auf“
grinste sie dann.
Gregors Handy klingelte. Er blickte auf das Display und sah eine
slowakische Nummer. „Nimm Du den Anruf, er ist aus der Slowakei“, sagte er
zu ihr.
Ihre Mutter war in der Leitung, Zsuzsa begrüsste sie freudig. „Mir geht es
gut, Mama, wir sind jetzt in Rom.“ Sie lächelte, als sie weiter zuhörte.
„Ja, ich kann Dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin… Den Tag der
Rückfahrt haben wir noch nicht fixiert, aber wir fahren zunächst nach
Wien.“ Und zu Gregor gewandt. „Wir haben eine Einladung nach Zvolen,
könntest Du übernächstes Wochenende hinkommen?“
„Sollte klappen, komme gerne mit“ antwortete er. Zsuzsa bestätigte den
Besuch, legte auf und strahlte. „Meine Mutter freut sich sehr darauf. Ich
auch.“
„Haben wir die Nummer von Laura zur Hand? Ich wüsste gerne, wie es ihr beim
Sitzvolleyball ergangen ist“, meinte sie dann.
„Die Nummer muss in der Rufliste sein“, erwiderte er, „die einzige mit
‚neununddreissig nach den beiden Nullen.“ Zsuzsa nickte auf das Display
blickend, und stellte die Verbindung her. Am anderen Ende herrschte
offenbar Freude über den Anruf, wie Gregor aus dem bis zu ihn tönenden
Jubel entnehmen konnte. „Na toll“, sagte Zsuzsa zwischendurch, dann wieder:
„Grossartig.“ Schliesslich bekam sie einen freudigen Gesichtsausdruck und
sagte: „Das finde ich lieb“. Und am Schluss: „Ich freue mich riesig mit Dir
und schicke Dir einen ganz lieben Kuss, auch einen von Gregor. Wir hören
uns bald.“
Sie trennte die Verbindung und gab Gregor das Handy. „Sie möchte nun im
Klub spielen, und sie hat gute Chancen, in die Mannschaft zu kommen,
nachdem sie heute der Trainerin imponiert hat. Volleyball hat Laura vor dem
Unfall oft gespielt, daher sind ihr etliche Bewegungen vertraut. Und ihre
Hüfte tat nicht weh, zumal Sitzvolleyball mit dick wattierten Hosen
gespielt wird. Ausserdem hat sie beschlossen, ihren Beckenstumpf als Frosch
zu bezeichnen, sie hat ihn in der Badewanne lange betrachtet und ist zum
Schluss gekommen, dieser Name würde auch gut zu ihm passen.“
Er blickte sie amüsiert an: „Hast Du ihr erzählt, dass Du Deinen so
nennst?“
„Klar, und ich habe gleich gemerkt, dass ihr das gefiel.“
Er griff nach ihrem Frosch, sie hob diesen hoch, und er streichelte ihn.
„Das wird Deinen sicher freuen“, meinte er dann.
Sie nickte mit rotem Kopf, „Weisst Du, was ihn aber am meisten freut?“ Er
sah sie fragend an, und sie fuhr fort: „Wenn Du ihn so lieb anfasst. Das
macht ihn ganz verrückt.“
Sie schmusten lange und innig. Dann wandten sie sich der Körperpflege zu.
Das Zimmer hatte kein Bad, dafür aber eine kuriose Dusche. Sie war unter
einer Schräge des Vordaches zum Hof untergebracht und das Duschbecken war
gute vierzig Zentimeter unter dem Niveau der anderen Teile des Waschraums,
zu dem, wie in Italien üblich, auch die Toilette gehörte. Gregor kannte die
Eigenheit der Dusche von früher und hatte gleich von Beginn an ihre die
besondere Eignung für Spiele in der Körpermitte gedacht, und als er Zsuzsa
ansah, war ihm klar, dass sie gleich ähnliches im Auge hatte.
Sie grinste und sagte: „Da nehme ich jetzt eine Dusche.“
„Ich auch“, ergänzte er schnell.
Sie stellte das Warmwasser ein und kletterte in die Dusche hinunter,
während er davor stand. „Komm rein oder besser gesagt runter“, lud sie ihn
ein.
Er feixte und wartete noch ein wenig, ehe er auch hinunter stieg. Sie
standen lange unter dem warmen Wasser und genossen den Strahl. Sie seiften
einander gleichzeitig ein und Gregor tat dies beim Frosch mit betonter
Vorsicht. „Heute hast Du einen Tag, wo Du überall anrennst“, zog er sie
auf, „man kann nicht genug auf Dich aufpassen.“
Sie lächelte nur leicht gequält und delektierte sich weiter am Einseifen.
Kaum waren sie mit dem anschliessenden Abduschen fertig, kletterte sie aus
der Dusche hinauf und stand triefend vor ihm, sein Gesicht auf Höhe ihres
Bauches. Er kitzelte sie mit der Zunge am Nabel und dann weiter unten. Sie
spreizte den Frosch zur Seite, hielt sich an den Haltegriffen zu beiden
Seiten der Dusche fest und legte den Kopf zurück. Dann streichelt er mit
der Zunge ihren Hügel und fuhr geniesserisch mit ihr in ganz langsamen
Bewegungen die Klitoris auf und ab. Es dauerte lange, bis sie so in Fahrt
kam, dafür dann aber äusserst heftig. Sie hing regelrecht in den
Haltegriffen, wurde sehr laut und ging ins Knie, als sie kam. Dann hüpfte
sie in das Becken, während er hinaus stieg, und widmete sich seinem Penis.
