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Für alles gibt es ein erstes Mal

1 – Ein merkwürdiger Junge

Ich hasse Gedränge. Ich hasse auch Partys. Und das führt mich zum wiederholten Mal in dieser Nacht zu der Frage, warum ich eigentlich hier bin. Das ist nur eine weitere total bescheuerte Menschenansammlung einer Party in den Nacktlokalen oder Privatwohnungen dieser Region. Selber Platz, selbe Zeit, immer dasselbe. Öde.

Ich denke, ich bin fast unsichtbar im Gesellschaftsraum in diesem Haus. Ich habe mir den nächsten Drink in den Hals geschüttet, angetrunkene männliche und weibliche Gäste gehen an mir vorbei und sehen mich hoffentlich nicht.

Die durchdringenden Bässe aus dem Stereo-System scheinen über die Stunden zu meinem zweiten Herzschlag geworden zu sein. Unnütze Stunden, in denen ich hier sitze. Vergeudete Lebenszeit. Der Raum ist überfüllt und viel zu warm. Es riecht nach Bier und Sex, der drauf wartet zu beginnen.

Ich mache die Bewegung, an die ich schon vor Stunden gedacht habe. Endlich löse ich mich von dem schmalen Sitz am Fenster. Viel zu lange hatte ich da gesessen und an dem schalen und warm gewordenen Bier genippt, dass mir schon beim Eintreffen serviert wurde.

Mit leerem Kopf starre ich auf die Jungs und Mädchen, die in den Raum gekommen waren. Einige von ihnen kenne ich, andere nicht. Das ist ein Haus der Upperclass. Also bin ich nicht erstaunt viele Gesichter zu sehen, die nicht aus unserem Ort sind.

Ich hasse Gedränge. Ich hasse das hier. Aber was soll man sonst am Wochenende machen? Ich trinke das Glas Bier endgültig aus und stelle es auf den Fenstersims.

Ich zucke mit den Achseln und suche m einen Weg durch ziemlich gesichtslose Leute, die sich hier versammelt haben. Ein Kerl stolpert gegen mich. Er entschuldigt sich freundlich. Ich nicke zurück, aber bin froh, die Tür zu erreichen.

Ich tue alles, um dem Lärm und der Hitze zu entkommen. Ich fliehe in den Hausflur. Eine Tür steht offen. Ich will wirklich die Szene dahinter nicht sehen, aber da stehe ich und starre.

Gegen meinen Willen nehme ich jedes Detail in mich auf. Ein Junge, kaum zwanzig, wird von einer älteren Dame geblasen. Nutte. Und er genießt es.

Ich atme tief ein, als ich durch die Haustür nach draußen komme. Ich laufe über Zementplatten durch den Vorgarten. Die Luft hier ist zumindest kühler. Kühler und frischer als ich sie im Haus geatmet hatte. Ich schiebe meine Hände in die Taschen meiner Jeans und fühle mich wohl.

Ich fühle den leichten Regen in meinem Gesicht und sehe die Feuchtigkeit, die auf der Straße glänzt.

Warum zum Teufel tue ich das alles und immer wieder?

Ich gehe zur Seite des Hauses. Zumindest ist es hier ruhig. Und kühl. Ich lehne mich nahe der Ecke ans Haus und starre auf den Boden. Wo sind alle die Stunden geblieben?

Das ist Frust. Der pure Frust. Die einförmigen Tage ohne Ende.

Tag um Tag verschmelzen sie zu Wochen. Fast habe ich vergessen, welcher Monat es ist. Immer dasselbe. Es ist lähmend, fast depressiv machend. Was soll ich tun, um den Gefängnis zu entfliehen, ich dem ich mich fühle? So sehr ein Kerker in meiner Seele wie die Großstadt, in der ich meine Tage verbringe.

Mein Leben rinnt mir zwischen den Fingern weg. Ich versuche alles, um eine kurze Abwechselung von den endlosen Wiederholungen zu finden, in denen ich mein Leben verbringe.

Aber selbst diese Fluchten aus dem Alltag scheinen von der gleichen hohlen Qualität zu sein wie mein sonstiges Leben. Es ist seltsam. Ich fühle m ich unsterblich. Das Leben erscheint mir sinnlos und endlos.

Ich hebe den Kopf zum dunklen Himmel. Die Wolken scheinen üb er mir zu rasen. Ich höre ein Geräusch von der Haustür. Ein schlaksiger Junge kommt heraus, irgendein Bündel auf seinen Schultern. Er will wohl gehen. Wie wäre es, wenn ich jetzt auch gehe? Die Idee gefällt mir für einen Moment, aber die pure Lethargie lähmt mich.

Ich stehe im Regen und starre endlos in eine leere Zukunft.

Ich bin schon Mitte zwanzig. Ich studiere. Deshalb habe ich nicht viel Geld. Meine Kleidung ist einfach. Hemd, Jeans, Sneaker. Ich sehe nicht schlecht aus, wenn man den Typ mag. Breites Kreuz, blond, blauäugig. Netter Junge von nebenan. Jetzt am Oberkörper vom Nieselregen durchweicht.

Ich verlasse die Hauswand und habe keine Ahnung wie viel Uhr es ist. Nun entdeckt mich der Junge.

Er nickt in meine Richtung, als er mich sieht. Ich nicke zurück und nähere mich ihm.

„Was geht?“
„Nicht viel“, antworte ich.
Ich kann sehen, dass der Junge einen Joint in seiner rechten hand versteckt. Er hält ihn in seiner Handfläche zwischen Daumen und Zeigefinger. Er schützt ihn dadurch auch vor dem Regen, der immer noch vom Himmel fällt.

„Verdammt laut da drinnen, nicht?“
Ich nicke zustimmend. Fast lächele ich ihn an und lehne mich gegen die Hauswand.

Ich denke, eine Unterhaltung ist eine Abwechselung nach der wortlosen, lärmigen Nacht, die fast vergangen ist.
„Hast du mal Feuer?“ fragt der Junge.

Ich nicke und fische ein Streichholzheftchen aus einer Hosentasche. Ich reiche es ihm und bekomme ein Kopfnicken als Dank. Ich sehe ihm zu, wie die Flamme sein Gesicht beleuchtet und er an dem Joint zieht.

Er ist schlank, einen halben Kopf kleiner als ich. Seien Kleidung schmiegt sich feucht geworden an seine Körperformen.

So etwas wie Cargo Jeans umspannen seine Beine. Ein schwarzes T-Shirt hängt tief. Er hat dunkele Haare, die ihn wie einen Latino aussehen lassen. Ich sehe den langen, goldenen Anhänger an seinem Hals. Eine Art goldener Pfau.

„Danke, Mann“, sagt der Junge und reicht mir die Streichhölzer zurück. Eine dichte Wolke duftenden Rauchs kommt aus seinem Mund. „Eine Party ist nicht der richtige Platz für einen Joint. Zu viele wollen daran ziehen, musst du wissen…“
Ich nicke schweigend.

Ich lehne immer noch an der wand. der Junge reicht mir den Joint. Ich lächele ihn an, nicke ihm zu und nehme einen langen, tiefen Zug.

„Ich heiße Mikael“, stellt er sich vor und schüttelt meine Hand. „Aber nenn’ mich einfach Mik. Das ist cooler. “
„Martin“, antworte ich.
Ich gebe ihm den Joint zurück. Ich fühle schon die Wirkung des Krauts. Mir wird warm, trotz der kühlen Brise der Nacht.