Nun war er an der Reihe abzuheben, wobei sie wie gehabt mit ihren Zähnen
seinem Genuss ein wenig nachhalf, bis es ihn schüttelte. Sie duschten dann
noch einmal, bevor sie sich abtrockneten.
Sie hüpfte hinaus. Als er nachkam, lag sie schon im Bett, hatte ihre
Schenkel gespreizt und strahlte: „Komm ins Glück.“ Er bestieg sie mit ganz
innigen Gefühlen, stiess sie zärtlich und dann machten beide lautstark
kund, welche Wonne sie dabei erlebten. Er schlief danach auf ihr ein. Sie
hielt ihn, ehe sie auch wegbrach.
Als er aufwachte, lag er noch immer halb auf ihr, er war aber auf ihrer
amputierten Seite hinunter geglitten. Er weckte sie durch Kosen ihrer
Brüste. „Ich habe Hunger“, flüsterte er. Sie erheiterte der Zusammenhang
zwischen seinem Tun und seinem Wunsch und streichelte ihn. Er blickte auf:
„Bist Du nicht hungrig?“
Sie schüttelte lachend den Kopf: „Wie sollte ich hungrig sein, ich habe
Dich doch gerade vernascht.“
Er lachte mit und rollte zur Seite. „Du musst wissen, mein Appetit ist
riesig“, sagte er.
„Meiner auch“, flüsterte sie.
Zsuzsa probierte für den Abend eine Hose. Sie bemerkte seinen
misstrauischen Blick, als sie das rechte Hosenbein hinauf schlug. Sie
drehte sich einige Male im Kreis, wackelte mit dem Hintern, wurde unsicher
und meinte dann: „Doch lieber nicht, ein Rock sieht jetzt besser aus.“ Der
neue Schwarze kam zu Ehren, während Gregor bei der Jeanshose blieb, aber
das Hemd wechselte, da er auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel ins Schwitzen
geraten war.
„Du brauchst streng genommen Hosen für und ohne das Tragen der Prothese“,
bemerkte er dann. „Am besten von jeder zwei. Das ist auch grundsätzlich
keine blöde Idee, ich mache das auch öfters, wenn mir eine Hose gut
gefällt. Die Sachen sind so verschleissanfällig, dass es besser ist,
doppelt zu kaufen.“
„An so was habe ich bisher nicht gedacht, ich war immer froh, wenn ich das
Geld für eine neue Hose hatte, an zwei war nie zu denken.“ Dann grinste
sie. „Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich mich umgewöhne.“
Sie verliessen das Zimmer, bekamen an der Rezeption ihre Reisepässe zurück
und der Abendportier sprach Zsuzsa auf Slowakisch an. Er hatte durch den
Pass erkannt, woher sie kam. Sie plauderten eine Weile, dann kam sie Gregor
nach, der zur Eingangstür vorausgegangen war. „Der Mann ist aus Nitra. Er
ist vor etlichen Jahren nach Rom gezogen und hat hier eine Italienerin
geheiratet. In die Slowakei möchte er nicht mehr zurück, er fühlt sich wohl
hier.“
Dann machten sie sich auf den Weg zum Abendessen. Sie spazierten zuerst
durch das alte Viertel, das einst der italienische Film der Zeit nach dem
zweiten Weltkrieg berühmt gemacht hatte. Rosselinis ‚Rom. offene Stadt‘
wurde hier gedreht. Als Gregor dies erzählte, stellte er erfreut fest, dass
Zsuzsa diesen Film kannte. Sie hatte ihn in einer slowakischen Übersetzung
in Presov gesehen. „Diese alten italienischen Filme imponieren mir, es sind
stets schöne und auch rührende Geschichten.“ Er nickte zustimmend und
schlug dann vor, bei Paolo zu speisen, einer kleinen Trattoria mit
einfachem, aber sehr gutem Essen.
Sie betraten die Trattoria und wurden vom Wirt gleich freundlich empfangen.
Er schlug die Hände zusammen, als er Zsuzsa sah und meinte humorvoll, er
sei immer schon dagegen gewesen, dass Frauen zur Armee gingen, man sehe
jetzt, was dabei herauskäme. Gregor übersetzte; Zsuzsa erinnerte diese
Argumentation an eine ähnliche vor wenigen Tagen und lächelte. Paolo liess
Gregor besorgt fragen, ob sie solche Sprüche vertrüge. Sie kicherte und
erwiderte, sie sei gekommen, um fleissig zu essen, damit der Fuss möglichst
rasch nachwachse. Paolo schien nach Gregors Übersetzung kurz verblüfft,
lachte dann wie einige andere Restaurantgäste schallend, meinte dann, sie
hätte bezüglich des Restaurants die richtige Wahl getroffen und führte sie
schliesslich zu einem freien Tisch.