„Scheiß’ Party, was?“ sagt Mikail und nimmt einen weiteren, tiefen Zug. „Mein Kumpel hat mich hierhin mitgenommen. Ich denke, der Motherfucker fickt jetzt eine Tussy. Ich muss wohl allein nach Hause kommen. “

Ich stoße Luft aus und nicke. Mikael scheint cool zu sein. Trotzdem eine hirnlose Unterhaltung. Trotzdem beschließe ich bei ihm zu bleiben. Nicht nur wegen dem Joint, den er offenbar bis zum Ende mit mir teilen will.
„Und du?“ fragt Mikail.

„Bist du von hier?“
„Ja. Nur ein paar Straßen weiter. “
„Wohnst du allein oder bei deinen Alten?“

Ich gebe ihm den Glimmstengel zurück und lasse den Rauch eine Zeit in meinen Lungen, bevor ich ihn von mir blase.
„Nein. Ich habe eine eigene Bude. Studentenbude. Klein, ab er mein. Du weißt schon…“
Mikail lächelt und nickt.
„Nice. Es ist gut, allein zu wohnen. Ich muss immer noch die family ertragen.

„Bist du Latino?“ nutze ich die Chance zu fragen.
Mikael stößt erneut Rauch aus, der vom Nachtwind fortgetragen wird.
„Nein, Mann. Ich bin Kurde, Jeside aus dem Norden des Irak. Und du?“
„Ich bin Deutscher. Vater aus Westfalen, Mutter aus Schwaben. Sieht man das nicht?“
„Ja. Du siehst so aus. Habe ich mir gedacht“, antwortet der kurdische Junge.

Ich fühle mich ein wenig stolz, als die Unterhaltung einen Moment lang stockt.

Ich lehne mich wieder an die Hauswand und starre in den Himmel. Der Regen hatte nachgelassen. Ich habe ein wenig Kopfweh. Von der stickigen Luft da drinnen oder dem Grass?

„Was machst du hier draußen?“
Ich sehe ihn an.
„Bisschen Luft schnappen. Kann sein, ich gehe gleich nach Hause. “
„Okay“, lächelt Mikael ein wenig feige. „Ich warte noch einen Moment. Da drin wartet eine Süße, die von mir gefickt werden will.

Shit, was? Sie ist heiß aus mich. Sie will mich in fünf Minuten oder so vernaschen. Da habe ich gedacht, ich mache mich hier draußen etwas locker. Du weißt schon…“

Ich grinse jetzt über die Heiterkeit des Jungen und den spielerischen Knuff, den er mir auf den Oberarm gibt. Er schient eine merkwürdig offenherzige Person zu sein. Vielleicht ist es ja auch nur das Gras. Ich ignoriere normalerweise diese Art von Angeberei.

Ich nehme einen weitern Zug, als Mikael mir den Joint reicht.

„Scheiße, Mann. Hast du schon mal einer Tussi in den Arsch gefickt?“ fragt er leise und fast ein wenig zu bedeutungsschwanger. Er scheint es selbst fast nicht zu glauben. „Das ist das, was sie von mir möchte, Alter. Fuck, ich habe so einen Scheiß noch nie getan. Hast du?“

„Nein. Nie“, antworte ich ernsthaft. Ich belasse es dabei. Ich fühle mich so, als ob ich rot werde.

Es zeigt sich wahrscheinlich auch trotz der Dunkelheit auf meinem Gesicht, und er kann es sehen.
„Oh, Mann. Ich bin total geil, aber sie ist auch irgendwie ein Freak. “
Mikail lächelt immer noch, obwohl es mir nicht vorkommt wie das benebelte Grinsen eines Kiffers. Er scheint einen Geistesblitz zu haben, denn er klopft mir wieder auf den Arm, als ich ihm das Kraut zurück gebe.

„Warum kommst du nicht mit mir, bio? Ich denke, sie ist wahrscheinlich Freak genug, uns beide zu nehmen.

Es macht ihr sicher nichts aus, dass wir zu zweit sind. Ich glaube auch nicht, dass wir heute Nacht die Ersten bei ihr sind. “

Ich werde über und über rot und stottere.
„Ah, ich weiß nicht. Ich muss nach Hause. “
„Oh, du hast zu Hause jemand, den du nageln willst?“
„Nein. “

„Also, warum willst du abhauen, bio? Wir können die Nutte beide knallen.
Das wird geil und gut“, antwortet Mikail.

Ich kann die Ernsthaftigkeit in seinem Gesicht sehen. Es ist ein offenes und ehrliches Angebot, keine Angeberei. Er ist nur ein Junge, der gierig auf Sex ist und es geil findet, das einfach zu habende Opfer mit mir zu teilen.

„Nein, aber danke für das Angebot. “
Abwehrend schiebe ich wieder meine Hände in die Hosentaschen.
„Okay dann. Ich habe nur gedacht, du wärst cool drauf und ich sollte es dir anbieten.

Ich starre auf die Straße ins Nichts. Die Unterhaltung stockt. Innerlich lockt mich plötzlich eine Stimme. ‚Mach’ es. Mach’ diese Scheiße mit. Er bietet dir einen Weiberarsch an, warum nicht einfach mitmachen? Wann bekomme ich diese Chance noch einmal?’

Meine zerbrechliche, fast noch jungfräuliche sexuelle Existenz wird ebenso von meiner Schüchternheit behütet wie vom alltäglichen Frust in den Boden gestampft. Das ist die Gelegenheit, etwas Neues zu erleben. Trotzdem vermute ich, dass es fehlschlagen würde, mich so aus dem Alltagstrott zu befreien.

„Okay. Ich bin dabei“, sage ich ein wenig nervös.
Mikael legt mir seine Hand auf die Schulter. Sein Gesicht nähert sich meinem auf wenige Zentimeter.
„Geil, Alter“, flüstert er und tritt die noch ein wenig glühende Kippe aus. „Sie hat mir gesagt, dass sie in ein paar Minuten so weit ist. Wir können jetzt rein gehen, wenn du mit im Spiel bist, Martin. “

„Ja, ich mache mit“, antworte ich ruhig.

Mein Gesicht fühlt sich immer noch heiß an, trotz des kühlen Nachtwinds. Meine Hände stecken in meinen Hosentaschen, und angeregt durch meine natürlichen Instinkte ballen sich meine Hände zu entschlossenen Fäusten.

Mikael geht mit schnellen Schritten wieder in Richtung Haustür, und ich folge ihm auf dem Fuße. Immer noch verstehe ich irgendwie nicht, was hier passiert. Ich stehe ein wenig neben mir. Was hatte mich plötzlich dazu gebracht, mit einem fremden Jungen in ein fremdes haus zu gehen, um darin mit ihm gemeinsam Sex mit einem fremden Mädchen zu haben? Niemals hätte ich gedacht, dass dieser Abend so eine Wendung nehmen könnte.

Das überrumpelt mich.

Ich fühle, wie die Hitze des Hauses mich empfängt. Ich folge Mikael die kurze Distanz bis zur ersten Tür links. Dort klopft er. Drei Mal. Er dreht sich zu mir um und nickt mir bestätigend zu. Ich lächele unsicher zurück und versuche so cool wie möglich zu erscheinen. Zittere ich? Oder ist es nur die Hitze im Haus? Die Tür wird von innen entriegelt und öffnet sich ein wenig, bevor ich weiter denken kann.

Mikael betritt den Raum. Ich atme tief ein und folge ihm.

Er schließt die Tür und schiebt den Riegel vor. Ich sehe mich schnell um. Er ist dunkel. Das wirkt wie eine schützende Hülle, die irgendwie mehr als auf dem Korridor entspannt und beruhigt. Ich kann die Bässe aus dem Wohnzimmer immer noch fühlen. Mikael geht an mir vorbei und nähert sich einem Doppelbett, aus dem sich ein nackter Arsch reckt.

„Du hast einen Freund mitgebracht, Mikail?“ höre ich eine weibliche Stimme.

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