Sie bestellten hausgemachte Gnocchi, die kleinen Bällchen aus
Kartoffelteig, mit Tomatensauce. Als zweiten Gang wählten sie Kutteln auf
römische Art, was Paolo endgültig aus der Fassung brachte. Er fragte
Zsuzsa, ob sie wisse, was sie sich da antun würde. „Schmecken die bei Ihnen
nicht?“, fragte sie nach Gregors Übersetzung mit gespieltem Erstaunen. Er
war noch immer so verblüfft, dass er vergass, wegen ihrer Frage gehörig zu
protestieren.
„Eine Frau isst Kutteln“, rief er. „Lea, es gibt neben Dir eine zweite, die
das tut“, rief er in die Küche. Eine ältere Frau streckte grinsend den Kopf
aus der Küchentür und machte sich dann an die Arbeit. Die Gnocchi
schmeckten vorzüglich und sie tranken dazu Weisswein aus den Hügeln südlich
von Rom. Dann kamen die Kutteln und Paolo, blieb in der Nähe des Tisches
stehen, um zu beobachten, ob Zsuzsa sie wirklich verdrücken würde. Er
wiegte anerkennend den Kopf, als er sah, dass es ihr ernst war, und stellte
einen Korb mit Brötchen dazu auf den Tisch.
„Diese Kutteln schmecken prima“, meinte sie zu Gregor, der zustimmend
nickte. Sie fegten die Teller leer und tunkten den übrig bleibenden Saft
mit dem Brot auf.
„Fare scarpe, Schuhe machen, sagt man in Italien dazu“ erklärte er.
„Ich mache nur linke Schuhe“, kicherte sie gut gelaunt. Als Paolo kam, um
die leeren Teller abzuservieren, bat Zsuzsa ihren Gregor, er solle Paolos
Frau ausrichten lassen, dass ihre Kutteln mit sehr grosser Sorgfalt gekocht
seinen, weil sie so gut geschmeckt hätten. Der Wirt wunderte sich nun über
nichts mehr, strahlte und fragte, woher sie kämen. Als Gregor von der
Ostslowakei sprach und dass dort Kutteln eine sehr häufiges Gericht seien,
meinte er: „Dorthin fahre ich auf Urlaub, ich esse Kutteln für mein Leben
gern.“ Als Nachspeise gab es eine leckere Zabbaione, Wein mit Ei und Zucker
schaumig geschlagen.
Als sie die Rechnung beglichen, meine Paolo mit Blick auf Zsuzsas leere
rechte untere Seite, dass das Essen erst wirken würde, wenn man öfters
käme. Lachend verliessen sie das Lokal. Es war Zsuzsas erster Kontakt zu
Menschen in Rom gewesen und war sehr froh über dieses Erlebnis. Sie gingen
noch bis zur Piazza Tiburtina an der antiken Stadtmauer und genehmigten
sich in einer Bar einen Averna.
Während sie an ihrem Magenschoner nippten, fragte sie plötzlich Gregor:
„Magst Du dicke Frauen?“
„Hm, nicht unbedingt“, erwiderte er vorsichtig, „warum fragst Du?“
„Wenn ich so weiter fresse, wirst Du bald mit einer solchen zusammen sein“,
begründete sie ihre Frage trocken und sah ihn ganz lieb an, während er
lachte. Als sie die Bar verliessen, blieb sie stehen, nahm beide Krücken in
die rechte Hand, und streckte ihm ihre linke Hand entgegen. Dann gingen sie
Hand in Hand Richtung Hotel.
Im Hotel angekommen, hob Gregor Zsuzsa hoch und trug sie zum Zimmer. Sie
war überrascht. „Was machst Du?“, fragte sie ihn.
„Ich möchte Dich auf Händen tragen“, meinte er.
Sie gab ihm einen langen und tiefen Kuss. „Ich liebe Dich“, flüsterte sie.
Im Zimmer angelangt, setzten sie das Schmusen eine Zeitlang fort. Sie
duschten kurz und bürsteten dann an ihren Zähnen. Sie schlüpfte vor ihm im
Bett und als er kam, war sie beim Einschlafen. Sie lächelte, als er sie am
ganzen Körper streichelte und küsste, räkelte sich ein wenig und schlief
weg. Er kämpfte noch ein wenig mit der grossen Bettdecke, bis es ihm gelang
darunter zu kriechen, kuschelte sich eng an sie und entfleuchte auch zu den
Träumen.
Irgendwann in der Nacht wurde Gregor wach. Er brauchte eine Weile, um sich
zu orientieren, dann merkte er, dass Zsuzsa neben ihm schnarchte, zwar
nicht heftig, aber so stetig, dass es seinen Schlaf gestört hatte. Sie lag
auf dem Rücken, vor ihr auf der Bettdecke eine kleine Wölbung. Er
schmunzelte, schnappte sie, und drehte sie auf die linke Seite. Sie
murmelte im Schlaf, und schlief in der neuen Stellung weiter. Erheitert
kuschelte er sich an sie und schlief wieder ein.
Keine Kommentare vorhanden